Wenn das Radio im Auto langsam verschwindet

Der Vormarsch von Leichtfahrzeugen wie dem Citroën Ami oder dem AIXAM Emotion signalisiert eine potenziell folgenschwere Entwicklung für klassische Radiosender, denn viele dieser sogenannten Quadricycles kommen serienmäßig ohne Radioempfänger auf den Markt. Das mag auf den ersten Blick wie ein Detail wirken, doch laut einem Bericht von David O’Neill in der Märzausgabe 2025 des EBU-Magazins Tech-i steht weitaus mehr auf dem Spiel: Nicht weniger als die Hörbarkeit von Radioinhalten im Auto – dem wichtigsten Ort des Radiohörens in Europa.

MY AMI PLAY(Bild: Stellantis)
MY AMI PLAY(Bild: Stellantis)

Urban, elektrisch – und ohne Radio

Quadricycles sind vierrädrige Leichtfahrzeuge, die rechtlich zwischen Motorrad und Auto eingeordnet sind. Sie passen perfekt in das Bild moderner, urbaner Mobilität: elektrisch betrieben, klein, emissionsarm und preiswert – oft unter 10.000 Euro. In Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien gewinnen sie kontinuierlich an Beliebtheit. Und da sie bereits ab 14 Jahren gefahren werden dürfen, erobern sie auch eine junge Zielgruppe.

Citroën Ami (Bild: Stellantis)
Citroën Ami (Bild: Stellantis)

Was ihnen jedoch fehlt, ist oft das, was für viele Jahrzehnte selbstverständlich war: ein eingebautes Radiogerät. In der Analyse von 13 beliebten Modellen verfügten nur vier über ein terrestrisches Radio. Drei boten zumindest eine Radio-App, andere erlaubten Nachrüstung oder einen Bluetooth-Zugang – das jedoch meist nur gegen Aufpreis.

Ein gefährlicher Präzedenzfall

Das Problem: Quadricycles fallen nicht unter die Regelungen des European Electronic Communications Code (EECC), der vorschreibt, dass neue Fahrzeuge in der EU mit DAB+ Empfängern ausgestattet sein müssen. Der Grund dafür ist die Fahrzeugklassifizierung – Quadricycles gehören zur Klasse L, während der EECC nur für Fahrzeuge der Klasse M gilt.

So entsteht ein regulatorisches Schlupfloch, das womöglich Schule macht. Was heute nur bei Nischenfahrzeugen vorkommt, könnte morgen auch bei normalen Pkw Einzug halten – insbesondere, wenn Automobilhersteller darin eine Möglichkeit sehen, Produktionskosten weiter zu senken.

Radios verlieren Sichtbarkeit – und Relevanz?

Noch immer spielt das Radio eine zentrale Rolle im Auto. Laut einer EBU-Studie hören fast 60 % der Europäer regelmäßig Radio während der Fahrt. Für 90 % dieser Hörer ist der einfache Zugang zum Radioprogramm „sehr wichtig“. Die Gefahr liegt also auf der Hand: Mit der Abwesenheit von Radios in neuen Fahrzeugtypen schrumpft nicht nur die Reichweite – es sinkt auch die Sichtbarkeit des Mediums insgesamt.

Auch sicherheitsrelevante Aspekte kommen ins Spiel: Gerade in Krisensituationen oder bei Naturkatastrophen ist der lineare Radioempfang oft die verlässlichste und schnellste Informationsquelle. Wenn aber mehr und mehr Fahrzeuge diese Grundfunktionalität nicht mehr bieten, entstehen gefährliche Informationslücken.

Rundfunk muss reagieren

Es braucht eine koordinierte, europäische Strategie, um Radio als öffentliches Gut im digitalen Autozeitalter zu sichern. Denkbar wären etwa EU-weite Initiativen zur Ausweitung des EECC auf Fahrzeugklasse L, Subventionen für Radionachrüstungen oder auch politische Kampagnen zur Sensibilisierung von Herstellern und Verbrauchern.

Fazit: Frühzeitige Warnung – oder spätes Erwachen?

Der Boom der Quadricycles ist bislang ein Phänomen mit begrenzter Reichweite – doch genau darin liegt die Gefahr. Wer das Thema heute als Randerscheinung abtut, riskiert, dass morgen ganze Fahrzeuggenerationen ohne Radiotechnologie vom Band rollen. Was mit minimalistischen Stadtfahrzeugen beginnt, könnte in wenigen Jahren den Standard neu definieren. Wenn private und öffentlich-rechtliche Radiosender nicht rechtzeitig gegensteuern, droht dem Medium Radio ein schleichender Bedeutungsverlust.

Weiterführende Informationen