Große Umfrage zu aktuellen Musiktrends 2024 im Radio (Teil 1)

Große RADIOSZENE-Umfrage zu aktuellen Musiktrends im Radio (Teil 1) (KI-generiertes Symbolbild)
RADIOSZENE-Musikumfrage (KI-generiertes Symbolbild)

„2024 war, was die Entdeckung neuer Künstler angeht, ein sehr erfreuliches Jahr“

The Trend is your Friend! Unverändert weisen zahlreiche Untersuchungen Radio als wichtigen Kompass und Orientierungshilfe für den Musikkonsum der Menschen aus. Wie aber entwickelt sich die Musik im Radio? RADIOSZENE stellte hierzu am Jahresbeginn 2025 den Musikverantwortlichen deutscher Hörfunkstationen folgende Fragen:

  1. Welches waren in 2024 die angesagten Musiktrends im Radio in Ihrem Sendegebiet?  Welche Genres haben an Bedeutung verloren?
  2. Werden sich diese Richtungen fortsetzen oder sind bereits neue Trends in Sicht?
  3. Welche Künstler*innen haben Sie zuletzt am nachhaltigsten beeindruckt?
  4. Welche Wünsche und Vorschläge haben Sie in Richtung der Musikwirtschaft?
MusicMaster beim INTERNATIONAL MUSIC SCHEDULING SUMMIT 2025

Die Antworten der Entscheider aus den Musikredaktionen lieferten eine Vielzahl interessanter Hinweise auf die aktuellen und kommenden Musikströmungen. Wegen der hohen Beteiligung veröffentlichen wir die Antworten in vier Etappen.

Gregor Friedel, SWR3, Musikchef

Gregor Friedel (Bild: © SWR / Patricia Neligan)1) Natürlich war das Thema Country im Pop im vergangenen Jahr ein großes. Shaboozey, Dasha, Post Malone, allen voran natürlich Beyoncé haben die Popradios erobert. Ich kann mir auch vorstellen, dass das mehr als nur ein Strohfeuer war und der Sound sich mittlerweile auch hier etabliert hat oder zumindest dabei ist, sich zu etablieren. Welche Rolle das in der Gesamtheit spielen wird, müssen wir mal abwarten. Ansonsten schreibe ich glaub zum 98sten Mal in Folge: EDM-Remakes von 80er und 90er Titeln. Aus Producer-Sicht oftmals elegant und spannend, aus künstlerisch-schaffender Sicht eher weniger.

„Wir stellen fest, dass immer mehr von den jungen, deutschsprachigen Künstler:innen bei uns im Programm stattfinden (können)“

2) Wir stellen fest, dass immer mehr von den jungen, deutschsprachigen Künstler:innen bei uns im Programm stattfinden (können). Das hat sicher zum einen damit zu tun, dass sich diese Musik mittlerweile auch in einem älteren Segment etablieren kann. Zum anderen bewegen sich Acts auch (mutmaßlich ja bewusst) in Richtung AC-Formate. Es fühlt sich ein bisschen so an, als wäre das der Start für eine neue Art von kontemporärer, deutschsprachiger Popmusik im Bereich AC.

3) Chappell Roan, Myles Smith, Linkin Park, The Last Dinner Party und nicht zuletzt der aktuelle Werdegang von Lola Young, die wir bereits 2022 beim SWR3 New Pop Festival hatten und für die dieses Jahr der große Durchbruch werden könnte. Daneben natürlich Zaho de Sagazan. Meine beiden Lieblingsalben aus 2024 sind in Deutschland eher keine Radiothemen: „Big Special“ mit „Postindustrial Hometown Blues“ und Fontaines D.C. mit „Romance“. Das waren meine beiden meistgehörten Alben im vergangenen Jahr.


2024 war ein spannendes Jahr für Musiktrends im Radio

Niklas Gruse, RADIO FFN, Leiter Musikredaktion

Niklas Gruse (Bild: © radio ffn)

1) 2024 war ein spannendes Jahr für Musiktrends im Radio. Besonders begeistert hat uns von Anfang an die Coverversion von „Stumblin‘ In“, die uns das ganze Jahr über begleitet hat. Die Mischung aus Nostalgie und modernem Sound hat sowohl unser Team als auch die Hörer überzeugt. Überraschend war das nicht, denn schon bei der ersten Hörprobe war klar, dass diese Version das Potenzial hat, ein Dauergast in unseren Playlists zu werden. Sie zeigt exemplarisch, wie erfolgreich Klassiker in zeitgemäßer Interpretation sein können.

