Große Umfrage zu aktuellen Musiktrends im Radio (Teil 3)
Unverändert weisen zahlreiche Untersuchungen Radio als wichtigen Kompass und Orientierungshilfe für den Musikkonsum der Menschen aus. Wie aber entwickelt sich die Musik im Radio? RADIOSZENE stellte hierzu am Jahresbeginn 2025 den Musikverantwortlichen deutscher Hörfunkstationen folgende Fragen:
- Welches waren in 2024 die angesagten Musiktrends im Radio in Ihrem Sendegebiet? Welche Genres haben an Bedeutung verloren?
- Werden sich diese Richtungen fortsetzen oder sind bereits neue Trends in Sicht?
- Welche Künstler*innen haben Sie zuletzt am nachhaltigsten beeindruckt?
- Welche Wünsche und Vorschläge haben Sie in Richtung der Musikwirtschaft?
Die Antworten der Entscheider aus den Musikredaktionen lieferten eine Vielzahl interessanter Hinweise auf die aktuellen und kommenden Musikströmungen. Wegen der hohen Beteiligung veröffentlichen wir die Antworten in vier Etappen, hier folgt Teil 3:
Celine Bier, RADIO SALÜ, Musikredaktion
1) Im vergangenen Jahr haben sich in unserem Sendegebiet einige verschiedene Musiktrends hervorgetan. Die Country-Musik hat beispielsweise endlich den Vormarsch ins Mainstream-Radio geschafft. Das haben wir auch bereits etablierten Künstler*innen wie Beyoncé mit ihrem Album „Cowboy Carter“ und dem Hit, der letztes Jahr kaum aus unserem Programm wegzudenken war „Texas Hold’Em“ oder Post Malone mit seinem Country-Album „F-1 Trillion“, zu verdanken. Das hat aber wiederum bisher eher unbekannteren Künstler*innen wie Dasha und Shaboozey zum Durchbruch und zum ersten großen Radiohit verholfen.
„Für mich war 2024 das Jahr, in dem sich eine neue Generation weiblicher Popstars hervorgetan hat“
Darüber hinaus hat sich bei uns vor allem auch durch das Comeback von Linkin Park gezeigt, welchen großen Stellenwert auch „härtere“ (zumindest für uns als AC Sender härtere) Rockmusik bei unseren Hörer*innen hat und wie gut sie ankommt.
Außerdem wurde uns immer mehr bewusst, welch eine große Rolle die sozialen Medien, insbesondere TikTok und Instagram, in der Musikindustrie spielen. Viele Songs, die dort viral gegangen sind, haben einige Zeit später den Weg in unsere Playlist gefunden und sich dort großer Beliebtheit erfreut.
Ein Trend, der schon in den letzten Jahren erkennbar war, sich aber letztes Jahr nochmal gefestigt hat, sind Interpolationen und Samples. Das Motto „Aus Alt mach Neu“ scheint sich in der Musikindustrie zu verankern, was Künstler*innen wie Cyril oder David Guetta eindrucksvoll beweisen.
2) Der immer größer werdende Einfluss von Samples und Interpolationen in der Musikwelt zeigt eigentlich, dass die meisten Trends sich auch über mehrere Jahre hinweg halten. Deshalb glaube ich, dass auch Country-Musik und vom Country-Genre inspirierte Musik sich in den nächsten Jahren weiter in den Airplay Charts halten wird. Die Bedeutung der sozialen Medien bei der Vermarktung neuer Musik und sich daraus ergebende Trends werden vermutlich auch zunehmen. Ich denke auch, dass Rockmusik bei den RADIO SALÜ-Hörer*innen weiterhin sehr beliebt bleiben wird.
3) Für mich war 2024 das Jahr, in dem sich eine neue Generation weiblicher Popstars hervorgetan hat. Künstlerinnen wie Chappell Roan, Sabrina Carpenter oder Charli XCX, die eigentlich schon länger mehr Aufmerksamkeit verdienen, bisher aber leider viel zu oft übersehen oder nicht angemessen gewürdigt wurden, konnten endlich die Früchte ihrer harten Arbeit ernten und die Massen für sich begeistern. Aber auch die Größen des Pop wie Taylor Swift und Billie Eilish haben mit ihren neuen Alben und ihren jeweiligen Tourneen unter Beweis gestellt, warum sie eben ganz zu Recht dort sind, wo sie sind.
