Er gilt als fränkisches Radio-Urgestein, Gerald Kappler (62), denn er war von Beginn an bei den Nürnberger Privatsendern dabei. In seinen Morningshows bei N1 und Charivari 98.6 wagte er sich an Radio mit Ecken und Kanten in der Prime-Time. Das machte er zu seinem unverwechselbaren Stil.

Im Gespräch mit unserem Mitarbeiter Hendrik Leuker in dessen Bamberger Wohnung schaute er zurück und machte sich Gedanken um die Zukunft des Regionalradios, das er im Nürnberger Raum über 35 Jahre lang mitgestalten durfte.
Gerald Kappler: Sein Weg zum Radio
Nach dem Abitur am Dietzenhofer-Gymnasium (DG) in Bamberg nahm Kappler ein Studium der Germanistik und Kommunikationswissenschaften ebenfalls in der Domstadt auf. Er brach sein Studium nach dem Vordiplom ab – das Radio kam ihm dazwischen. Angeregt durch einen Kommilitonen, der sich beim Nürnberger Privatfunk engagierte, beschäftigte sich Kappler, der mit Bayern 3 und der „B3- Radioshow“ mit Gottschalk und Jauch (ab 07. Oktober 1985 bis 1989) sozialisiert wurde, mit dem, was im Nürnberger Kabel vor sich ging.
Obwohl er ursprünglich ein Volontariat bei der Lokalzeitung Fränkischer Tag in Bamberg ins Auge gefasst hatte, bewarb er sich schließlich erfolgreich um ein Volontariat bei Radio Starlet in Nürnberg. Dieses sollte am 1. Januar 1987 losgehen. Am 3. Dezember 1986 herrschte in Nürnberg bei Radio N1 bereits Not am Mann, da man schneller als erwartet den Sendebetrieb im Äther aufnehmen konnte.
Und so kam es, dass Gerald Kappler nach einer telefonischen Anfrage, ob er aushelfen könne, gewissermaßen als Leiharbeitnehmer ab diesem Tag mit von der Partie war, und mehr als das: „Ich habe nach der gemeinsamen Eröffnungssendung aller Nürnberger Privatsender vom Funkturm die erste Sendung auf N1 moderiert.“ Kappler wurde gleichsam ins kalte Wasser geschmissen. Er blieb bis zum 31.12.1986. Danach ging es, wie vorgesehen, ins Volontariat im Backoffice bei Radio Starlet.
Vier am Start
Das Einzige, was klar war an der Situation im Dezember 1986, war, dass im Wesentlichen vier Hauptsender im Raum Nürnberg an den Start gingen: N1 auf 92,9 MHz , Charivari 98,6, Radio F auf 94,5 MHz und Radio Gong 97,1. Daneben ein freies Radio namens Radio Z auf 95,8 MHz auf einer mit kleinen kommerziellen Anbietern gesplitteten Frequenz. Im Detail war es etwas komplizierter: Aus Radio Starlet, der Station, bei der Kappler ein Volontariat absolvierte, wurde, nachdem ein Gesellschafter insolvent ging, im Jahr 1988 Radio 5. Dieses sendete aus dem benachbarten Fürth.
„Deutschlands erste Oldie-Station aus Fürth“ teilte sich die Frequenz 95,8 MHz mit dem freien Radio Z. Ende 1990 war für Radio 5 Sendeschluss. Nach seiner Zeit bei Radio 5 ging Kappler zurück zu N1, das sich bis 1990 die Frequenz 92,9 MHz mit Radio Downtown aus Erlangen teilen musste: „Es war schwierig für uns. Wir hatten anfangs nur die Morningshow und hätten so nicht überleben können. Die gesplittete Frequenz war ein arges Hindernis (Anm.: zur Vermarktung).“

Aus N1 wurde im Jahr 1990 dann ein 24-Stunden-Programm, Radio Downtown aus Erlangen musste von der Frequenz 92,9 MHz auf die 95,8 MHz wandern und teilte sich nunmehr diese Frequenz mit dem freien Radio Z. Worin bestand damals die Konkurrenz? Oder war man selbst die Konkurrenz?