Auch Country hat sich als überraschendes Genre etabliert, vor allem durch Künstlerinnen wie Beyoncé und Dasha, die dem Stil eine moderne Note verliehen haben. Besonders mutig war es, die Crossover-Nummer von Artemas, „I Like the Way You Kiss Me“, ins AC-Programm zu nehmen. Dieser Schritt hat sich jedoch gelohnt und bewiesen, dass außergewöhnliche Songs ihren Platz im Radio finden.

Überrascht hat mich zudem, dass Billie Eilish mit ihrem Song „Birds of a Feather“ den Sprung in die Programme der AC-Stationen geschafft hat. Auch sie sorgt für echte Abwechslung und stellt sicher, dass die Hörer nicht das Gefühl haben, stets das „Gleiche“ zu hören.

Ein weiterer Trend war der vermehrte Einsatz von „handgemachten“ Songs in unseren Playlists. Mark Ambor mit seinem emotionalen Track „Belong Together“ ist ein großartiges Beispiel dafür. Solche Songs bieten eine willkommene Abwechslung zum weiterhin präsenten, aber langsam ausgelaugten Genre PopDance. Die Nachfrage nach Authentizität und Vielfalt scheint bei den Hörern stärker zu werden, und handgemachte Musik erfüllt dieses Bedürfnis perfekt.

Genres, die an Bedeutung verloren haben, sind schwer konkret zu benennen, doch der Fokus hat sich klar auf Individualität und Qualität verschoben. Standardisierte und austauschbare Produktionen scheinen an Strahlkraft zu verlieren.

2) Die aktuellen Musiktrends haben sicherlich das Potenzial, sich weiterzuentwickeln. Der Fokus auf Authentizität und handgemachte Musik wird sich wahrscheinlich fortsetzen, da die Hörer zunehmend nach echten, emotionalen und einzigartigen Klangerlebnissen suchen. Künstler wie Mark Ambor oder Crossover-Tracks wie Artemas‘ „I Like the Way You Kiss Me“ haben bewiesen, dass diese Richtung im AC-Format hervorragend funktioniert. Auch der Erfolg von Country-Elementen zeigt, dass es Raum für Genrevielfalt gibt.

Gleichzeitig könnten wir im Jahr 2025 neue Impulse aus anderen Bereichen erwarten. Ein Wiederaufleben von 2000er-Elementen oder hybride Genres, die mehrere Stilrichtungen kombinieren, sind mögliche Entwicklungen. Billie Eilish hat mit „Birds of a Feather“ gezeigt, dass solche Innovationen den Nerv der Zeit treffen können. Auch experimentelle Produktionen mit künstlicher Intelligenz könnten eine Rolle spielen, wenn Technologie und Musik immer enger zusammenrücken.

Alles in allem werden einzelne Trends so lange von der Musikindustrie bedient, bis die Hörer nach Abwechslung verlangen. Daher ist es für Radiosender entscheidend, den Markt ständig zu beobachten und mutige, jedoch kluge Entscheidungen zu treffen, die den Musikgeschmack der Hörer jederzeit treffen. PopDance wird sich vermutlich weiter reduzieren, es sei denn, es gelingt dem Genre, sich neu zu definieren. Die Herausforderung wird darin bestehen, die Balance zwischen bewährten Formaten und innovativen Trends zu finden, um die Hörer auch in Zukunft zu begeistern.

3) Sowohl etablierte Künstlerinnen als auch Newcomer haben 2024 beeindruckende Spuren hinterlassen. Besonders freue ich mich über den anhaltenden Erfolg von Pop-Künstlerinnen wie Leony, Ava Max und Dua Lipa, die mit ihrem unverwechselbaren Stil und starken Songs immer wieder die Playlists bereichern. Ebenso bemerkenswert ist Kamrad, der sich erfolgreich im Musikmarkt etabliert hat und eine feste Größe geworden ist.

Bei den Newcomern sticht Iggi Kelly heraus. Er produziert perfekte Popmusik fürs Radio, die sich durch eingängige Melodien und moderne Produktionen auszeichnet. Gleichzeitig überzeugt er als Live-Performer, der mit seiner Professionalität und Ausstrahlung das Publikum begeistert – und dazu ist er ein wirklich sympathischer Mensch.

International hat Sabrina Carpenter nachhaltigen Eindruck hinterlassen, vor allem durch ihre Radiohits „Espresso“ und „Taste“. Diese Songs sind perfekte Beispiele für modernen, radiotauglichen Pop mit einer klaren Handschrift. Mit eingängigen Hooks und einer Produktion, die Frische und Energie ausstrahlt, hat sie gezeigt, dass sie den Nerv der Zeit trifft und sowohl Fans als auch neue Hörer begeistert. Ihre Musik ist ein echter Gewinn für jedes Radioprogramm.

