Die große Umfrage zu den aktuellen Musiktrends 2024 im Radio, Teil 2: „Die wichtigste Aufgabe in der Musikwirtschaft sollte es sein, KI wieder einzufangen“

The Trend is your Friend! Unverändert weisen zahlreiche Untersuchungen Radio als wichtigen Kompass und Orientierungshilfe für den Musikkonsum der Menschen aus. Wie aber entwickelt sich die Musik im Radio? RADIOSZENE stellte hierzu am Jahresbeginn 2025 den Musikverantwortlichen deutscher Hörfunkstationen folgende Fragen:
- Welches waren in 2024 die angesagten Musiktrends im Radio in Ihrem Sendegebiet? Welche Genres haben an Bedeutung verloren?
- Werden sich diese Richtungen fortsetzen oder sind bereits neue Trends in Sicht?
- Welche Künstler*innen haben Sie zuletzt am nachhaltigsten beeindruckt?
- Welche Wünsche und Vorschläge haben Sie in Richtung der Musikwirtschaft?
Die Antworten der Entscheider aus den Musikredaktionen lieferten eine Vielzahl interessanter Hinweise auf die aktuellen und kommenden Musikströmungen. Wegen der hohen Beteiligung veröffentlichen wir die Antworten in vier Etappen:
Kai Tölke, BREMEN VIER, Musikchef
1) Wer gedacht oder gar gehofft hat, dass die Flut der Coverversionen bzw. Adaptionen im EDM-Bereich langsam mal an Bedeutung verlieren würde, wurde deutlich eines Besseren belehrt. Der Trend hat angehalten. Etwas frischen Wind haben die kommerzielleren Afro House-Tracks gebracht. Und vom anderen Ende der Welt kamen vermehrt Songs mit Country-Einflüssen.
2) Ich denke, alle unter Punkt 1 genannten Trends werden uns auch in diesem Jahr weiter begleiten. Für Coverversionen gibt es aus den frühen 2000ern noch genug Songs, denen man ein neues Gewand verpassen kann. Afro Beats werden garantiert noch weiter funktionieren und Country-Einflüsse bleiben für den Mainstream Pop spannend und kompatibel.
„Wer gedacht oder gar gehofft hat, dass die Flut der Coverversionen bzw. Adaptionen im EDM-Bereich langsam mal an Bedeutung verlieren würde, wurde deutlich eines Besseren belehrt“
Ich persönlich bin auch sehr gespannt, wann die frischen jungen Deutschpop-Künstlerinnen und -Künstler wieder vermehrt für das Mainstream Radio interessant werden. Ich könnte mir vorstellen, dass da in 2025 jenseits von Nina Chuba und Apache 207 mehr Bewegung reinkommt.
Und dann ist da ja noch Tik Tok. Bei den Songs, die über die Plattform ins Radio gespült werden, tue ich mich mit dem Begriff Trend schwer. Ich würde es eher als eine Entwicklung bezeichnen, die sicherlich noch weitergeht.
3) Da gab es für mich einiges Spannendes zu beobachten. Beeindruckend fand ich zum Beispiel die Taylor Swift-Maschinerie, der es gelungen ist, mehr als einen Sommer lang die Schlagzeilen zu beherrschen. Und auch die Entscheidung von Linkin Park, sich mit einer Sängerin zu verstärken. Oder die Entwicklung von Sabrina Carpenter, die ja schon länger auf dem Radar war und im letzten Jahr zum Superstar wurde. Natürlich ist es in jeder Rückbetrachtung auch immer schön, sich vor Augen zu halten, dass es wieder ganz überraschende Hits gab: Artemas zum Beispiel oder auch (endlich) Gracie Abrams.
4) Ich würde mir tatsächlich wünschen, dass wieder vermehrt mittel- oder längerfristiger Künstleraufbau von den großen Labels betrieben wird. Und für mich dürften dann auch gerne ein paar mehr Songs eine gute Hookline haben und etwas länger als 3 Minuten sein. Und das schreibe ich nicht (nur) als Radioplaner, der mittlerweile 15+ Songs verplanen muss, um eine Sendestunde zu füllen. Sondern auch als Radiokonsument, dem manchmal die emotionale Bindung zu Songs und Artists abgeht.
