11 Fragen zum neuen Digitalradio

digitalradio logo bigNach schier unendlich langen Verhandlungen, Ausschreibungen, Abbrüchen und mehreren Tonnen Pressemitteilungen steht das digitale Radio DAB vor dem Startschuss. In noch nicht mal mehr einem Monat geht es offiziell los. Aber Moment: DAB – das war doch bereits das Akronym für „Dead And Buried“, also „tot und begraben“? Das digital-terrestrische Radio ließ sich doch in Deutschland partout nicht vermarkten und verkaufen. Was also ist neu, wo liegen die Unterschiede zum bisherigen DAB-Radio? Daniel Kähler beantwortet die 11 wichtigsten Fragen zum DAB-Neustart.

1. DAB war jahrelang auf Sendung. Was genau wird nun mit dem Digitalradio passieren? Wo liegen die Unterschiede?

Richtig: DAB-Testsendungen gab es in Deutschland seit den frühen Neunzigern, durchgesetzt hat sich das System bei uns jedoch kaum. Anfang 2010 wurden die bestehenden Sendernetze zudem deutlich ausgedünnt, zahlreiche Radioprogramme, die beim Sendestart noch dabei waren, sind längst aus dem DAB-Radio verschwunden. Ende des vergangenen Jahres jedoch verständigten sich mehrere Programmveranstalter auf einen Neustart des Digitalradios. Dabei wird verstärkt das neue System „DAB+“ zur Anwendung kommen. Während DAB noch mit dem MP2-Standard arbeitete, setzt man bei DAB+ auf den „AAC+“-Codec, der auch häufig bei Streams im Internet zu finden ist. Im Gegensatz zu „DAB alt“ ist bei DAB+ die Verbreitung einer größeren Anzahl von Radioprogrammen möglich.

2. Fein, wann wird das neue Digitalradio auf Sendung gehen?

Bekanntlich werden beim DAB-System alle Radioprogramme in Ensembles, also einzelnen Paketen versendet. Die Radiosender, die sich Ende 2010 auf den Start des neuen DABplus-Radios verständigt haben, werden in so einem gemeinsamen, bundesweiten Paket auf Sendung gehen. Das bedeutet, dass von einzelnen Sendestationen in fast allen Bundesländern dieses Paket ausgestrahlt wird. Offiziell wird der Sendebetrieb am 1. August 2011 beginnen, tatsächlich sind aber bereits seit Mitte Juli an einzelnen Standorten erste Testsendungen zu hören. Die meisten DAB-Radios werden übirgens automatisch die nötige Frequenz auswählen, das wird entweder der Kanal 5A oder 5C sein.

3. Wo kann ich denn DABplus empfangen? „Von einzelnen Sendestandorten in fast allen Bundesländern“? Nach bundesweit flächendeckender Versorgung klingt das aber nicht.

Das stimmt. Das „bundesweite“ Radiopaket wird ab 1. August von 27 Sendestationen ausgestrahlt. Dass diese keine 100%ige Versorgung Deutschlands erreichen können liegt auf der Hand. Auf der Versorgungskarte ist das Verbreitungsgebiet ersichtlich. Die meisten der „weißen Lücken“ sollen im Laufe der kommenden Jahre mit neuen Sendestationen versorgt werden. Einen genauen, wirklich spruchreifen Zeitplan gibt es dafür jedoch noch nicht.

Bundesmux ab August 2011 (Quelle: Deutschlandradio)
Bundesmux ab August 2011 (Quelle: Deutschlandradio)

4. Beim alten DAB-Radio war der Empfang innerhalb von Gebäuden kaum noch möglich. Wieso jetzt erneut so viel Aufwand für ein System, das gar keinen zufriedenstellenden Empfang sicherstellen kann?