Außerdem konnten mich auch Künstlerinnen wie Lola Young und Gracie Abrams begeistern – was zugegebenermaßen ihren viralen Hits geschuldet ist. Besonders spannend wird es hier wohl zu beobachten, ob sie sich auch in Zukunft im Mainstream-Pop beweisen können.
4) An vielen Stellen passiert das ja schon, aber dennoch wünsche ich mir weiterhin bessere und nachhaltigere Unterstützung für Newcomer*innen. Auch auf organische Art und Weise, wenn es mit dem großen viralen Hit erstmal nichts wird. Gerade von uns Radiomacher*innen wünsche ich mir, dass wir aufhören, in Grenzen und Schubladen zu denken und unsere Hörer*innen auch einfach mal aktiv an neue vielleicht auch unkonventionellere Künstler*innen und Genres heranführen.
Unter anderem auch im Hinblick auf Festivals und ihr Booking wünsche ich mir weiterhin mehr Sichtbarkeit von FLINTA*- Künstler*innen, auch wenn sich da an einigen Stellen schon etwas tut. Im Hinblick auf die Geschehnisse der vergangenen Jahre wünsche ich mir außerdem eine konsequentere Aufarbeitung von Fällen von Machtmissbrauch in der Musikindustrie.
„Mehr Umstand als Trend sind die vielen Songs, welche durch Social-Media beziehungsweise TikTok ihren Platz im Streaming und auch auf unseren Listen gefunden haben“
Alexander Koubik, DASDING, Teamleiter Musikredaktion
1) 2024 hat Afro-House nach dem Erfolg von Adam Port, Stryv, Orso & Malachiii mit „Move“ nochmal einen ordentlichen Hype erfahren. Einige Größen aus dem EDM-Bereich haben den Sound ebenfalls für sich entdeckt und sind bei DASDING auf der Rotation gelandet. Abseits davon wurden im EDM-Kosmos die BPM nochmal ein kleines Stück weiter nach oben geschraubt. Zudem hat der Country-Vibe durch Beyoncé, Shaboozy & Dasha nicht nur im AC, sondern auch bei einer jungen Zielgruppe Anklang gefunden.
Mit Alben von Sabrina Carpenter, Taylor Swift, Charli xcx, Gracie Abrams, Billie Eilish, Beyoncé Chappell Roan und vielen mehr ist 2024 ein wirklich starkes Release-Jahr für Female Pop gewesen und sehr präsent im Programm vertreten.
Auch erwähnenswert: Von Apache & Ayliva bis Zartmann sind viele bei uns etablierte, aber auch frische Newcomer*innen, welche deutschsprachige Musik releasen, fester Bestandteil unserer Playlisten geworden. Das ist natürlich top.
Mehr Umstand als Trend sind zudem die vielen Songs, welche durch Social-Media bzw. TikTok ihren Platz im Streaming und auch auf unseren Listen gefunden haben. Manchmal im Original, als Sped Up oder auch gerne von etablierten Producern und Artists früh abgegriffen und Mainstream-tauglich neu.
2) Für uns als Junger Sender bleibt die Beobachtung von Songs, die durch Social-Media und im Domino-Effekt durch Streaming groß werden, weiterhin ein spannendes Feld, welches sicher auch 2025 einige Überraschungen mit sich bringen wird. Egal ob der Song schon lange erschienen ist oder gerade erst released wurde. Neben nur für Social-Media geeignete Snippets und einigen internen Kopfschüttlern bringt dies aber auch viele Perlen ans Licht, die es so sonst nicht ins Radio geschafft hätten oder die „wiederbelebt“ bzw. von der Gen Z nochmal neu entdeckt werden. Schauen wir mal, was wird.
3) Rin und Schmyt durch ihre “No Phones Allowed Tour“. Schönes Erlebnis mal wieder ohne Handybildschirm in der Fresse bei einem Konzert zu sein. Royal Otis, weil einfach gut. Charli xcx mit “Brat“ und der daraus generierte Vibe. Levin Liam im Sonnenuntergang bei unserem DASDING Festival. Jassin mit seiner Debut EP “Kinder können fies sein“. Linkin Park, die mit eigentlich nicht im Trend liegenden Nu-Metal/Alternative Rock aka gelernten Linkin Park Sound ihr Comeback zelebrieren und mit neuer Sängerin nahtlos an frühere Erfolge anknüpfen. Rihanna, die einfach durchzieht und auch 2024 kein Album released. 2025?