4) Ich wünsche mir, dass die Musikwirtschaft wieder stärker auf Radio setzt und die Chancen erkennt, die Radioprogramme bieten. Radio ist ein unverzichtbarer Partner für die Musikbranche, um Künstler*innen und Songs langfristig zu etablieren und direkt ins Ohr und Herz der Hörer zu bringen.

Im letzten Jahr haben wir einige erfolgreiche Aktionen gemeinsam mit der Musikindustrie umgesetzt. Unsere ffn Meet Your Star – Funkhauskonzerte sind ein bewährtes Konzept, das beiden Seiten große Vorteile bietet.

Ein weiteres Highlight war die exklusive Übertragung eines kompletten Albums von Billie Eilish am Abend vor der offiziellen Veröffentlichung. Solche Aktionen schaffen echte USPs, die Hörer begeistern und die Zusammenarbeit zwischen Radio und Musikindustrie stärken. Meine Devise bleibt daher: Radio first!

Ein weiterer Punkt, der mir am Herzen liegt, ist die Veröffentlichungspolitik. Ein Hit braucht Zeit, um sich zu entwickeln. Gebt ihm diese Zeit! Zu oft wird versucht, möglichst schnell Erfolge zu sehen, aber wirklicher Erfolg entsteht durch eine nachhaltige Platzierung und das Vertrauen, dass ein Song wachsen kann.

Und noch etwas: Macht die Songs wieder länger – auch im eigenen Interesse! Wenn alle Songs nur zwei Minuten lang sind, werden Radiosender gezwungen, mehr Songs pro Stunde zu spielen. Das geht zu Lasten der Qualität, denn es gibt schließlich immer nur eine begrenzte Anzahl besonders angesagter Hits.

Sehr kurze Songs benötigen noch mehr Zeit bei den Hörern bekannt zu werden, da sie pro Play weniger Kontakte generieren.

Außerdem hat die Kürze der Songs Auswirkungen auf die GEMA- und GVL-Ausschüttungen, was letztlich den Mitbewerbern zugutekommt. Ist das wirklich gewollt?


„Die neue urbane Deutsch-Pop-Bewegung sollte stärker gefördert werden. Wie wäre es mit German, also G-POP?!“

Greta Stichert, 94,3 RS2, Musikredakteurin

Greta Stichert (Bild: © 94,3 RS2)1) Die angesagtesten Musiktrends in der Hauptstadt waren im AC Format Country-Pop (Beyonce, Dasha & Shaboozey). In den jüngeren Zielgruppen sind Afro Beats angesagt (Hits wie zum Beispiel „Move“ & „I Adore You“).

2) Was für die USA die Country Musik ist, ist für die deutschen der Deutsch-Pop Trend. Das leuchtende Beispiel in Berlin ist dafür „Wunder“ von Ayliva & Apache207. HipHop goes Pop! Deutsche-Pop à la Max Giesinger wird zum neuen Deutsch-Urban-Pop à la Ayliva.

Internationale Genre wie K-Pop gewinnen immer mehr Einfluss und werden zunehmend mainstreamiger. Deswegen feiert Superstar Bruno Mars sein Comeback mit K-Pop Icone Rosé (Blackpink). „APT.“ Wird von den 94,3 RS2 Hörern unfassbar geliebt.

3) 2024 kam niemand an Sabrina Carpenter vorbei! Miley Cyrus hat sie entdeckt, 94,3 RS2-„Queen of Pop“ Taylor Swift ließ sie als Vor-Act spielen, doch in Wahrheit steht sie seitdem sie 10 Jahre alt ist auf der Bühne und singt sich in die Herzen ihrer Fans!

4) Die neue urbane Deutsch-Pop-Bewegung sollte stärker gefördert werden. Wir brauchen mehr Aylivas die unser Herz mit schönen Pop Melodien und starken Texten erfreuen. Wie wäre es mit German, also G-POP?! Ganz nach unserem 94,3 RS2 Motto: Musik die süchtig macht! Musik die glücklich macht!


„Rhythmische Popmusik, die sich Inspiration aus früheren Dekaden holt, oder Songs covert oder sampelt wird weiterhin sehr erfolgreich sein“

David Banks, Leitung Musik Audiotainment Südwest, RPR1.