Weil an dem schlechten „DAB alt“-Empfang nicht das System an sich Schuld war, sondern die verwendeten Sendeleistungen. In den meisten Bundesländern lagen die nämlich bei rund 1 Kilowatt. Grund dafür war, dass Nachbarkanäle von DAB für militärische Funkdienste reserviert waren. Damit diese nicht gestört wurden, musste die Sendeleistung begrenzt werden. Diese Situation hat sich inzwischen geändert. In Bayern beispielsweise konnte die Sendeleistung auf teils 10 Kilowatt erhöht werden, was natürlich deutliche Empfangsverbesserungen mit sich brachte. Auch das bundesweite Ensemble wird mit Sendeleistungen bis 10 Kilowatt funken, wodurch ein besserer Empfang als bei „DAB alt“ sichergestellt werden soll.

5. Welche Programme kann ich ab August im DABplus-Radio empfangen?

Im „bundesweiten“ Ensemble werden das 14-15 Programme sein. Selbstverständlich mit von der Partie sind die drei Programme des Deutschlandradios (Deutschlandfunk, DRadio Kultur, DRadio Wissen). Neu ist jedoch der Ereigniskanal „Dokumente & Debatten“, der neben Sportübertragungen und Bundestagsdebatten Sondersendungen und Talkshows wie z.B. „Anne Will“ oder den „Presseclub“ übertragen wird. Auch ein Programm aus Österreich wird dabei sein: „LoungeFM“ überträgt nach Eigendarstellung entspannende Beats und ein generell eher unaufgeregtes Programm. Der Sender zeigte schon bei digitalen Pilotprojekten in Österreich großes Digitalradio-Engagement.

Bereits bekannt von der UKW-Skala sind die Sender „Klassik Radio“ und „Energy“, die ebenfalls am 1.8. im digitalen Äther starten werden. Ebenfalls bereits kein unbekannter ist „90elf“, das Fußballradio der Regiocast aus Leipzig. Bemerkenswert dabei: Neben einer großen Bundesligakonferenz möchte 90elf einen zweiten Spielkanal aufbauen, auf dem dann parallel von einer Begegnung besonders intensiv berichtet wird. 90elf könnte zu einem der Zugpferde des Digitalradios werden, zumal die Regiocast eine verstärkte Bewerbung dieses Programms und des neuen Empfangsweges angekündigt hat. Ebenfalls aus dem Hause der Regiocast kommen die Programme „litera“ (Hörbücher und Literatur) und „Remix Radio“, ein Programm, das mit elektronischer Musik aufwarten soll. Ob diese Angebote bereits pünktlich zum 1. August auf Sendung gehen oder zunächst andere, bereits bekannte Programme als Platzhalter fungieren ließ man bisher nicht durchsickern.

Absolut Radio small

Ein weiteres, ganz neues Radio ist „Absolut Radio“ aus dem Funkhaus Regensburg, das auf Album-orientierte Musik setzt und dabei den Dialog mit den Hörern über diverse soziale Netzwerke oder Smartphone-Applikationen in die Sendungen einbauen möchte. Darüber hinaus wird auch ein Programm der NORFOM Medien GmbH aus Hamburg im bundesweiten Programmangebot vertreten sein. Erst vor kurzem wurde offiziell bekannt, dass es sich um eine bundesweite Version des Berliner Senders „Kiss FM“ handelt.

Auch drei christliche Programme werden schließlich auf DAB+ starten. Neben „Radio Horeb“ sind das zwei Programme des Evangeliumsrundfunks aus Wetzlar: „ERF Radio“ und „ERF Pop“. Letzteres wird voraussichtlich etwas später auf Sendung gehen.

6. Wie steht es mit Programmen aus meiner Region, werden diese ebenfalls digital empfangbar sein?

Ja – die meisten jedenfalls. Alle ARD-Landesrundfunkanstalten haben sich auf die Verbreitung ihrer Programme in ihren jeweiligen Sendegebieten verständigt. Der Bayerische Rundfunk z.B. hat bereits ein digitales Sendernetz aufgebaut, der Norddeutsche Rundfunk konkretisierte ebenfalls seine DABplus-Pläne. Jedoch werden einige der regionalen Sender möglicherweise über schwächere Sendenetze ausgestrahlt. Details werden hierzu in den kommenden Wochen veröffentlicht, fest steht aber jetzt schon: Bis zum Jahresende wollen alle ARD-Landesrundfunkanstalten auch digital auf DAB+ funken.