„Mehr Mut zur Kante“
Tina Zacher, ABSOLUT RADIO, Programmleitung
1) Prinzipiell können wir sagen, dass wir uns nicht grundsätzlich nach Musiktrends per sé richten. Speziell bei unserem Format „Absolut Germany“ versuchen wir immer die Nische zu finden, die sonst in der deutschen Radiolandschaft nicht abgebildet wird. Was wir hier grundsätzlich aber feststellen ist, dass AC German Pop weiter an Bedeutung verloren hat, dafür aber Urban Pop a la Nina Chuba und Co. hier weiter den „Mainstream“ wenn man das so nennen will, dominiert.
2) Ein neuer Trend, den wir bei Absolut Hot und der sehr jungen Zielgruppe erkennen sind Afrobeats (Tyla, Burna Boy), die auch hierzulande weiter Fuß fassen werden. Bei der elektronischen Musik gibt es wieder eine klar ruhigere Tendenz. Der Einfluss aus House und Deep House kommt mehr, dafür nimmt Techno wieder etwas ab.
3) Wenn wir bei unseren jungen Formaten drauf schauen, dann sind es für Absolut Germany ganz klar Ski Aggu, Nina Chuba, Shirin David, 01099, oder auch RIN, um die großen Namen zu nennen. Sie sind bei Absolut Germany gesetzt und geben dem Sender genau den Sound, den wir dort forcieren. Aber vor allem die Newcomer wie Levin Liam, GReeeN, Sampagne, BAC, Mele, Zartmann oder Tim Baldus haben bei mir einen sehr bleibenden Eindruck hinterlassen. Diese jungen Künstler:innen trauen sich, trotz der Entwicklung in klassischen Radioformaten ihren eigenen Weg zu gehen. Sie machen ihr Ding, sowohl von der musikalischen Ausrichtung her, als auch von den Lyrics. Und um es salopp auszudrücken – sie kümmern sich nicht darum was „die da beim Radio“ so spielen. Umso erfreulicher ist es, dass wir genau ihnen mit Absolut Germany endlich wieder eine Plattform im deutschen Radio bieten und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Gattung Radio prinzipiell bei der jungen Generation wieder an Bedeutung gewinnt.
4) Mehr Mut zur Kante. Man sieht vor allem auf Social Media, dass es funktioniert aus gewohnten, festgefahrenen Sounds auszubrechen und sich neue Dinge trauen.
„Der Sound von 104.6 RTL war in 2024 vielfältiger (als in den Vorjahren), auch dank der Hits von Billie Eilish, Marc Ambor, Chappell Ron und Sabrina Carpenter“
Vivian Pickelmann, 104.6 RTL, Leiter Musikredaktion im RTL Audio Center Berlin
1) Ein anhaltender Trend ist das Covern, Remixen oder Verwenden von Elementen aus „alten“ Hits. Dies wurde besonders deutlich durch den Erfolg von Cyrils „Stumblin In“. Das Lied war nicht nur der erfolgreichste Song im deutschen Airplay 2024, sondern auch der beliebteste Song unter den Hörerinnen & Hörern von 104.6 RTL.
Mit Songs wie „Texas Hold Em“ von Beyonce, Dasha Austin und „A Bar Song“ von Shaaboozey fand 2024 auch ein wenig Country-Musik Eingang in das Programm von Berlins und Brandenburgs Hitradio 104.6 RTL. Dies zeigt, dass sich nach vielen Jahren der Dominanz von EDM auch andere Sounds bei den Hörerinnen & Hörern durchsetzen können. Dies bedeutet nicht, dass die Ära des EDM vorbei ist. Es zeigt sich jedoch bei den Hörerinnen & Hörern von 104.6 RTL eine gewisse Sättigung bei den Klängen von Robin Schulz und anderen Vertretern des EDM.
Zusammenfassend lässt sich sagen der Sound von 104.6 RTL war in 2024 vielfältiger (als in den Vorjahren), auch dank der Hits von Billie Eilish, Marc Ambor, Chappell Ron und Sabrina Carpenter.