„Es lässt sich festhalten, dass die ‚B3-Radioshow‘ mit Gottschalk und Jauch (Anm.: Ende der 80er Jahre) deutlich weniger Erfolg hatte aufgrund der Nürnberger Privatradios. Im September 1988 ging dann Antenne Bayern auf Sendung. Nürnberg ist eher landgeprägt. Der Lokalfunk in Nürnberg, insbesondere Hitradio N1, musste zu dieser Zeit eher ein Auge auf die Antenne werfen als auf Bayern 3. Der Sender des Bayerischen Rundfunks war sehr urban aufgestellt, während der Konkurrent Antenne Bayern seine Hörerschaft eher in den ländlichen Gebieten suchte.“
Powermorgen bei N1
Gerald Kappler war von 1987 bis 1990 bei Starlet/Radio 5. Anschließend Chefredakteur und Moderator bei N1. Von 1993 bis 1997 bildete das Trio Stefan Meixner, Jessica Winter und Gerald Kappler die Show „Stefan Meixner und die Powermorgenmannschaft“ (5-9 Uhr). Das Team der „Powermorgenmannschaft“ komplettierte ein Comedian namens Hausmeister Pit, der immer einen deplazierten Spruch auf Lager hatte. Tatjana Engelhardt stieß 1997 zum Sender. Von 1999 bis 2003 moderierte Kappler mit Tatjana Engelhardt den N1- Powermorgen.
Zu dieser Zeit war Hitradio N1 der Sender, den man hören musste, um im Raum Nürnberg mitreden zu können! – Überraschenderweise basierte der Erfolg nicht nur auf musikalischem Powerplay, sondern eher auf gewitzten Aktionen, Radio mit Ecken und Kanten eben: „Wir haben damals in einer halben Stunde zwei, allenfalls drei Titel gespielt, hatten somit noch 17-22 Minuten (Anm.: abzüglich Musik und Werbung). Diese mussten gefüllt werden vor allem mit Infos, Smalltalk und Comedy.
Wir wussten, dass die Leute in der Früh intensiv zuhörten. Wir hatten verrückte Aktionen drin, die heute unvorstellbar sind: So haben wir eine katholische Hochzeit live übertragen. Einmal hatten wir sogar einen Hypnotiseur im Studio. Wir haben es geschafft, den Leuten in Nürnberg und Umgebung mit N1 etwas zu bieten. Ich wurde noch nach Jahren mit dieser Sendung und dieser Zeit konfrontiert“, schaut Kappler zurück.
Meixner wechselte 1999 zu Antenne Bayern, Jessica Witte-Winter ging danach zum Sat.1-Frühstücksfernsehen.
Morgenmoderator zu sein, bedeutet, vor den Hörern aufzustehen: „Ich wohnte nicht weit vom Funkhaus. Bin um 4:45 Uhr aufgestanden und habe nie verschlafen“, fügt Kappler hinzu. Er, der gutgelaunte Morgenmoderator, hörte übrigens vor seiner radioaktiven Zeit morgens kaum Radio. Er blieb bei N1 bis 2003.
Streit in der Morgenshow
In den 90er Jahren gab es im „N1-Powermorgen“ einen heftigen Streit zwischen den damaligen Moderatoren Gerald Kappler, Stefan Meixner und Jessica Witte-Winter, der so weit eskalierte, dass der Anchorman Stefan Meixner während der Show gegen 7:30 Uhr das Studio verließ. Die Zuhörer wurden Ohrenzeugen der chaotischen Entwicklung und konnten alles live mitverfolgen.
Was war da los?
„Worum es in diesem Streit ging, weiß ich nicht mehr genau. Einer hatte den anderen wohl mit seinen Worten verletzt“, merkt Kappler an. Aber man habe sich danach wieder zusammengerauft. Der Telefondienst habe an diesem Morgen die Musiktitel spielen müssen. Ein telefonischer Shitstorm sei ausgebrochen: Hörer hätten in und nach der Sendung besorgt, teils verstört angerufen, ob das ernst gemeint gewesen sei, bis hin zu Weinkrämpfen bei Kindern. Es habe danach eine Pressekonferenz im Saturn Nürnberg gegeben.