In Bayern, Hessen und einigen anderen Bundesländern ist auch der Weg zu einer Verbreitung von privaten Sendern über DABplus geebnet. In Hessen werden u.a. Radio BOB, Radio FFH und ein weiteres Programm aus dem Funkhaus Regensburg mit dem Titel „Absolut Relax“ on air gehen.

Starttermine, Sendeleistungen und Sendernetze werden sich in den meisten Fällen jedoch von denen des „bundesweiten“ Programmangebots unterscheiden.

7. Habe ich auch Chancen auf Programme aus angrenzenden (Bundes-)Ländern?

Ja. So können Hörer in Hessen an günstigen Standorten bereits jetzt die Programme aus dem Freistaat empfangen, ähnlich des „Overspills“ beim UKW-Radio. Auch in Grenzgebieten zu Nachbarländern vergrößert sich die Programmauswahl. Wer in Schleswig-Holstein an der Ostseeküste oder im äußersten Norden wohnt, wird sich über 15 Programme aus Dänemark freuen, auch Belgien und die Schweiz funken teils bis nach Deutschland.

8. Wie sieht die Empfängersituation aus? Was für ein Radio brauche ich, wie viel wird es kosten?

Wer sich ein neues, digitales Radio kaufen möchte, sollte dringend darauf achten, dass auf Gehäuse oder Verpackung auf den neuen Standard „DAB+“ hingewiesen wird. Ansonsten kann das Gerät die neuen Programme nicht wiedergeben. DABplus-fähige Geräte werden im Internet derzeit bereits ab unter 50 Euro angeboten, auch im Einzelhandel finden sich bereits erste Wellenfänger für DABplus, darunter auch wenige Autoradios. Sofern man den Versprechen der Hersteller Glauben schenken darf, werden bis zur Internationalen Funkausstellung in Berlin weitere Geräte im Handel zu finden sein, darunter auch Empfänger zu einem Preis von rund 20 Euro und mehrere „Hybridradios“, die ebenfalls via WLAN mit Radiosendern und Podcasts versorgt werden.

90elf radio

9. Welche Vor- und Nachteile bringt DABplus?

Kein Rauschen, kein Knistern, kein Suchen nach der neuesten Frequenz – mit diesen Vorteilen wurde bereits beim Vorgänger DAB das Digitalradio beworben. Auch bei DAB+ ändert sich in dieser Hinsicht nichts. Da die einzelnen Sender nun weniger Platz in einem „Paket“ einnehmen, können mehr Programme „verschickt“ werden. Jedoch werden Hi-Fi-Freaks und Audiophile an DAB+ nicht die allergrößte Freude haben, denn Radioprogramme in bester Qualität werden weiterhin nur über Satellit empfangbar sein. Mehr macht AAC+ nach den aktuellen Kapazitätsplanungen im „bundesweiten“ Programmpaket nicht mit.

10. Stimmt es, dass UKW bald abgeschaltet wird?

Nein, das ist nicht richtig. UKW wird noch mindestens 10 Jahre auf Sendung bleiben, wenn nicht noch länger.

11. Wird das Digitalradio nun ein Erfolg?

Auf jeden Fall stehen die Chancen diesmal besser als noch vor einigen Jahren. Es wird einen netten Blumenstrauß von Programmen geben, der in den meisten Bundesländern empfangbar sein wird, egal wie die Reaktionen auf regionale Ausschreibungen dort ablaufen werden. Die Empfängersituation hat sich, nicht zuletzt auch aufgrund des DAB-Erfolgs in Großbritannien, der Schweiz, Dänemark, Norwegen, Australien und Malta (auf der Mittelmeerinsel wurden immerhin zwei DABplus-Autoradios entwickelt) deutlich verbessert. Man darf gespannt sein, ob aus dem Desaster „DAB alt“ gelernt und nun deutlich besser geplant wurde. Ob, wie geplant, 2015 fast ganz Deutschland flächendeckend mit dem neuen Digitalradio versorgt werden wird, wird sich zeigen.

Weitere Links
Fakten zum DABplus-Start mit aktueller Geräte-Liste