2) Es wäre sehr erfreulich, wenn sich die aktuelle Entwicklung – der Verschiebung von dominierendem EDM hin zu gelungenen Pop-Songs – weiterhin fortsetzen würde. Aktuelle Beobachtungen scheinen genau diese Tendenz zu bestätigen.
3) Für 104.6 RTL muss man wohl einen Künstler, wie Marc Ambor erwähnen, der es ohne die Unterstützung eines großen Labels geschafft hat, sich ins Radio vorzuarbeiten. Es hat etwas länger gedauert, aber der Erfolg des Songs war schließlich sehr nachhaltig. Dies sieht man nicht oft bei Songs, die ohne die Power eines Major-Labels im Radio gebracht werden.
4) Mein Wunsch an die Musikwirtschaft ist, dass wir auch in 2025 weiterhin vertrauensvoll zusammenarbeiten. Obwohl sich das Entdecken neuer Musik in den letzten Jahren in Richtung sozialer Medien verschoben hat, sind diese Entdeckungen oft kurzlebige Trends und bringen nicht unbedingt einen langfristigen Nutzen für die Künstlerinnen und Künstler.
Radiosender wie 104.6 RTL können durch ihre gezielte Musikauswahl und dank des vertrauensvollen Verhältnisses zu ihren Hörerinnen und Hörern dazu beitragen, Künstlerinnen und Künstler sowie ihre Songs nachhaltig bekannt zu machen. Dies ist ein wesentlicher Faktor, um einen langfristigen Erfolg zu sichern. Aktuell sehe ich dieses Verständnis in der Musikindustrie, und ich hoffe, es bleibt so und kann sogar noch weiter ausgebaut werden.
Wir wünschen uns auch eine fortgesetzte Zusammenarbeit mit der Musikindustrie, um bei 104.6 RTL weiterhin große Veranstaltungen wie „Stars For Free“ durchführen zu können, bei denen wir 17.000 unserer Hörerinnen und Hörer aus Berlin und Brandenburg zu einem kostenlosen Konzert einladen.
„Der innovativste Genretrend 2024 war sicherlich Afro-House“
Henning Pyritz, FRITZ, Musikredakteur
1) Der innovativste Genretrend 2024 war sicherlich Afro-House. Nach dem Überraschungserfolg von Szene-Größen wie Zerb oder Adam Port haben sich auch immer mehr kommerzielle Dance-Artists wie Hugel, Topic, The Chainsmokers oder selbst Trance-Legenden wie Armin van Buuren an den entspannten afrikanischen Grooves versucht.
Weniger innovativ halten sich nach wie vor die Neuauflagen und Interpolationen bekannter Hits in den Airplaycharts – die Sehnsucht nach vergangenen Zeiten.
Aus den USA ist bereits Anfang des Jahres die Country-Pop-Welle mit Hits von Shaboozey, Dasha und natürlich Beyoncé zu uns rüber geschwappt.
Außerdem haben nun Rosé oder Lisa die ersten großen K-Pop-Hits gelandet – wobei die Frage ist, wie viel K-Pop da noch drinsteckt, wenn sämtliche Writer und Producer aus den USA oder, wie im Fall von Jennie, sogar aus Berlin stammen …
Der „Brat-Summer“ ist online mehr aufgegangen als on air. Und selbst Charli XCX hat ihn dann noch im Juni als beendet erklärt. Aber dennoch sind die radiokompatibleren Ausläufer als sogenannter Recession-Pop von Sabrina Carpenter, Chappell Roan & Co. voll aufgegangen.
2) Die oben genannten Pop-Phänomene werden uns sicherlich auch noch 2025 weiter beschäftigen. Allein schon, weil die Artists, Produzenten und die Musikindustrie immer schneller (und besser) werden im Ausschöpfen von Trends.
„Handgemachte“ Popsongs wie die aktuellen Hits von Gracie Abrams, Gigi Perez oder Lola Young werden sich vermutlich auch in den kommenden Monaten weiter an Beliebtheit erfreuen.
Außerdem haben verstärkt progressivere Beats Einzug in die Popwelt gehalten wie bei BL3SS, Venbee, BUNT., Nimino, Matt Sassari – mit Chrystal & Notion geht (vielleicht) auch der erste virale Hit 2025 auf dieses Konto.