„Wenn etwas 2025 klar ist, dann, dass es viele Trends simultan gibt“
Frank Menzel, RBB RADIOEINS, Leitung Musik- und Eventredaktion
1) radioeins lässt sich in seiner Musikfarbe in erster Linie nicht von Trends leiten, von Offiziellen Charts haben wir uns noch nie beeinflussen lassen. Unser Kompass ist dieser ganz spezielle radioeins-Sound jenseits des Mainstreams – egal ob Alternativ-Rock, Indie- oder Elektropop. Natürlich sind aktuelle Trends aber auch für uns relevant. Schaut man auf unsere Playlists des vergangenen Jahres, fällt auf, dass viele starke junge weibliche Stimmen vertreten sind. Das betrifft sowohl nationale Musikerinnen als auch internationale. Außerdem macht sich aktuell bemerkbar, wie viele spannende lokale KünstlerInnen aus Berlin und Brandenburg kommen. Die Musikerin Fuffifufzich zum Beispiel oder der Rapper Apsilon. Beide punkten überzeugend in ihrer Musik mit einem eigenen Sound und schlagfertigen Texten.
2) Wenn etwas 2025 klar ist, dann, dass es viele Trends simultan gibt. Indiepop neben Deutschrap und Reggaeton neben Hip-Hop und zeitgenössischem R’n’B. Mehr als durch das Radio werden die Jugendkulturen von Streaming-Plattformen sowie von sozialen Medien geprägt. Viele Trends haben derzeit ihren Ursprung bei Tik Tok und Co. Spannend bleibt für die Region Berlin-Brandenburg mit dem Blick auf Trends, dass Berlin weiterhin als musikalische Hauptstadt Europas gilt. Das liegt vor allem an der hiesigen äußerst diversen popkulturellen Szene. Paradoxerweise bilden viele Radiostationen in unserem Sendegebiet diese Vielfalt nicht ab, sondern verlassen sich wenig mutig auf enge Rotationen mainstreamiger Hits. Da Berlin zum meist umkämpften Radiomarkt Europas zählt, hat radioeins dahingehend eine eigene Strategie gefunden und verschafft mit Leidenschaft der Subkultur Gehör. Für spezielle Geschmäcker und experimentelle Sounds gibt es am Abend ab 21 Uhr bei radioeins Musikspecials. In diesen Sendungen findet jedes musikalische Herz sein Zuhause – zum Beispiel Folk, Soul und Country in “HappySad” oder Neoklassik in “Schöne Töne”. Darüber hinaus sendet MTV-Legende Ray Cokes in seiner wöchentlichen Show Innovatives von gestern und heute. Um auf die Frage zurückzukommen: radioeins macht es sich zur Aufgabe, seit vielen Jahren möglichst viele Trends und Neuentwicklungen in den verschiedensten Genres abzubilden.
3) Besonders beeindruckt haben mich Newcomer wie die britische Sängerin Lola Young, die irische Rockband Fontaines D.C. und die türkische Psychedelic-Folkrock-Band Altin Gün mit Wohnsitz in Amsterdam. Dazu die gerade mal 25-jährige französische Sängerin Zaho de Sagazan, die einen mit ihrem Debütalbum “La Symphonie des Éclairs” wirklich vom Hocker reißt. National berührten mich BERQ, Bulgarian Cartrader und Apsilon. Beeindruckend wie man derart jung so tiefgründige und gewaltige Musik machen kann. Bei den etablierten MusikerInnen kann ich berichten, dass die radioeins-HörerInnen in den Charts der 100 besten Songs des Jahres 2024 „Wild God“ von Nick Cave & The Bad Seeds auf Platz eins wählten. Eine Wertschätzung für einen gestandenen Künstler. Apropos große Stars: Auch The Cure, Die Fantastischen Vier und Billie Eilish gehörten zu den zehn Favoriten der Hörer-Charts.
4)
- Fairere Vergütung: Streaming-Dienste sollten die Vergütungsstrukturen überdenken, um KünstlerInnen, insbesondere Independent-MusikerInnen, gerecht zu entlohnen.
