Radioreporter berichtete über Mord, den er offenbar selbst begangen hat

Was ihm durch den Kopf ging, als er von der Festnahme des 26-jährigen Patrick R. erfuhr, der eine junge Frau ermordet und verbrannt haben soll, will ich von Oliver Wurdack wissen, dem Sprecher des Polizeipräsidiums Südwest-Sachsen. „Da war ich schon perplex“, antwortet er, was wohl eher tief gestapelt ist, denn erst wenige Tage vorher war Patrick R. in Wurdacks Büro, als Reporter von Radio Zwickau. Bei sich ein Aufnahmegerät, um Wurdack über die Ermittlungen zu genau der Tat zu befragen, die er mutmaßlich selber beging. Und Wurdack sprach mit ihm. „Ja“, sagt der Polizeisprecher, „er hat von mir einen O-Ton bekommen.“

Die Tat, um die es geht, wurde am Morgen des 13. Februar von Feuerwehrleuten in einem Waldstück bei Crimmitschau entdeckt. Jemand hatte sie gerufen, weil es dort brannte. Als der Löschtrupp sich näherte, erkannten die Männer, dass es die Leiche einer Frau war, die in Flammen stand. Der Täter musste gerade erst verschwunden sein. Wenig später eilten Kripo und Spurensicherung herbei. Einige Tage später stand fest, dass es sich bei der Toten um eine 23-jährige Ergotherapeutin namens Susann handelte, die in einem Altenheim in Neuplanitz arbeitete. Sie sei erschlagen worden, stellten die Experten fest. Zuletzt war sie in einer Diskothek gesehen worden.

Vorübergehend geriet ein Ex-Freund der jungen Frau unter Verdacht. Der stellte sich freiwillig der Polizei, konnte ein hieb- und stichfestes Alibi liefern und durfte nach dem Verhör wieder gehen. Manch einer hielt das für eine Fehlentscheidung. Ein, zwei Tage wurde hier und da geredet, die Ermittlungen würden schlampig geführt. Möglicherweise war Patrick R. einer von denen, die auch so redeten.

R. arbeitete seit letztem Herbst bei Radio Zwickau. Hatte sich dort beworben, offenbar einen guten Eindruck gemacht. War vorher als DJ in diversen Diskotheken der Umgebung unterwegs. Posierte gern für Fotos, gern mit ein oder zwei Mädchen im Arm, gern auch mit dem einen oder anderen Promi, etwa dem Schlagersänger Bernhard Brink. In Zwickau und Umgebung muss er eine gewisse Szene-Bekanntheit gewesen sein. Verständlich, dass das Radio ihn gern genommen hat. Offiziell war er Praktikant, aber das heißt nicht viel bei kleinen Sendern, dort sind Praktikanten alles mögliche, oft auch vollwertige Reporter, und wenn sie sich schlau anstellen, am Mikrofon gut klingen, gut recherchieren, gute O-Töne bringen, dann ist das oft ihre Chance auf ein Volontariat und eine Redakteursstelle. Vielleicht war das auch der Plan von Patrick R., und seine Chancen standen offenbar nicht schlecht, er galt, was man so hört, als engagiert und talentiert. So gut hatte er sich in die Redaktion eingelebt, dass der Sender ihm immer wieder einen Dienstwagen überließ.

Während Patrick R. über den Mord an Susann berichtete, arbeiteten Kripo und Spurensicherung ausgesprochen schnell. Unter den Spuren, die sie sicherten, waren auch diverse DNA-Reste. Die glichen sie mit den genetischen Fingerabdrücken ihrer Verbrecherdatenbank ab – und wurden fündig. Schon drei Tage nach der Tat hatten sie eine Übereinstimmung einer Tatortspur mit der DNA von Radiopraktikant Patrick R. gefunden. Sie war in der Datenbank gespeichert, weil R. letztes Jahr eine Garage angezündet hatte und dafür zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt worden war. Am nächsten Morgen rückte die Kripo früh um 7 bei ihm an und nahm ihn fest. In seiner Wohnung fanden sie außerdem Susanns Ausweis und einige ihrer Kleidungsstücke.

Am Mittag kamen die Kommissare dann bei Radio Zwickau vorbei. Kein Höflichkeitsbesuch, so Wurdack, sondern Ermittlungsarbeit. Die Beamten verlangten Autoschlüssel und -Fahrtenbuch des Dienstwagens, den Patrick R. benutzt hatte. Eines von drei Autos, die dem Verdächtigen zur Verfügung standen und die jetzt beschlagnahmt sind und nach weitere Spuren untersucht werden.

„Der Sender hat gut kooperiert“, sagt der Polizeisprecher. Der Studioleiter sei „geplättet“ gewesen, als die Kriminalbeamten ihn mit dem Verdacht gegen seinen Mitarbeiter konfrontierten. Offenbar sind Studioleiter und seine Chefs noch immer platt angesichts dieses Vorfalls, der wohl einmalig in der deutschen Radiogeschichte ist. So richtig wissen die Verantwortlichen der sächsischen Lokalradiogruppe BCS, zu der Radio Zwickau gehört, wohl bis heute nicht, wie sie mit dem Fall umgehen sollen. Auf ihrer Webseite geben sie sich „schockiert„. Über die Hintergründe schweigen sie. Wer darauf wartet, im Programm des Senders mehr zur Sache zu hören, wartet bisher vergeblich.

Das wird sich ändern – spätestens, wenn Patrick R. vor Gericht steht und alle Einzelheiten öffentlich verhandelt werden.

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Bitter Lemmer