3) Dass Linkin Park mit solch durchschlagendem Erfolg sowohl im Streaming als auch im Radio zurückkehren würden, hatte ich offen gestanden nicht erwartet. Ebenso hat Bruno Mars sich mit zwei Welthits beeindruckend zurückgemeldet.
Bei den Newcomer*innen gäbe es gerade national sicherlich unzählige zu nennen. In der New Music Hotlist der ARD haben wir wieder versucht, die wichtigsten ins Rampenlicht zu stellen – müsste ich mich auf einen festlegen, wäre es Aaron.
Aber auch wie Lacazette es innerhalb eines Jahres geschafft hat, deutschem Rap wieder Wortwitz und Ironie beizubringen, war stark.
International hat Rose Gray bei mir den stärksten Eindruck hinterlassen.
4) Die wichtigste Aufgabe in der Musikwirtschaft sollte es sein, KI wieder einzufangen. Da wurde eine technische Innovation meines Erachtens zu schnell frei verfügbar gemacht, ohne rechtliche und faire Rahmenbedingungen zu klären. Welche Auswirkungen das auf die Kreativbranche der kommenden Jahre haben wird, sollte man ernsthaft überdenken.
Zumal die Leistung dieser Technik auf eben jener Kreativität fußt.
Ebenso muss die Live-Branche wieder in gerechtere Bahnen gelenkt werden. Die Entwicklung von Ticket-Preisen und die Ausschöpfung der Gewinne, die Kosten für Veranstaltungsstätten und Artists steht in keinem guten Verhältnis. Festival- und Konzertabsagen, Clubsterben etc. trotz steigender Gesamtumsätze sprechen eine deutliche Sprache.
„Wir sehen auch eine Rückkehr zu Singer-Songwriter-Klängen, die durch ihre Authentizität und emotionalen Texte bestechen“
Henrike Frey, ANTENNE NIEDERSACHSEN, Leiterin Musikredaktion
1) Ein großer Trend in unserem Sendegebiet, Niedersachsen, ist nach wie vor die Rückkehr und Neuinterpretation der 80er-Jahre-Sounds, oft kombiniert mit modernen Elementen der Pop- und elektronischen Musik. Genres wie Synthwave und Retrowave haben an Bedeutung gewonnen und alte Hits wurden häufig neu aufgelegt. Außerdem beobachteten wir einen Anstieg von Akustik-Songs, die besonders gut bei unserer Zielgruppe ankamen. Im Gegensatz dazu haben einige Genres an Bedeutung verloren. Dazu gehören die stark elektronischen EDM-Tracks, die in den letzten Jahren sehr populär waren, aber allmählich zurückgehen.
2) Die 80er-Jahre-Revival-Bewegung scheint sich noch eine Weile fortzusetzen. Jedoch ist bereits ein neuer Trend in Sicht: Eine zunehmende Verschmelzung von Pop und Country-Musik. Künstlerinnen experimentieren immer mehr und dieser Genre-Mix scheint bei den Hörerinnen gut anzukommen. Zudem sehen wir eine Rückkehr zu Singer-Songwriter-Klängen, die durch ihre Authentizität und emotionalen Texte bestechen.
3) Zu den etablierten Künstler*innen, die uns nachhaltig beeindruckt haben, gehören Billie Eilish und Taylor Swift, die es mit ihren neuen Alben endgültig geschafft haben, auch in Deutschland in den konservativen AC-Formaten anzukommen. Auch Shawn Mendes hat mit seinem neuen Album wieder einmal gezeigt, dass er in der Lage ist, die Massen zu begeistern und gleichzeitig musikalisch innovativ zu bleiben. Bei den Newcomern hat uns vor allem Chappell Roan beeindruckt. Ihre Fähigkeit, emotionale Texte mit eingängigen Melodien zu kombinieren, ist bemerkenswert und sie hat großes Potenzial, in den kommenden Jahren noch weiter durchzustarten.
4) Künstler*innen sollten ermutigt werden, kreative und riskantere Projekte zu verfolgen, anstatt sicherheitsorientiert zu agieren. Es bleibt spannend, welchen weiteren Einfluss die Nutzung von KI auf die Musikwirtschaft im neuen Jahr haben wird.
