Zu sexy für die Krise

paper vs radio big

Trotz schlechter Bezahlung und unsicherer Perspektiven gibt die Zahl der Volontariatsbewerber beim Radio noch keinen Grund zur Sorge.

Bei Lokalzeitungen ist die Medienkrise inzwischen voll angekommen. Dabei geht es inzwischen nicht mehr um schrumpfende Renditen oder wachsende Schulden, sondern um einen den Schwund beim Nachwuchs. Aus diversen Chefredaktionen hört man inzwischen die Unkenrufe, dass die Zahl der Bewerber für Volontärsstellen regelrecht einbricht oder, wenn doch noch genügend Bewerber da sind, die Qualität nicht mehr stimmt. Im deutschen Lokal- und Regionalradio scheint diese Krise derzeit noch kein Thema zu sein.

Gleichwohl gab es bei den Lokalrundfunktagen in Nürnberg ein Panel, in dem es um Volontariate ging – und auch hier wurde fleißig lamentiert. „Man muss sich die Leute heranzüchten“, meint Christian Pflug, Chefredakteur von Radio Essen. Junge Radiotalente müssten die Senderverantwortlichen im Praktikum schon erkennen, dann gebe es auch genügend guten Nachwuchs für die zwei Volontariatsplätze bei dem Lokalsender. Allerdings, räumt Pflug ein, werde es schwieriger, an Praktikanten zu kommen. Zwar gebe es weniger Bewerber, dramatisch sei die Situation aber noch nicht.

Prof. Bernd-Peter Arnold (Institut für Publizistik, Universität Mainz), Detlef Kuschka (Antenne Bayern), Andreas Fauth (Hörfunkschule Frankfurt), Sandra Sprünken (Radio Wuppertal) auf den Lokalrundfunktagen 2011
Prof. Bernd-Peter Arnold (Institut für Publizistik, Universität Mainz), Detlef Kuschka (Antenne Bayern), Andreas Fauth (Hörfunkschule Frankfurt), Sandra Sprünken (Radio Wuppertal) auf den Lokalrundfunktagen 2011

Detlef Kuschka, stellvertretender Programmdirektor von Antenne Bayern, kann sich über einen Mangel an Interessenten jedenfalls nicht beklagen. „Bewerber haben wir sehr viele“, sagt er, weist aber im gleichen Satz darauf hin, dass es den potentiellen Volontären mehr als vor ein paar Jahren am Allgemeinwissen mangele. Welche Aufgaben hat Horst Seehofer? Was macht der Bundesrat? Mit Fragen zu Berliner Politik oder zum Bayerischen Landtag, der den Hörern zumindest räumlich noch näher ist, seien einige Bewerber schlicht überfordert. „Auch ein toller DJ hat Chancen“, sagt Kuschka, „aber kann er auch on air bleiben, wenn die Katastrophe von 9/11 passiert?“

Reine Musikabspielstationen

Das sinkende Niveau bei den Volontariatsbewerbern führt Andreas Fauth von der Hörfunkschule Frankfurt auch auf das Angebot der Sender zurück. Wenn sich die Sender als reine Musikabspielstationen präsentieren, dürfe man sich nicht wundern, wenn sich nur DJs bewerben und keine Journalisten. Aber auch bei eindeutig journalistisch ausgerichteten Bildungsangeboten scheint sich ein Rückgang abzuzeichnen: „Wir hatten 20 Prozent weniger Bewerber als sonst“, klagt Fauth. Als Konsequenz führte die Hörfunkschule den angebotenen Kurs mit nur 13 Teilnehmern durch, zwei weniger als eigentlich geplant.

Weniger Probleme gibt es bei den Öffentlich-Rechtlichen. Bernd-Peter Arnold, Dozent am Institut für Publizistik an der Uni Mainz und ehemaliger Nachrichtenchef des Hessischen Rundfunks, sieht reichlich journalistischen Nachwuchs. In seinen Lehrveranstaltungen entdecke er viele junge Talente, sagt er. Da finde die Verknappung eher auf Seiten der Sender statt: „Es wird nicht viel mehr Nachwuchs geben, weil auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gespart wird.“ Hier hofft Arnold auf den Trend, dass Inhalte wieder wichtiger werden und damit auch das journalistische Personal aufgewertet wird.

Immer wieder sind es die schwarzen Schafe, die eine Volontärsausbildung für die Generation Praktikum in Verruf bringen. Sind selbst bei großen Privatradios die Volontäre schlechter bezahlt als bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (und nebenbei noch ein ganzes Stück schlechter als Tageszeitungsvolontäre), berichten Brancheninsider immer wieder von ausbeuterischen Zuständen: So berichtet Antenne Bayern-Chefredakteur Kuschka von jungen Menschen, die 500 Euro bezahlen, damit sie eine Volontariatsstelle bekommen. Ungewohnte Einigkeit verbindet ihn in dieser Angelegenheit mit Michael Busch von Bayerischen Journalistenverband. Der sagt: „Wir bemerken, dass die Bedingungen nicht stimmen.“ Er spricht von Einstiegsgehältern um 1000 Euro im Monat, aber auch davon, dass viele Altpraktikanten ihre Tätigkeit später über Monate fortsetzen. Redakteursarbeit, bezahlt mit 500 bis 600 Euro im Monat. Und mit Verweis auf seine mittelfränkische Heimat fügt Busch an: „Da sind auch Medienhäuser in Nürnberg dabei.“ Trotzdem scheint das Radio die Bewerber noch anzuziehen. Sie würden früh integriert, meint der Gewerkschafter, das Radio biete schon nach kurzer Zeit die Möglichkeit zur Selbstdarstellung.

Detlef Kuschka (Antenne Bayern), Andreas Fauth (Hörfunkschule Frankfurt), , Sandra Sprünken (Radio Wuppertal)
Detlef Kuschka (Antenne Bayern), Andreas Fauth (Hörfunkschule Frankfurt), , Sandra Sprünken (Radio Wuppertal)

Zweistufige Ausbildung

Bert Helbig, Programmchef von Die Neue 107.7 in Stuttgart, bringt es auf den Punkt: „Radio ist sexier als die Zeitung“, sagt er. Deshalb würden sich immer noch genügend Leute für Volontariate interessieren. Die Herausforderung sei, aus der Masse der „irgendwas mit Medien“-Bewerber die

rauszufiltern, die wirklich etwas reißen wollen. Bei Die Neue 107.7 versucht man das mit einem zweistufigen Ausbildungskonzept. Zuerst können die jungen Menschen eine Ausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien machen. Zeigen sie dabei echtes Radiotalent, steht ihnen der Weg ins Volontariat offen. „Die Radionerds sind weniger geworden“, sagt Helbig. Und die, die sich nicht als Kandidaten für das Volontariat qualifizieren, haben dann immerhin eine abgeschlossene Berufsausbildung in der Hand.