- Förderung lokaler Talente: Musiklabels und Medien sollten stärker in regionale KünstlerInnen und Szenen investieren, um kulturelle Vielfalt zu erhalten. Vorbild ist hier Skandinavien.
- Risikobereitschaft: Labels und Streaming-Plattformen könnten experimentelle Musik und genreübergreifende Werke stärker fördern, anstatt ausschließlich auf algorithmus-freundliche Hits zu setzen.
- Lokale Radiosender stärken: Radiosender könnten einen stärkeren Fokus auf ihre jeweilige Region legen und lokale KünstlerInnen damit stärker einbinden.
- KI sinnvoll nutzen: Sehe ich in der Popmusik eher als Gefahr. Künstliche Intelligenz sollte eher kreative Prozesse ergänzen, die menschliche Kreativität nicht verdrängen. Der Fokus sollte auf Unterstützung statt Ersetzung liegen.
„Traut euch, länger zu werden – gute Musik bleibt auch über 2:30 spannend!“
Steve Cremer, THE RADIO GROUP, Head Of Music
1) Wie auch im Vorjahr waren Samples aus den 80ern und 90ern im Rhythmic Pop sehr angesagt. Was mich freut, ist die Tatsache, dass Musik „Made in Germany“ von Musiker:innen wie zum Beispiel Loi, Leony, Michael Schulte, Malik Harris, Kamrad, Fast Boy, Alle Farben etc. ihren Platz im Radio gefunden haben.
2) Pop goes Country“ könnte das Motto für 2025 sein. Lil Nas X gelang mit „Old Town Road“ 2019 ein Coup im Mainstream-Radio. Er hat den Trend, beziehungsweise die Tür für den Countrysound mit aufgestoßen. Spätestens seit „Texas Hold ’Em“ von Beyoncé ist klar, dass Country im Mainstream ein Thema ist, beziehungsweise sein wird. Es folgten zum Beispiel Dasha, Shaboozey etc. – sie alle liefern Ohrwürmer perfekt für einen Line Dance Abend und für ein gutes Gefühl.
3) Wow, wo soll ich da anfangen bzw. aufhören? Mir kamen sofort Musiker wie Victor Ray und Myles Smith in den Kopf, beziehungsweise ins Ohr und Herz, denn da gehört Musik ja hin. Gerade bei Victor Ray ist es schön die Reise vom Busking zur eigenen Tour zu verfolgen. Seine Musik ist besonders. (Noch) etwas abseits vom Mainstream beeindruckt und berührt mich aber die Musik von Amistat, Zwillingsbrüder aus Rosenheim – Folkpop at it’s best. Seit vielen Jahren begleitet mich ihre Musik und ich bin mir sicher, dass ihre Musik bald den Weg ins Radio finden wird.“
4) Traut euch, länger zu werden – gute Musik bleibt auch über 2:30 spannend!
„Eine bloße Zugehörigkeit zu einem Genre ist kein Erfolgsgarant“
Dominika Palka, 89.0 RTL, Verantwortliche Musikredakteurin
1) Bei 89.0 RTL waren rhythmische Uptempo-Songs immer noch am beliebtesten. Neben den gewohnten EDM-Hits von Kygo und David Guetta kamen vor allem entspanntere Tracks wie „I Adore You“ von Hugel oder „I Like The Way You Kiss Me“ von Artemas richtig gut an. Die größte Überraschung für einen Jugendsender wie 89.0 RTL waren die Country anmutenden Hits von Dasha und Shaboozey, die jetzt auch in Deutschland vom jungen Publikum gefeiert werden. Begeistert haben aber auch die klassischen Pophits von Dua Lipa oder der Newcomerin Sabrina Carpenter.
2) Eine bloße Zugehörigkeit zu einem Genre ist kein Erfolgsgarant. Ein Hit ist ein Hit, ob wir ihn mit einem starken Popsong organisch im Radio entwickeln oder er durch einen viralen Trend ins Programm findet. Durchsetzen können sich nur die Songs, die den Hörenden im Ohr bleiben und viel Leidenschaft erzeugen.
3) Ich bin beeindruckt, wie sich Dua Lipa über die Jahre im Musikradio etabliert hat. Sie trifft kluge Entscheidungen hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Produzenten, bleibt innovativ und behält dennoch einen unverwechselbaren Stil. Ihre Musik ist trotzdem ein typisches Popprodukt, das die Massen anspricht und im Gedächtnis bleibt.
