Berlin könnte bald ein neues Radioprogramm bekommen: „91.0 Super B“. Johannes Boos, ein erfahrener Radiomacher aus München, bewirbt sich als einzige Privatperson um eine der 5 ausgeschriebenen UKW-Frequenzen, für die es insgesamt 13 Bewerber gibt. Mit einem urbanen Musikmix und einem Fokus auf Kunst und Kultur will er eine Lücke im Berliner Radiomarkt füllen.
Im Interview mit RADIOSZENE spricht Boos über seine Pläne, die Herausforderungen der Finanzierung und seine Vision für ein einzigartiges Format in der Hauptstadt.
RADIOSZENE: Herr Boos, Sie sind schon seit 30 Jahren im Radio Business als Nachrichtenredakteur und Moderator vor allem im Münchner Radiomarkt bekannt und haben sich nun für eine UKW-Frequenz in Berlin beworben. Was hat sie dazu bewogen?
Johannes Boos: Berlin ist neben München der spannendste Radiomarkt in Deutschland. Ich war in den vergangenen Jahren im Radio als Moderator, in der Programmgestaltung, im Marketing, im Verkauf tätig – nur diese Tätigkeiten zu kombinieren und selbst einen Sender zu starten, das habe ich bislang einfach noch nicht probiert. Ich hatte schon längere Zeit ein Konzept im Hinterkopf und nun spontan entschieden, mich mit meiner Idee an der Ausschreibung zu beteiligen.

Ich sehe in Berlin eine Lücke für ein Programm mit einem urbanen Musikmix aus Chill-Out, Disco, Funk, (Nu-)Jazz, (Nu-)Soul, R’n’B, Singer-Songwriter sowie anspruchsvoller Popmusik. Wenn man so will: Das erste wirklich großstädtische Premium-Musikformat. Ein urbanes Programm, wie es am ehesten in Berlin funktionieren kann.
Die Musik konzentriert sich nicht auf eine bestimmte Sparte wie Jazz oder Rock, sondern ist einerseits vielfältig genug, um eine breite Zielgruppe anzusprechen, andererseits aber eben ein komplementäres Angebot zum Berliner Radiomarkt, das mit bestehenden kommerziellen Angeboten nicht direkt im Wettbewerb steht. Die überwiegende Mehrzahl der Songs läuft auf keiner der fünf reichweitenstärksten, werbefinanzierten kommerziellen Radiostationen in Berlin.
RADIOSZENE: Der Arbeitstitel Ihres Radioprojekts ist „91.0 Super B“. Ist das ein Wortspiel zwischen „superb“ und Super Berlin? Was verbirgt sich inhaltlich hinter diesem Programmnamen?
Johannes Boos: Richtig, der Name ist ein Wortspiel: Einerseits eine Referenz an ein „über Berlin“ berichtendes Angebot – „super“ ist ja das lateinische Wort für „über“ –, andererseits ein Hinweis auf ein „superbes“ Hörfunkprogramm, also „superb“ als Synonym für großartig oder hervorragend. Nicht zuletzt ist „Super B“ auch ein Hinweis auf die Stadt Berlin, die ich natürlich selbst auch super finde.
Inhaltlich soll der Fokus auf dem beschriebenen Premium-Musikmix liegen, redaktionell auf Kunst und Kultur in Berlin. Um nur ein Beispiel zu nennen: Es gibt in dieser Stadt ganz fantastische Projekträume für Kunst und Kultur oder kommunale Galerien, die wirklich tolle Angebote haben, aber medial kaum Beachtung finden – obwohl diese Einrichtungen meist überhaupt nicht „verkopft“ oder irgendwie exklusiv wären.
„91.0 Super B“ will daher nicht nur musikalisch großstädtisch und vielfältig sein, sondern auch die Vielfalt von Kunst und Kultur in Berlin abbilden – gewissermaßen ein Radio aus der Szene für die Szene und alle, die sich für die Stadt und das gesamte Spektrum von Kunst und Kultur interessieren. In Zeiten drastischer Kürzungen öffentlicher Gelder für den Kulturbereich schafft „91.0 Super B“ wichtige Sichtbarkeit für die Kunst- und Kulturszene der Stadt und erfüllt damit schon fast einen öffentlich-rechtlichen Auftrag.
Super B liefert Inspiration und Motivation, diese bisher unentdeckten Seiten von Berlin zu entdecken. Am Tag außerhalb der Prime- und Drivetime eher als kurze, kompakte Veranstaltungstipps, morgens und zum Feierabend auch – wohl dosiert – auf etwas längeren Beitrags- oder Interviewplätzen. Klar ist aber auch: Der Anspruch ist auch in der Nische ein professionelles Formatradio, das morgens und zum Feierabend etwas mehr Wort erlaubt und sonst mit seinem Musikmix eher positiv inspirierender Tagesbegleiter ist.
RADIOSZENE: Wie sind die technischen Details der Frequenz 91,0 MHz?
Johannes Boos: Die Frequenz 91,0 MHz ist mit 400 Watt bei weitem nicht die stärkste Frequenz in Berlin, erreicht aber vom Standort in der Winterfeldtstraße in Schöneberg weite Teile innerhalb des S-Bahn-Rings, vor allem stationär – insgesamt fast drei Millionen Einwohner.
Im Rahmen der aktuellen Ausschreibung waren ja mehrere Frequenzen im Angebot: Einige sind fast eher Kiezfunk oder zielen auf Potsdam. Die reichweitenstärkere Frequenz 106,8 MHz ist zwar nicht unattraktiv, aber aus meiner Sicht für ein Jazzprogramm gesetzt – das ist auch eine Nische, die als Lokalprogramm in Deutschland vermutlich nur in Berlin funktionieren kann.

