
Im Frühjahr 2021 leiteten die Landesanstalt für Medien NRW und die Lokalfunkbeteiligten den Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen ein. Mit einem System- und Überlagerungsvertrag sollten Prozesse vereinfacht und zukunftssicher gestaltet werden. Nach drei Jahren haben im Januar 2025 nun alle 44 Veranstaltergemeinschaften den Überlagerungsvertrag unterschrieben, unter dem Systemvertrag fehlt jedoch noch eine Unterschrift. Die Medienanstalt NRW machte ihre DAB+ Förderung von den Unterschriften abhängig. Während der Medienkommissionssitzung am Freitag (7.3.) wurde die Festlegung neuer Verbreitungsgebiete vor der anstehenden Neulizenzierung der Lokalradios diskutiert.
Bei Hörern erfolgreich, finanziell angeschlagen
Der NRW-Lokalfunk ist bei seinen Hörern weiterhin beliebt, die Stationen steht jedoch vor finanziellen Herausforderungen – einige Stationen sind sogar defizitär. Damit die landesweite Vermarktung funktioniert, ist das Lokalfunksystem auf den Erhalt aller Lokalfunkstationen angewiesen.
Alle Strukturen werden auf den Prüfstand gestellt, es entstehen zunehmend Funkhäuser mit zwei bis fünf Stationen: Radio Gütersloh und Radio WAF zogen in eine gemeinsam „Radio-WG“ in Rheda-Wiedenbrück ein, in Essen wurde das Funkhaus von vier Lokalradios bezogen, und in Münster entsteht gerade ein neues Funkhaus für vier Lokalfunkstationen. Gemeinsame Sendestrecken wurden ausgebaut, neue Kooperationen geschmiedet. Die Lokalfunker stellen sich eigenverantwortlich den Herausforderungen der Zeit.
Fusionsszenarien
Uneinigkeit herrscht darüber, ob die angestoßenen Maßnahmen ausreichen. Weitere Sparvorschläge stehen zur Diskussion: So könnte ein einziger Chefredakteur alle Stationen in einem Funkhaus verantworten, oder eine Veranstaltergemeinschaft könnte die Zulassung für mehrere Lokalradios beantragen.
Solche Modelle sind in NRW nicht neu: 2007 wurde „Antenne Ruhr“ eingestellt, es entstanden zwei neue Radiomarken „Radio Mülheim“ und „Radio Oberhausen“, die von einer gemeinsamen Veranstaltergemeinschaft betrieben werden. Das Lokalfunksystem kann also aus bestehenden Lösungen lernen.
Seit der Novelle des Landesmediengesetzes 2014 erlaubt der Gesetzgeber den Verzicht auf das Zwei-Säulen-Modell mit Veranstaltergemeinschaft als Inhalteanbieter und Betriebsgesellschaft als Finanzier. Dies ist jedoch an eine Bedingung geknüpft: den Verzicht auf die analoge UKW-Ausstrahlung. Noch ist es nicht so weit.
Im vergangenen Jahr beauftragte die Medienanstalt ein medienökonomisches Gutachten bei der Goldmedia Strategy Consulting, um Fusionsszenarien für zwei bis vier Lokalradios aus einer Region zu erarbeiten.
Anhörung des Lokalfunks
Die Veranstaltergemeinschaften und Betriebsgesellschaften haben im Februar im Rahmen einer schriftlichen Anhörung Stellungnahmen bei der Landesanstalt für Medien NRW eingereicht. Dr. Tobias Schmid, Direktor der Medienanstalt, fasst diese in drei Gruppen zusammen:
- Technische und strukturelle Bedenken: Veranstaltergemeinschaften kritisieren das Goldmedia-Gutachten, insbesondere falsche Annahmen über kulturelle oder infrastrukturelle Gegebenheiten.
- Grundsätzliche Haltung zur Vielfalt: Einige Stimmen lehnen Fusionen grundsätzlich ab, da sie eine Bedrohung für die lokale Berichterstattung sehen.
- Kritik an der Langsamkeit des Prozesses: Andere Vertreter fordern ein schnelleres und entschlosseneres Vorgehen bei der Umsetzung der Reformen.
Dank der guten Verbandsarbeit wurden viele Antworten aus vorgefertigten Textbausteinen erstellt, was ihre Einordnung in Cluster erleichterte. Einige Stellungnahmen waren inhaltlich nicht einmal an die Medienanstalt adressiert, sondern an „den jeweils anderen Teil des Systems“, fällt Schmid auf.
Um den Dialog zu verbessern, plant die Medienkommission eine Anhörung mit organisierten und verbandslosen Beteiligten des Lokalfunks. Schmid möchte Akteure an einen Tisch bringen, die unterschiedliche Wahrnehmung über die Situation ihres Senders haben.