4) Ich wünsche mir, dass die Musikindustrie die unersetzliche Rolle des Radios als Begleitmedium nicht aus den Augen verliert. Entgegen den Prognosen ist die Existenz des Radios nicht bedroht und das Hörverhalten unterscheidet sich stark von dem bei Streamingdiensten. Wir stehen für ein kuratiertes und vertrautes Programm, das sofort abrufbar ist und einen ausgewogenen, wiedererkennbaren Hitmix liefert. Daher sollten Labels ihre Signings und Produktkampagnen nicht ausschließlich auf das Streaming ausrichten und die starke Rolle des Radios berücksichtigen.
„Die österreichische Musiklandschaft hat sich auch 2024 gut weiterentwickelt“
Gregor Sommer, ANTENNE STEIERMARK und ANTENNE KÄRNTEN, Leitung Musikredaktion
1) Im Trend war und ist eindeutig Folk-Pop sowie auch die vor einigen Jahren aufgepoppte Welle an Coverversionen von Hits aus vergangenen Zeiten, der „klassische“ Dancepop hingegen hinkt aktuell etwas hinterher. Nach wie vor im Trend in Österreich sind heimische Größen, die uns in regelmäßigen Abständen mit Hits versorgen, sowie auch der ein oder andere „untypische“ Poptitel, wie etwa „Verwandtschaftstreffen“ von RIAN. Die österreichische Musiklandschaft hat sich auch 2024 gut weiterentwickelt.
2) Der Peak an Folk-lastigem Pop wird bald erreicht sein – ganz im Gegensatz zu neuen Coverversionen von Hits aus den letzten Jahrzehnten. Hier ist noch viel Material mit revitalisierbarem Hitpotential vorhanden und dieses wird auch noch weiter ab- und ausgeschöpft werden – und: Es wird wieder und wieder funktionieren.
3) Immer wieder aufs Neue beeindrucken uns neue Hits von Coldplay – Kaum ein Titel aus ihrer Schmiede, der nicht Hitpotential hat, wie auch zuletzt mit „We Pray“. Das Marketingwunder Taylor Swift ist gleich weit vorne mit dabei, wie Billie Eilish oder auch Sabrina Carpenter. Nicht zu vergessen sind Linkin Park: Guter, nicht ganz neuer Gesamtklang durch die Stimme von Emily Armstrong.
Auch unsere österreichischen Songwriter und Interpreten, die immer wieder Hymnen liefern, welche im Ohr bleiben und somit zukünftiges Austropop-Kultpotential haben, haben uns 2024 beeindruckt.
4) Noch mehr Vielfalt. Von uns Musikprogrammierern wird erwartet, maximale Vielfalt mit neuer Musik zu erreichen – dazu braucht es auch entsprechendes, gut spielbares Hit-Material.
Und ganz speziell in Österreich: Mehr Förderung für unsere heimischen Musikschaffenden – sie werden gerne gehört und von uns gerne gespielt.
„Ich glaube, es wäre wichtig, KI-Musik und Fake-Profile von Streaming-Diensten zu verbannen. Je mehr KI-Gedudel in Playlisten landet, desto weniger werden echte Künstlerinnen und Künstler bezahlt“
Christoph Lindemann, PULS RADIO, Musikchef
1) Eine wichtige Rolle im Programm von PULS Radio haben deutsche Produktionen gespielt. Erfreulich ist dabei, dass die Musikszene in Bayern und Deutschland so vielfältig geworden ist, dass die relevanten Songs eine unglaubliche musikalische Bandbreite abdecken. Vor ein paar Jahren noch haben viele Sachen im Bereich Deutschpop und -rap sehr ähnlich geklungen. Ich hatte das Gefühl, dass Acts und Labels Angst hatten, bei Abweichung von Schema F sofort von den Algorithmen bestraft zu werden. Inzwischen ist da viel mehr Mut zu spüren! Und obwohl das Musikbusiness insgesamt immer noch männlich dominiert ist, haben sich in den letzten Jahren viele grandiose weibliche Acts durchsetzen können – das ist ein riesiger Gewinn für die popkulturelle Szene und für unsere Programme. Bei PULS Radio ist es längst kein Problem mehr, im Programm zu mindestens 50% Acts mit weiblicher Beteiligung zu featuren. Außerdem laufen bei uns seit 2025 jede Stunde 50% Acts aus Deutschland/Österreich/Schweiz. Dass das so möglich ist, ist ebenfalls ein Beleg für eine starke und vielfältige Musikszene.
