Altbackenes Rundfunkverständnis: Die sächsischen Grünen fordern vom MDR bessere Jugendarbeit

MDR (Bild: Bernd Reiher)

Zwanzig Jahre wird er in diesem Jahr alt, der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR). Mit seinen Jugendangeboten allerdings hat er in dieser Zeit nur selten für positive Schlagzeilen gesorgt. Die sächsischen Grünen haben sich jetzt aufgemacht, Verbesserungen auf diesem Sektor einzufordern. Wir haben uns mit Dr. Karl-Heinz Gerstenberg in Verbindung gesetzt. Er ist der medienpolitische Sprecher der Grünen im sächsischen Landtag.

Karl-Heinz Gerstenberg (Bild: Grüne-Fraktion Sachsen)
Karl-Heinz Gerstenberg (Bild: Grüne-Fraktion Sachsen)

RADIOSZENE: Herr Gerstenberg, die sächsischen Grünen fordern mehr Jugendangebote vom MDR – warum?

Gerstenberg: Das MDR-Fernsehen wird seinem Grundversorgungssauftrag nur ungenügend gerecht, weil es junge Leute fast gar nicht mehr erreicht. Die Jugendlichen von heute sind die Beitragszahler von morgen. Wenn die Angebote für sie nicht attraktiver werden, könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk für weite Teile der Bevölkerung irrelevant werden und jegliche Akzeptanz verlieren. Es geht aber nicht lediglich um eine Daseinsberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch eine größere Jugendquote, sondern um die Frage, wie seine Angebote dem Bildungs- und Informationsauftrag bezüglich heutiger junger Generationen gerecht werden.

RADIOSZENE: Und: Wie?

Gerstenberg: Jugendliche sollen ihre Themen in den Medien wiederfinden. Wir meinen damit nicht nur große Shows und Sportsendungen, sondern Musik-, Pop- und Medienkultur, aktuelle Trends aus verschiedenen Szenen, Debatten über Ereignisse vor der eigenen Haustür, jugendtypische Entwicklungsthemen – zum Beispiel Stress in der Schule, Beziehungen, Zukunftsträume, Lebensentwürfe. Sowie: jugendgerecht aufbereite gesellschaftliche und politische Themen.

RADIOSZENE: Nur die Themen?

Gerstenberg: Die Angebote müssen auch neue Nutzergewohnheiten berücksichtigen. Bei jungen Leuten wird die Nutzung heute wesentlich durch das Internet, soziale Netzwerke und Videoplattformen bestimmt. Das Fernsehen ist für sie wichtig, aber sie erwarten immer mehr, sich ein Programm spontan selbst zusammenstellen zu können, wollen mehr Interaktion.

RADIOSZENE: Ihr Vorschlag?

Gerstenberg: Ein Weg, wie man durchaus eine höhere Zahl von Jugendlichen erreichen kann, wäre, dass Jugendliche selbst Fernsehen machen. Jugendliche können in die redaktionellen Entscheidungen einbezogen werden oder selbst als Lokaljournalisten das Programm mitgestalten. So kann das Programm (in Inhalt und Sprache) direkt an den Lebenswelten von Jugendlichen anknüpfen.

RADIOSZENE: Mit MDR Jump und MDR Sputnik hat die Anstalt zwei 24-Stunden-Programme für die Jugend und für Jüngere im Angebot. Was reicht Ihnen daran nicht?

Gerstenberg: MDR Jump unterscheidet sich so gut wie gar nicht von den Privatradios. Es ist klar, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk angewiesen ist, möglichst viele Zuhörer zu erreichen, auch wenn die Quote nicht das Hauptziel sein kann. Dass aber Sputnik wieder zu einem Mainstream-Programm mit weniger Informationen und zunehmender musikalischer Verarmung umgebaut wurde, geht am Auftrag des MDR vorbei.

RADIOSZENE: Das Problem?

Gerstenberg: Als Grund für den Umbau wurden zu geringe Hörerzahlen herangezogen. Dabei hat zumindest in Sachsen kaum jemand Sputnik über Antenne empfangen. Konsequenterweise wurde Sputnik zu einem Multimedia-Radio entwickelt. Die Seitenzugriffe waren im letzten Jahr um 60 Prozent gestiegen. Die Multimedia-Strategie kommt also bei vielen Jugendlichen an.

Man muss dazu wissen, dass die Mediaanalyse nach wie vor die internetbasierte Nutzung nicht erfasst. Die Reichweitenmessung steckt leider noch in der medialen Steinzeit. Der MDR sollte sich endlich von seinem altbackenen Rundfunkverständnis lösen. Die Entscheidung, aus Sputnik „JUMP 2“ zu machen, hatte nichts mit Sparzwängen zu tun, sondern war eine programmpolitische Entscheidung. Wenn sich der MDR auf keine Experimente mehr einlassen will, frage ich, welchen Mehrwert das öffentlich-rechtliche Radio im Jugendbereich bei uns noch hat?

RADIOSZENE: Ihre Forderung?

Gerstenberg: Wir wollen eine echte Alternative zum Einheitsbrei der sächsischen Radiolandschaft, einen Jugendsender der auch der regionalen Musikszene und Popkultur ein Podium gibt und hintergründige, jugendgerechte politische Informationen bietet.

RADIOSZENE: MDR Jump hat vor kurzem seinen umstrittenen Chef verloren, das MDR Fernsehen bekommt bald einen neuen – gute Zeiten für Veränderungen. Worauf sollten die Verantwortlichen in Funk und Fernsehen dabei achten?

Gerstenberg: Der MDR hat in Sachen Programmvielfalt großen Ausbaubedarf. Gesellschaftlicher Pluralismus in einem demokratischen System muss sich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wiederfinden. Für uns Grüne ist die Ansprache aller Alters- und Personengruppen mit einem qualitativ hochwertigen Programm eine zentrale Aufgabe auch des MDR. Neben hochwertigen Radio- und Fernsehangeboten muss der MDR mit der medialen Entwicklung mitziehen können. Deshalb müssen die Aktivitäten im Internet ausgebaut werden, um dem öffentlich-rechtliche Rundfunk eine  Entwicklungsgarantie einzuräumen. Fernsehen, Radio und Webangebote müssen gleichberechtigt nebeneinander stehen und miteinander zu einem Gesamtangebot verbunden werden.

RADIOSZENE: Wie könnte dieses Miteinander aussehen?

Gerstenberg: Das schließt Apps für die mobile Nutzung ebenso ein wie die dauerhafte Zugänglichkeit von Inhalten in den Mediatheken. Wünschenswert wären auch Möglichkeiten der Weiterverwendung der Inhalte durch eine Bereitstellung über „Creative Commons“-Lizenzen. Dafür muss die Politik die rundfunkrechtlichen Grundlagen schaffen. Wir streben daher an, im Rundfunkstaatsvertrag die 7-Tage-Frist und die Unzulässigkeit von presseähnlichen, nicht sendungsbezogenen Angeboten aufzugeben.