Wechsel zu Charivari 98.6

In den Jahren 2003 bis 2019 war Gerald Kappler bei Charivari 98,6, das auch zum Funkhaus Nürnberg gehört. Dort moderierte er wiederum die Morningshow. Diese hieß zunächst „Die Gerald-Kappler-Show“ (5-9 Uhr) und später „Die Kapplers“ (5-10 Uhr). „Die Kapplers“, das waren Gerald Kappler, Jens Urban und Tatjana Engelhardt (s. a.: Abschied und Neuanfang bei Charivari 98.6).
In einem Morningshow-Test der „Bild Nürnberg“ aus dem Jahr 2011 hielt das auflagenstarke Boulevardblatt in seiner Regionalausgabe für Franken folgendes fest: „Obwohl zu dritt, herrscht kein Chaos an den Mikros. Die Urgesteine Kappler und Engelhardt wissen einfach, wie man Franken weckt.“ Das Urteil lautete: Voll aufdrehen!
Was waren die Unterschiede zum „Powermorgen“ bei N1? „Charivari 98.6 hatte mehr Infos am Morgen als N1, mit einer Infoschiene alle 20 Minuten. Die Morningshow hatte sich inzwischen musikalisch verändert. Zu dieser Zeit, Anfang der 2000er, befand man sich in einer 80er-Delle, das Interesse an der Musik der 80er ließ nach, man hatte sie einfach zu oft gehört. Jetzt wurde mehr Rock/Pop gespielt. Zu dieser Zeit war N1 auch seichter geworden und nicht mehr das Radio mit Ecken und Kanten der 90er“, erklärt Kappler die Unterschiede. Kappler war in dieser Zeit auch Programmkoordinator von Charivari 98.6 und Radio F.
Moderator bei Radio Gong 97.1 und Berater
Ende 2019 wollte Kappler eigentlich ein Sabbitical, eine in diesem Fall einjährige berufliche Auszeit, einlegen. „Ursprünglich wollte ich nach Norwegen, mir kam aber die Corona-Epidemie dazwischen, die mir die Auszeit kaputt gemacht hat“, bedauert es Kappler noch heute. Anfang 2021 ging er zu Radio Gong 97.1, inzwischen ein Rocksender, von Rock in den 70ern bis heute. Dort moderierte er „Radio Gong 97.1 am Nachmittag“ von 14-19 Uhr von 2021 bis 2023.
Zusätzlich richtete er sich ein Studio zu Hause ein und moderierte wieder eine Morgenshow, die von Radio Primaton, dem Lokalsender von Schweinfurt, von 5-9:30 Uhr, in den Jahren 2021 bis Juni 2023: „Das hat mir einen Riesenspaß gemacht, es hat gut funktioniert. Zur Bindung an das Team von Primaton war ich zweimal im Monat in Schweinfurt gewesen. Letztlich war es dann aber doch zu viel gewesen“, merkt Kappler an. Bei Radio Arabella München war Kappler zudem als Redakteur für ein Projekt in der Musikredaktion tätig.
Radio-Erlebnisse
Gefragt nach lustigen Radio-Erlebnissen weist Kappler darauf hin, dass diese situationsbedingt natürlich immer wieder vorgekommen seien: Ein Moderator am Nachmittag bei N1 habe den damals angesagten Hit „I like Chopin“ von Gazebo im Brustton der Überzeugung mit „I like Tschopping“ angesagt.
In einem Gespräch, nachdem eine Frau schilderte, dass ihr der Schwiegersohn in spe ein Autoradio organisiert habe, habe der Moderator wissen wollen, wo „Spe“ eigentlich liege…

„Gerne denke ich an das Nightskaten von N1 auf dem (Nürnberger) Zeppelinfeld mit 40 000 Menschen zurück“, bekommt Kappler immer noch leuchtende Augen beim Erzählen.