2) Ich gehe davon aus, dass immer mehr junge Acts in Deutschland das Selbstbewusstsein und die musikalische Eloquenz besitzen, sich auf wirklich originelle Art und Weise auszudrücken. Und ich bin überzeugt, dass der Mut auch belohnt wird – die alten Regeln bezüglich „Mainstream“ und „Nische“ haben immer weniger Bedeutung. Ein ganz banales Beispiel ist, dass es plötzlich auch wieder viel mehr Songs gibt, die länger als zwei Minuten sind. Analog dazu wird auch in den Bereichen Sound/Genre und Arrangement mehr experimentiert werden.
3) Die oben angesprochene Souveränität und Kreativität im künstlerischen Ausdruck sehe ich zum Beispiel bei Acts wie Blumengarten, nand und Berq. Lena & Linus aus Würzburg entwickeln sich super. Und fyne ist ein Name, den man sich merken sollte – da bin ich sehr gespannt aufs Debütalbum. Die Sängerin und Songschreiberin aus Hamburg wurde von den jungen Programmen der ARD auch grade auf die HOTLIST 2025 gesetzt.
Was den popkulturellen Zeitgeist angeht: Niemand war im letzten Jahr einflussreicher als Charli XCX – und das, obwohl ein paar ihrer Kolleginnen kommerziell deutlich erfolgreicher waren. Inhaltlich hat Chappell Roan mit ihrer nachvollziehbaren Empörung über fanatische, aufdringliche Fans ein wichtiges Thema für 2024 und darüber hinaus gesetzt.
4) Ich glaube, es wäre wichtig, KI-Musik und Fake-Profile von Streaming-Diensten zu verbannen. Je mehr KI-Gedudel in Playlisten landet, desto weniger werden echte Künstlerinnen und Künstler bezahlt. Und ansonsten: neuen Acts Zeit geben, vertrauen, ihre Entwicklung und Eigenständigkeit fördern.
„Auffällig viele tiefe Männerstimmen wie Teddy Swims, Hozier, Shaboozey oder auch Mark Ambor konnten hervorragende Testergebnisse einfahren“
Tanja Ötvös, RADIO HAMBURG, Musikverantwortliche
1) Nach wie vor mögen die Radio Hamburg-Hörer rhythmische Popmusik, können sich jedoch auch weiter zunehmend für Gitarrenpop mit oder auch gern ohne Country-Einschlag begeistern. Auffällig viele tiefe Männerstimmen wie Teddy Swims, Hozier, Shaboozey oder auch Mark Ambor konnten hervorragende Testergebnisse einfahren. So eine Häufung von guten Testergebnissen in diesem Bereich ist bei uns noch relativ neu. Purple Disco Machine oder auch David Guetta laufen fast immer richtig gut.
2) Ich gehe davon aus, dass sich der für uns ja eher neue Trend der etwas „rustikalen“ Popmusik fortsetzt, Country aber hoffentlich nur mal eine kleine Spielerei zwischendurch ist/war. Sicher werden vor allem Künstler aus dem Pop Dance Bereich auch weiter alte Hits „recyclen“.
3) Ich freue mich sehr, dass inländische etablierte Künstler wie Nico Santos, Leony, Michael Schulte, Alle Farben aber auch Newcomer wie Loi, Kamrad, ClockClock oder auch Fast Boy sich immer mehr zu Hit-Garanten mausern. Dadurch ist es auch leichter, mal kurzfristig einen O-Ton zu bekommen oder auch so schöne Aktionen wie unsere Radio Hamburg Mega-Musik-Mittagspause umzusetzen.
Als Gesamtkunstwerk so ganz persönlich ist für mich Chapell Roan eine Entdeckung gewesen.
4) Ich würde mich freuen, wenn auch mehr internationale erfolgreiche Künstler ihren Weg in die Sender finden und dort auch mal in ungewöhnlicherem Rahmen performen würden.
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