„Wir haben sehr viel Geld und sehr viel Personal aufgewandt, um Ratschläge zu geben.“ (Dr. Tobias Schmid, Direktor der Medienanstalt NRW)
Erst danach wird die Kommission konkrete Vorschläge zu den potenziellen Verbreitungsgebieten erarbeiten. Mehrere Kommissionsmitglieder kritisieren, dass ihnen die Stellungnahmen bisher nicht vorgelegt wurden. Nach der Anhörung sollen alle Entscheidungsträger Zugang erhalten.
Neue Tonlage, anderer Klang
Noch in der Dezembersitzung favorisierte Schmid die Lösung aus dem Goldmedia-Gutachten, die dem Lokalfunk die höchste Überlebenschance sichert, aber auch große Veränderungen abverlangt. „Die Fusionen sollen nur im Notfall erfolgen“, betont Werner Schwaderlapp, Vorsitzender der Medienkommission.
Die Medienanstalt muss vor Neuzulassung der NRW-Lokalradios wissen, welche Fusionen sinnvoll sind. In aller Regel ist es keine Andersgestaltung, sondern eine Zusammenlegung der Verbreitungsgebiete, antwortet Schmid.
Häufige Frage zum Verfahrensablauf
Mit jeder Antwort entstehen neue Fragen. Schmid erläutert in der Sitzung, dass die Zulassungen der jeweiligen Veranstaltergemeinschaft auslaufen und dann ein neues Gebiet ausgeschrieben wird. Diese Ausschreibung erfolgt durch die Medienkommission, darauf bewirbt sich eine BG und eine VG. Einen Prozess des „Zusammengehen“ gibt es nicht. Lizenzen werden „synchronisiert“, was nichts anderes bedeutet, dass aktuelle Zulassungsverlängerungen für zwei und nicht zehn Jahre erfolgen.
Blick ins Gesetz
Die Ausschreibung eines neuen Verbreitungsgebietes kann erst 18 Monate vor dem Ende einer existierenden Zulassung erfolgen, schreibt das Landesmediengesetz vor. Nach der Ausschreibung durch die Medienkommission müssen erst Kreistage und Stadträte tätig werden und Gründungsmitglieder einer neuen Veranstaltergemeinschaft bestimmen. Die Mitglieder müssen Menschen aus allen Kreisen und kreisfreien Städten im neuen Verbreitungsgebiet repräsentieren. Die Verleger müssen eine neue Betriebsgesellschaft gründen. Kommunale Träger haben bis zur Zulassung der Veranstaltergemeinschaft das Recht, eine Beteiligung an der Betriebsgesellschaft mit insgesamt bis zu 25 vom Hundert der Kapital- und Stimmrechtsanteile zu verlangen.
Eine Bestandsgarantie gibt es nicht. Mit dem Ende einer Lizenz endet eine Lizenz. Welche Verbreitungsgebiete es gibt oder nicht gibt, liegt in der Entscheidungshoheit der LfM NRW und zwar nicht der Verwaltung, sondern der Medienkommission, erläutert Schmid. Voraussetzung dafür sind u.a. die drei Bedienungen: lokale Vielfalt, journalistische Struktur, sowie wirtschaftliche Tragfähigkeit.
Verantwortung beim Lokalfunk
Schmid sieht die Verantwortung für den erfolgreichen Lokalfunk bei den Veranstaltergemeinschaften und Betriebsgesellschaften: „Das Einzige, was sie hinbekommen müssen, ist ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept.“ „Sie können auch jemanden finden, der ihnen das Geld schenkt, ist mir auch recht.“

Schmid verwehrt sich gegen Beschuldigungen und die Täter-Opfer-Umkehr, die LfM NRW ist nicht der Verursacher, „die Medienanstalt hat die undankbare Aufgabe zu retten, was noch zu retten ist. Das was wir hier machen, ist sozusagen der Notarzteinsatz.“ Die Betriebsgesellschaften stellen die wirtschaftliche Situation schlimmer dar, als im Goldmedia-Gutachten prognostiziert wurde. Auch Schwaderlapp wird außergewöhnlich deutlich – gerichtet an die 25 zusätzlichen Gäste, die die Videokonferenz verlassen, nach dem das Thema Lokalfunk beendet war: „Das schönste ist, wenn 44 Verbreitungsgebiete wirtschaftlich tragfähig bleiben.“ Die Medienanstalt muss auf den Fall vorbereitet sein, dass ein Verbreitungsgebiet entfällt, das ist einmal eingetreten, gibt er zu bedenken: „Eine bessere Lösung für diesen Fall, als Fusion von Verbreitungsgebieten, ist bisher niemandem eingefallen.“
DAB+ Verständigungsverfahren
Beim DAB+ Verständigungsverfahren gibt es wenig Neues. Die Regionen weisen große topografische Unterschiede auf, und in zwei Regionen sind mehr Sendeanlagen erforderlich als ursprünglich prognostiziert. Die Kosten wurden unterschätzt, und die Förderung fällt geringer aus als benötigt. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Am Ende muss der Markt entscheiden, denn die Medienanstalt kann diese Förderung nicht dauerhaft übernehmen. Der Plattformbetreiber prüft, welche Sendeanlagen technisch notwendig und wirtschaftlich tragfähig sind.