„Wir sind in Deutschland leider Meister darin, erfolgreiche Trends totzureiten“
Torsten König, RADIO GONG 96,3, Leitung Musikredaktion
1) Generell sind rhythmische Pop-/Dance Songs weiter stark, aber das Potenzial wirkt langsam erschöpft, es funktioniert nicht mehr alles bedingungslos; gerade im Bereich der Dance-Covers scheint ein Sättigungsgrad erreicht. Country-Pop kann getrost als das „neue Ding“ bezeichnet werden … Beyonce hat das mit „Texas Hold’Em“ vorgemacht und den Stein ins Rollen gebracht; Dasha, Shaboozey, oder auch Leony („Simple Life“) haben den Trend erfolgreich aufgegriffen und weiter geführt …
2) Handgemachte, organische Sounds scheinen insgesamt wieder an Bedeutung zu gewinnen; Positiv-/Melodiöses ist vor allem wieder mehr im Fokus, gegenüber den manchmal doch eher kühleren Dance-Sounds …
Der aktuelle Trend mit Country-/Folk-lastigen Popsongs bestätigt diese Tendenz; aber auch ganz aktuell so ein etwas exotisch anmutender Gute-Laune-Song wie „APT.“ (Rosé & Bruno Mars).
3) Lady Gaga hat für mich 2024 bewiesen, dass sie nachwievor eine Klasse für sich ist und in alle Richtungen sehr innovative Pop-Musik machen kann; ob das nun ein Soul-Pop-Duett mit Bruno Mars ist („Die With A Smile“) – ihre unvergessliche Chanson-Performance bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris, oder auch zuletzt mit für sie typischem Dance-Pop „Disease“ für die jüngere Zielgruppe.
4) Etwas mehr Mut zur Diversität. Wir sind in Deutschland leider Meister darin, erfolgreiche Trends totzureiten. Ich bin gespannt wie viele Country-Pop-Songs uns demnächst noch blühen, beziehungsweise wann auch noch der letzte 80er/90er Hit mehr oder weniger fragwürdig gecovert wurde, bevor man sich (dann notgedrungen) auf Neues einlassen muss. In UK oder Italien beispielsweise ist man da proaktiver und dauerhaft breiter aufgestellt.
Ausserdem sollte sich die Musikindustrie nicht so von den Streamingdiensten jagen lassen. Für die jüngsten Zielgruppen mag das ein Stück weit notwendig sein, aber als erfolgreicher Sender im Mainstream, sehe ich auch Dank der Marktforschung, dass aktuelle Popmusik kein Fastfood ist.
Die erwachsene Hörerschaft braucht nachwievor Zeit sich auf neue Musik einzulassen und genießt diese auch dementsprechend länger. Die Radiowelt ist bei weitem nicht so kurzlebig wie die Digitale.
„Musik darf nicht weiterhin nur auf Quantität sondern muss wieder mehr auf Qualität getrimmt sein“
Manuel Spangenberger, bigFM, Musikredaktion
1) Die angesagtesten Musiktrends 2024 im Sendegebiet waren unter anderem der reine, klassische Pop, Pop-Country und EDM mit 80er und/oder 90er Samples oder Afrobeats. Ein Genre das im Jahr 2024 stätig an Bedeutung verlor, war Urban/Hip Hop International.
2) Im Großen und Ganzen werden sich die Richtungen und Trends von 2024 weiter fortsetzen. Im Bereich EDM switcht gerade der Sound ein wenig in eine härtere und technoidere Richtung.
Ein Trend der sich meiner Meinung nach 2025 abzeichnen wird, sind mehr Rockeinflüsse. Das heißt Popmusik wird gitarrenlastiger (gerade auch durch diverse Einflüsse aus dem „Country“) und der eine oder andere Rocksong wird es vielleicht in die Radiowelt schaffen. Außerdem glaube ich, dass sich die Afrobeatswelle zum Sommer noch weiter entwickelt und etablieren wird.
3) Etablierte Künstler, welche mich zuletzt nachhaltig beeindruckt haben sind Tate McRae, The Weeknd, Tyler, The Creator, Post Malone, Kendrick Lamar, RAYE, Billie Eilish & Taylor Swift.