David Banks (Bild: ©RPR1)

1) Rhythmische Popsounds und Songs mit 80er Jahre typischem Sounddesign standen über alle Formate hinweg weiterhin hoch im Kurs. Auch Sample basierte Musik und Cover waren sehr erfolgreich. Handgemachte Musik junger Singer/Songwriter wie Benson Boone, Myles Smith oder Mark Ambor kam ebenfalls gut beim Hörer an und bildete einen guten Soundkontrast zum elektronischen Sound. Daneben haben wir den Aufstieg von Pop-Country erlebt – Beyonce, Dasha, Leony oder Shaboozey, sie alle haben einen für deutsche Hörer recht ungewohnten Sound geliefert, der dennoch sehr gut ankam.

Taylor Swift hat mit ihrem Folk-Pop Sound offenbar Scharen junger Musiker und Musikerinnen beeinflusst, auch diesen bislang eher weniger verbreiteten Stil hat man häufig zu hören bekommen. Vor allem im jungen Segment waren Afrobeats und Afrohouse wichtiger neuer Einfluss in der Mainstream Musik. Der Trend der Hoch-BPM Technosounds aus den Jahren 22 und 23 hat sich im CHR noch weiter fortgesetzt, wird aber vermutlich an Bedeutung verlieren

Weniger stark ausgeprägt waren sonstige Ethnosounds (Latino usw.) mit Ausnahme einzelner Künstler. Immer noch schwer tat sich deutschsprachige Popmusik. Hier war bis auf wenige Titel kaum ein Durchkommen für die Künstler. Auch sehr dancelastiger Sound war nicht mehr ganz so gefragt, wie zuletzt. In den älteren Dekaden stehen insbesondere 80er und 90er Jahre Pop und Pop-Rock Titel beim Hörer an erster Stelle.

2) Rhythmische Popmusik, die sich Inspiration aus früheren Dekaden holt, oder Songs covert oder sampelt wird weiterhin sehr erfolgreich sein. Es wird weiter zu einer leichten Verschiebung kommen und der Sound der frühen 00er Jahre noch mehr Einzug halten in der samplebasierten Popmusik. Das war im Lauf der beiden letzten Jahre schon zu merken und wird sich fortsetzen. Die elektronischen und urbanen Genres waren hier Vorreiter, der Popmusik Sektor hat nachgezogen. Auch 2025 wird Afro-basierter Sound weiter ein Thema sein, die ersten Releases der einschlägigen Produzenten zeigen das. Deutschsprachige Popmusik wird es weiterhin schwer haben, Pop-Country könnte sich als moderner Pop- bzw. Poprock Sound weiter etablieren. Folk-Pop ist für den Moment gekommen um zu bleiben

3) 2024 war, was die Entdeckung neuer Künstler angeht ein sehr erfreuliches Jahr. Gefühlt schafften deutlich mehr neue, eher unbekannte Interpreten den Sprung ins Radio, als noch in den letzten Jahren. Benson Boone, Mark Ambor und Myles Smith haben hervorragende Debuts im deutschen Radio gegeben. Chappell Roan und Gracie Abrams sind zwei vielversprechende junge Talente und bilden die Speerspitze einer ganzen Generation, junger, selbstbewusster Frauen.

Besonders beeindruckend war der Lauf von Sabrina Carpenter, die gleich mehrere Tophits binnen eines Jahres abgeliefert hat und sich als nächste potentielle Pop-Prinzessin positioniert. Bei den etablierten Künstlern war 2024 „more of the same“. Die bekannten Namen haben mit mehr oder weniger innovativem Repertoire die Charts dominiert – der frische, spannende Sound kam aber aus meiner Sicht 2024 ganz klar von der jungen Garde.

4) Musikwirtschaft und Radio, das Spannungsfeld ist ja kein ganz neues und daran wird sich auch nichts ändern. Ich bin happy über den Influx an neuen, spannenden Talenten und dem Willen auch neue Sounds in den deutschen Markt zu bringen. Mir ist bei den Release Strategien die Wichtigkeit des Streamings bewusst. Dennoch sollte den PM und A&R Kollegen der Labels klar sein, dass sich solche Releasepläne nach wie vor nicht über Radio stülpen lassen. Künstler, die alle 6-8 Wochen einen neuen Song veröffentlichen, dürfen nicht erwarten, dass diese alle gleichermaßen im Airplay berücksichtigt werden. Gebt den Songs Zeit sich zu entwickeln – das ist Nachhaltigkeit!

