Ein kleines Erdbeben wird den niederländischen öffentlichen Rundfunk (NPO) bis spätestens 2016 kräftig durchschütteln. Von den bisherigen 21 öffentlichen Rundfunkveranstaltern („Omroepen“) sollen nur noch acht übrig bleiben. Und der Rotstift – getreu dem Vorbild derzeit in Großbritannien – wird massiv angesetzt: Um 200 Millionen Euro jährlich kürzt Den Haag das Hilversumer Budget.
Da hilft nur Bündelung der Kräfte. Und so verkündeten soeben die beiden neutralen (nicht weltanschaulich gebundenen) Omroepen AVRO und TROS ein Zusammengehen, bevor die Regierung den Wildwuchs der öffentlichen Programmveranstalter von sich aus stoppt. „Wir bleiben lieber selber am Ball, bevor wir zum Spielball der Politik werden“, zitiert das „Algemeen Dagblad“ (AD) die AVRO-Chefin Willemijn Maas. Der Chef des Senioren-Omroeps MAX unkt allerdings schon über die Elefantenhochzeit der Hilversumer Mitstreiter : „Das geht schief“.
Dagegen ist die Den Haager Medienministerin Marja van Bijsterveldt hocherfreut über die Initiative. Die Fusion von den beiden sei ein Schritt in die richtige Richtung zu einem effizienten und schlagkräftigen öffentlichen Rundfunk.
Der Zusammenschluss von AVRO und TROS ergibt dann zwar einen neuen Omroep mit den meisten Mitgliedern innerhalb des öffentlichen Rundfunksystems. Ob sich das dann aber auch auf die Verteilung der Sendezeit auf den Hilversumer Netzen mit entsprechend hohen Programmproduktions-Etats auswirkt, ist noch unklar. Dazu habe sich die Politik noch nicht konkret geäußert, hieß es. Trotzdem wird zunächst einmal das Allheilmittel bei Sparmaßnahmen angewendet: Entlassungen. Sowohl TROS wie AVRO haben jeweils über 200 Festangestellte. Um bei diesen außergewöhnlichen Budgetreduzierungen die Programmqualität zu erhalten, seien Entlassungen also einfach notwendig, so TROS-Chef Peter Kuipers im AD.
Ursprünglich wollte die AVRO, der älteste Omroep im Hilversumer System, mit der linken VPRO zusammengehen. Doch die zog zurück. Ihr weltanschaulicher Programmanspruch ließ sich mit dem eher neutral-konservativen der AVRO offenbar nicht in Einklang bringen. Da kam die TROS etwas richtiger. „Die machen die Musikfeste für das Volk, wir machen die Kultur“, so AVRO-Chefin Maas.
Die Televisie Radio Omroep Stichting (TROS) entstand als nichtkommerzielle Fortsetzung des kommerziellen Senders „TV Noordzee“, der 1964 von einer bohrinselartigen Plattform (das „REM-Eiland“) ausserhalb der Hoheitsgewässer vor Katwijk an Zee ausschliesslich US-Serien und Entertainmant -Programme nach Holland hineinstrahlte. Der Sender wurde in einer Polizeiaktion ausgehoben, nachdem sich herausgestellt hatte, dass das REM-Eiland auf niederländischem Festlandssockel stand und damit illegal sendete. Die Fans des Senders gründeten sofort einen eigenen Omroep, um das Programm von TV Noordzee legal im Hilversumer Rundfunksystem wiedererstehen zu lassen. So entstand die TROS. In den Siebzigern kaufte sie die niederländischen Rechte am ARD-„Tatort“. Die erste Episode beinhaltete dann folgerichtig eine gesondert ins Drehbuch geschriebene spektakuläre Actionsequenz auf dem REM-Eiland. Die Plattform wird übrigens in den nächsten Wochen nach eingehender Restaurierung im Amsterdamer Hafen installiert und ein Restaurant beherbergen.
Die AVRO ist ein Urgestein des öffentlichen Rundfunks. Sie entstand 1927 kurz nach Beginn der Rundfunkausstrahlungen über den Sender Huizen. Nach dem Krieg war sie die Gründungsmutter des wiederertandenen demokratischen niederländischen Rundfunks.