Im Newcomerbereich waren es Doechii, Lola Young, Teddy Swims, BUNT. und Chappell Roan
4) Das sich Künstler und Industrie wieder mehr Zeit geben, um Kreativität entstehen und Songs wachsen zu lassen. Musik darf nicht weiterhin nur auf Quantität sondern muss wieder mehr auf Qualität getrimmt sein.
„Ich erwarte im Mainstream eine langsame Rückkehr zu klassischen Songstrukturen und Songlängen – weg von kastrierten, mit Algorithmen schielenden Songfragmenten und Songzitaten, die kaum länger als 2 Minuten sind!“
Wolfgang Pammer, KRONEHIT, Head of Music Design
1) Die große Hit-Wiederverwertungsmaschinerie ist in ganz großer Manier im Gange, frei nach dem Motto: „Einmal ein Hit, immer ein Hit“! Nachdem ich mich auch schon zum „Jurassic Park der Musikredakteure“ zählen darf, bin ich immer wieder überrascht, welche (längst verdrängten) Songs da in zeitgemäßem tanzbarem Outfit wiederbelebt werden (zum Beispiel „Stumblin‘ In“) – mit großen Erfolgen!
Fast gänzlich von der Bildfläche verschwunden ist (zumindest in Österreich) der einst sehr präsente klassische Deutsch-Pop, während im Gegenzug Songs im Dialekt nach wie vor boomen – nur noch vereinzelt versuchen sich heimische Artists in hochdeutscher Nachahmung diverser Vorbilder aus dem Nachbarland.
2) Die tanzbare Wiederverwertung von Welthits des vorigen Jahrtausends ist richtig gut ins Rollen gekommen und wird uns noch längere Zeit nicht erspart bleiben! Außerdem erwarte ich im Mainstream eine langsame Rückkehr zu klassischen Songstrukturen und Songlängen (weg von kastrierten, mit Algorithmen schielenden Songfragmenten und Songzitaten, die kaum länger als 2 Minuten sind!). Ein weiterer, nicht mehr aufzuhaltender Trend ist die zunehmende akustische Annäherung von Schlager und Pop – der zu meiner Jugendzeit so verpönte „Schlager“ wird immer salonfähiger und ist quer durch sämtliche Gesellschaftsschichten angekommen!
3) Mich beeindrucken diejenigen Künstler/innen am meisten, die sich in einer doch sehr kurzlebigen Branche inzwischen über ein halbes Jahrhundert und mehr nicht nur gut über Wasser halten, sondern obendrein nach wie vor auf Konzertbühnen aktiv sind und so gut wie fast ohne jegliche Einschränkungen (klarerweise gibt’s zum Teil altersbedingte stimmliche Abstriche …) live performen! Allen voran die Rolling Stones, dicht gefolgt von Paul McCartney, Tom Jones, David Gilmour, Neil Young, Shirley Bassey etc.
Hinsichtlich aktueller Künstler/innen beeindrucken mich diejenigen am meisten, die auf pompöse und zum Teil irritierende und damit von der Musik ablenkende Showelemente verzichten (können) und damit die Rückkehr zur musikalischen Essenz forcieren!
4) Nachdem wir im letzten Jahr zusätzlich zu unserem Stammprodukt KRONEHIT vier zusätzliche neue Sender (ROT WEISS ROT, SUPER 80’s, PIRATE und EURODANCE X-PRESS) aus der Taufe gehoben haben, ist mir im Zuge der vielen Archivarbeit und Backkatalog-Recherche eines bewusst geworden: Es gibt bereits dermaßen viel gute und zum Teil überhaupt noch nicht entdeckte Musik, dass es künftig gar nicht mehr notwendig sein dürfte, neue Musik zu kreieren oder zu veröffentlichen! Ich würde daher ein weltweites „Verbot für neue Musik“ in Betracht ziehen und zu „verpflichtenden musikalischen Entdeckungsreisen in den Dschungel bereits vorhandener popmusikalischer Erscheinungen“ raten – eine simple Maßnahme zur Eindämmung des explodierenden Audio-Outputs! Und damit wohl auch das Ende der nicht mehr überschaubaren wöchentlichen Neuerscheinungen …
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