RADIOSZENE: Sie sind die einzige Privatperson unter den Bewerbern, wie aufwändig ist solch eine Bewerbung? Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, sich beim Auswahlverfahren gegenüber ihren Mitbewerbern durchzusetzen?
Johannes Boos: Offen gesagt: Ich kann meine Chancen sehr schwer einschätzen. Das Feld der Mitbewerber ist extrem stark – da stecken fast überall wesentlich finanzstärkere Akteure dahinter. Die Tatsache, dass Frequenzen nichtkommerzieller Anbieter nun für kommerzielle Programme geöffnet werden, ist grundsätzlich eine Chance, in einem begrenzten Markt neue Formate an den Start zu bringen, die frische und neue Impulse im Radiomarkt setzen, ein komplementäres Angebot zu den bestehenden Sendern gestalten und dadurch die Vielfalt in Berlin und im Land Brandenburg besonders bereichern.
Insbesondere besteht die Chance, bisherige Nicht-Hörer oder Bürger, die sich in den vergangenen Jahren vom Medium Hörfunk abgewandt haben, durch innovative Formate für den Radiomarkt zurückgewinnen. Die Auswahlentscheidung bietet daher die Chance, die Attraktivität der Gattung Hörfunk durch eine größere Vielfalt insgesamt zu steigern. Dieses Ziel liegt ja im Interesse aller kommerziellen Programmveranstalter in Berlin und im Land Brandenburg.
RADIOSZENE: Viele Radioprojekte scheitern an einer langfristig gesicherten Finanzierung. Haben Sie eine Strategie, das die Kosten gering hält z.B. durch weitgehende Automatisierung oder den Einsatz von KI?
Johannes Boos: Für das Finanzierungskonzept habe ich natürlich mit spitzem Bleistift gerechnet. Der Sender ist deshalb auf der technischen Seite komplett low-budget gedacht, zum Beispiel eben mit vollständiger Automation auf Basis eines Programms aus der Szene der Campusradios oder mit Sendezuführung per Webstream. Auf der Hardware-Seite gibt es mittlerweile Ausrüstung, die eigentlich eher im Podcasting zum Einsatz kommt, aber für die Vorproduktion von Sendungen eben auch komplett ausreichend ist. Und: „91.0 Super B“ verzichtet zum Beispiel komplett auf Wetter oder Verkehrsservice – das checken viele Berliner auf dem Smartphone oder im Navi. Hinzu kommt: Für Autofahrer innerhalb Berlins ist die 91.0 Mhz eh kein irrsinniges Vergnügen. Der Verzicht auf diese aktuell zu produzierenden Elemente entlastet das Budget natürlich enorm.
Alles, was redaktionell bei „91.0 Super B“ läuft, muss einen echten Mehrwert für Berlin liefern und darf nicht bereits auf zig anderen Sender laufen.
Grundsätzlich gilt: Alles, was redaktionell bei „91.0 Super B“ läuft, muss einen echten Mehrwert für Berlin liefern und darf nicht bereits auf zig anderen Sender laufen. So möchte ich beispielsweise von einem externen Dienstleister Nachrichten auf Englisch liefern lassen. Denn es gibt zwar eine große internationale Community in Berlin. Aber kein musikorientiertes Programm sendet Nachrichten auf Englisch. Da sehe ich eine Lücke.
Sicherlich ist die Lage auf dem Berliner Werbemarkt ist in den vergangenen Jahren nicht leichter geworden – es gibt aber erste Signale, dass das Premium-Musikformat und der Fokus auf event- und kulturaffinen Hörern für die werbetreibende Wirtschaft in Berlin interessant ist. Mit Sicherheit wird anfangs aber eher ein besonders urbanes, kosmopolitisches Lebensgefühl verkauft und weniger „harte Währung“ im Sinne von klassischen Hörerzahlen. Deshalb möchte ich die Marke auch konsequent im Netz weiterdenken – sich hier eine Zielgruppe zu erschließen ist mindestens genauso wichtig wie der Aufbau einer treuen Hörerschaft.
RADIOSZENE: Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach eine UKW-Frequenz, würde eine Verbreitung über DAB+ nicht ausreichen?
Johannes Boos: Die Ausschreibung, an welcher ich mich beteiligt habe, bezieht sich ausschließlich auf UKW-Kapazitäten. Die MABB hat jedoch signalisiert, dass die neuen Lizenzinhaber der fünf ausgeschriebenen Frequenzen mittelfristig auch auf DAB+ senden sollen. Das ist in Sachen Reichweite natürlich sehr interessant, da der geografische Zuschnitt im Digitalen über das UKW-Sendegebiet hinausreicht. Am Ende ist der Simulcast aber natürlich eine Kostenfrage. In der Tat wäre eine reine DAB+ Ausstrahlung sicherlich auch eine Option. Im Augenblick können sich UKW, DAB+ und die Ausstrahlung über Apps und Webstream aber noch sinnvoll ergänzen.
RADIOSZENE: Gibt es schon einen ersten Logo-Entwurf für Super B? Auf welche Marketingmaßnahmen würden Sie in Berlin setzen, oder ist das etwas zu früh gefragt?
Johannes Boos: Für ein Logo ist es tatsächlich noch etwas früh. Wie gesagt: Es wird sehr low-budget geplant – alles, was nicht unbedingt für die Ausschreibung nötig war, habe ich für den Moment nach hinten gestellt. In Sachen Marketing werden sicherlich Kooperationen mit Kulturveranstaltern und deren Publikum eine große Rolle spielen. Aber das wird genauer zu einem späteren Moment fixiert. Frühester Sendestart ist ja erst im Januar 2026.
RADIOSZENE: Vielen Dank für das Gespräch.