Sentimentale Erlebnisse möchte der sensible Moderator am liebsten bei sich behalten und fügt hinzu: „Ein sentimentales Erlebnis war immer, wenn Kollegen zu anderen Sendern gewechselt sind.“
Zukunft des Regionalradios
Wie sieht ein so erfahrener Moderator wie Kappler die Zukunft seines Genres, des Regionalradios? „Radio wird nicht irgendwann sterben. Es ist ein 1:1-Medium. Es ist immer und überall dabei“, ist sich Kappler gewiss.
Er fordert aber ein Umdenken von seiner Zunft: „Technik muss man auch umsetzen, besonders sollte man sie für Vorproduktionen sinnvoll nutzen. Man sollte die Besten (Moderatoren) halten und die technischen Möglichkeiten nutzen. In der Früh zwischen 6 und 8 Uhr sollte man mit den Leuten auch kommunizieren. Nicht irgendein Wort, sondern mit den Hörern in Interaktion treten. Eine Moderation nur alle 30 Minuten brauche ich doch nicht.
Mehr Kommunikation täte dem Radio gut, und mehr Leidenschaft. Erfolg geht nur mit dem An-den-Tag-Legen von Leidenschaft einher“, hebt Kappler hervor.
Umkämpfter Nürnberger Markt
Aktuell sei es so, dass im Raum Nürnberg von den Regionalsendern Radio F mit Oldies und 80ern vorne liege vor Charivari 98.6, Gong 97.1, ENERGY Nürnberg und Hitradio N1.
Die Regionalsender hätten den Nachteil einer vergleichsweise schwächeren technischen Durchdringung auf UKW: „In Erlangen kommt nur 50 % von dem an, was in Nürnberg gesendet wird.“ Schon vom technischen Aspekt her seien in den ländlichen Gegenden im Raum Nürnberg der BR und Antenne Bayern auch von der Nutzung stärker.
Vom Radio zur Pressearbeit

Das Kapitel Radio hat Kappler im Januar 2024 im Wesentlichen hinter sich gelassen. Kappler hat einen neuen Job und erledigt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des CSU-Politikers und Steuerberaters Sebastian Brehm.
„Trotz eines guten Wahlergebnisses (Anm: Bundestagskandidatur in Nürnberg-Nord) kam Brehm wegen des neuen Wahlrechts nicht zum Zug“, bedauert Kappler. Er sei nun angestellt in dessen Steuerberaterkanzlei und betreue dort unter anderem die Website sowie die Vorbereitung und Begleitung von Terminen in der Metropolregion. „Nach wie vor bin ich Journalist.“, beteuert Kappler.
Bamberg, Hobbys, Hör- und Sehgewohnheiten
Nach wie vor fühlt sich Gerald Kappler zu Hause, wenn er in seiner Heimatstadt Bamberg weilt. Die Bierkeller – Gartenwirtschaften zum Brotzeit machen – haben es ihm besonders angetan. „Nicht so gefällt mir, dass ich gerade wieder beim Parken angemotzt wurde. Das machen die Bamberger besonders gerne“, merkt Kappler kritisch an.

Als Hobbys nennt Kappler: (Früher) Basketball spielen, Skifahren und Golf spielen. „Außerdem lege ich gerne und auch heute noch als DJ auf, z.B. auf Hochzeiten und bei Geburtstagen“.
Derzeit höre er viel Webradio, da er in einem Projekt eingebunden sei, und formatiere neue DAB+ Produkte.
Privat höre er querbeet vor allem Bayern 1, Bayern 3, Antenne Bayern, BR24 und die Nürnberger Lokalsender: „Radio hören funktioniert bei mir nicht zur Unterhaltung, sondern ist eine Inspirationsmöglichkeit nach dem Motto: Was machen die anderen?“
Was Fernsehen angehe, sei er ein regelrechter „Talkshow-Junkie“ (Kappler). Übrigens hat Gerald Kappler bei Radio Starlet 1987 die Kollegin Katrin Müller-Hohenstein (KMH), die dort ein Praktikum machte, kennengelernt, die heute das „Aktuelle Sportstudio“ des ZDF moderiert: „Ich wusste sofort, dass KMH Potenzial hat!“. Kappler ist liiert und lebt in Nürnberg.