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Länderübergreifende Radiokonzepte

Bitte günstig, aber bloß nicht austauschbar

Medientreffpunkt MitteldeutschlandDie Zukunft der deutschen Radiosender führt nur über regionale Kompetenz – egal ob privat oder gebührenfinanziert. Das ist das Fazit einer Paneldiskussion anlässlich des Medientreffpunkt Mitteldeutschland. Dort diskutierten Radiomacher über die Möglichkeiten länderübergreifender Radiokonzepte.

Moderiert wurde die Veranstaltung bissig, provokant und humorvoll von Dr. Joachim Huber, dem Leiter des Medienressorts des Berliner Tagesspiegel. „Was haben Sie für Ihr Programm schon geklaut?“, fragte Huber die Radioverantwortlichen zum Auftakt und Jan Trenn, Entwicklungschef von RTL Radio Deutschland in Berlin antwortete: „Ich habe da kein Unrechtsbewusstsein. Ich würde es eher als Wissenstransfer bezeichnen.“ Generell gehe es bei länderübergreifenden Konzepten aber in erster Linie um Qualitätssteigerung. „Es macht Sinn, bestimmte Elemente auszutauschen, auf den jeweiligen Standort zuzuschneiden und zu adaptieren“, so Trenn. Als Beispiele nannte er Comedy-Rubriken wie „Der kleine Nils“. In Sachsen-Anhalt und Berlin habe RTL eine gemeinsame Lösung gefunden, indem man den beliebten Moderator Thomas Koschwitz zeitgleich im Nachmittagsprogramm bringe. „Wir senden das in einer Anmutung, als wäre es live. Ist es aber nicht. Aber das versprechen wir unseren Hörern ja auch nicht“, so Trenn.

Vor allem waren sich die Teilnehmer des Panels darin einig, dass länderübergreifenden Lösungen enge Grenzen gesetzt seien. Synergiepotentiale sehen die meisten vor allem bei einer gemeinsamen Vermarktung der Gattung Radio. „In diesem Jahr haben beispielsweise 38 deutsche Sender gemeinsam Aktionen wie den Aprilscherz durchgezogen“, so Tino Utassy von der BCS Broadcast Sachsen. Die Stärke der Sender liege in ihrer regionalen Kompetenz und Unverwechselbarkeit. Norbert Seuß, Direktor für Sonderaufgaben bei der deutschen Dependance von Radio NRJ, sagte, sein Unternehmen habe erfolgreiche Konzepte in Finnland oder Frankreich etabliert. „Aber die auf Deutschland anzuwenden wird nicht funktionieren, und umgekehrt.“ Radio NRJ beschäftige in jeder seiner deutschen Stationen 20 bis 30 Mitarbeiter. „Wenn ich ein zentrales Mantelprogramm produzieren wollte, bräuchte ich soviel Personal nicht“, so Seuß.

Ina Tenz, Programmdirektorin bei radio ffn stimmte Seuß zu: „Unsere Glaubwürdigkeit vor Ort ist unser höchstes Gut. Der Hörer erkennt, ob die Sprecher aus der Region kommen. Deshalb suchen wir für unser Programm Menschen, die regional verwurzelt sind.“ Darauf entgegnete Moderator Dr. Joachim Huber trocken: „Wir haben beim Tagesspiegel mal im Rahmen einer Recherche private Radiosender morgens um fünf Uhr in ihren Studios aufgesucht, um festzustellen, ob die Morgen-Crews auch wirklich während der Sendezeit anwesend sind. In den meisten Fällen fanden wir aber nur den Nachtwächter.“

Johann Michael Möller, Hörfunkdirektor des MDR, nannte als Beispiele für länderübergreifende Konzepte den ARD Nachtexpress oder neuerdings die Infonacht unter der Federführung des MDR. „Wir reduzieren die Kosten und haben dabei einen enormen Kompetenzgewinn, indem wir eine Präsenz bieten, die andere nicht mehr aufrechterhalten wollten“, sagte Möller. Man könne so die starke Nachrichtendominanz westdeutscher Sendeanstalten wie des NDR ein Stück weit ausgleichen. Über Sinn und Unsinn länderübergreifender, innovativer Konzepte, so waren sich alle Teilnehmer einig, entscheide am Ende des Tages längst nicht mehr das Bauchgefühl, sondern einzig und allein die Marktforschung.

 

XPLR: MEDIA Radio-Report