Ich denke im Sinne der Künstler sind Radio/Hörer Aktionen weiterhin ein wichtiges Instrument zur Promotion. Die Studie des BVMI hat zuletzt die Wichtigkeit von Radio in der potentiellen Reichweite bestätigt. Solche Deals sollten dann auch genau das sein: Deals. Aus Labelsicht die komplette Deckung oder Überdeckung der Produktionskosten eines Radiokonzertes (bei dem in der Regel. kein Umsatz generiert wird) plus umfangreiche Playlisten Deals und ggf. noch weiteres Mediavolumen als Gegenleistung zu fordern ist nicht nur nicht zeitgemäß, sondern wird nicht zur Bereitwilligkeit von Radiostationen beitragen, zukünftig auf solche Aktionen zu setzen. Radiokonzerte sind Marketing Maßnahmen für die Musik der jeweiligen Künstler – und Marketing kostet Geld.


„Einer der auffälligsten Trends 2024 war sicherlich der Bezug zu Folk und Country in den aktuellen Pophits“

Robert Morawa, BAYERN 3, Musikchef 

Robert Morawa, Bayern 3 (Bild: © BR / Clarissa Tatschner)1) und 2) Einer der auffälligsten Trends 2024 war sicherlich der Bezug zu Folk und Country in den aktuellen Pophits. Am erfolgreichsten mit „Texas Hold ‘Em“ von Beyoncé, „A Bar Song (Tipsy)“ von Shaboozey, „Austin (Boots Stop Workin‘)“ von Dasha und „Belong Together“ von Mark Ambor. Bei Leonys Hit „Simple Life“ schwingt das musikalisch auch mit. Vor einigen Jahren gab es schon mal einige wenige Hits, die Pop und Country-Flair zusammenbrachten: Lil Nas X‘ „Old Town Road“ und Blanco Browns „The Git Up“. Beide sind bis heute beliebte Hits in unserem Programm. Aber so geballt wie 2024 war es noch nicht. Social Media hat den Trend sicher befeuert.

Weiterhin funktioniert es immer wieder gut, wenn bekannte oder beim jüngeren Publikum nicht mehr bekannte Songs verwendet werden, um neue Hits zu kreieren. 2024 gab es auch wieder viele besondere, neue Hits aus den verschiedensten Genres. Oft überraschend und nicht an allgemeinen Trends hängend. Was immer schön ist, denn so bleibt die aktuelle Musik bunt und vielfältig. Zum Beispiel die Hits von Benson Boone, Chappel Roan, Rosé & Bruno Mars, Teddy Swims, Artemas, Billie Eilish, Eminem, Ayliva & Apache 207, Hugel, Sabrina Carpenter und einigen mehr. Und 2025 fängt diesbezüglich schon wieder gut an mit dem Hit „Messy“ von Lola Young.

3) Oh, da gibt es zu viele, um sie alle aufzuzählen. Aber da wären zum Beispiel die großartigen Comebacks von Eminem und Linkin Park, die wir ebenso gefeiert haben wie unser Publikum. Der Erfolg von Nina Chuba mit „Fata Morgana“ freut uns sehr. Erstaunlich war, wie Bruno Mars, als Duettpartner der tollen Künstlerinnen Lady Gaga und Rosé, Teil von zwei der weltweit größten Hits des vergangenen Jahres war.

Beeindruckend ist auch, mit wieviel Elan und Liebe unser bayerischer Superstar Leony an ihrer Musik und Karriere arbeitet. So viele Liveauftritte, so viele tolle Hits, so echt und sympathisch. Einfach toll. Wo wir schon beim Thema Musik aus Bayern sind: Es ist macht so viel Spaß zu sehen, wie viel gute Musik von bayerischen Newcomer-Acts kommt: von Badchieff, Felicia Lu, Zeck, Rubi und vielen mehr. Und natürlich ist es uns ein großes Anliegen, sie zu unterstützen.

4) Es wäre wichtig und richtig, dass verstanden wird, wo die Unterschiede zwischen Streaming, Social Media und Radio in Bezug auf neue und aktuelle Musik liegen. Und gleichzeitig ist es wichtig, die Vorteile der jeweiligen Plattformen zu erkennen. Es sollte nicht alles in einen Topf geworfen werden. Es geht um verschiedene Arten, Musik zu konsumieren und oft auch um verschiedene Zielgruppen. Und es gibt auch Unterschiede, welche Art von Songs bei welchen Ausspielwegen am schnellsten funktioniert. Und doch gibt es bei allen Plattformen Vorteile, die genutzt werden können und auch genutzt werden sollten.


Pop, Pop, Pop, gern  in Kombination mit Country-Anleihen und/oder rockigen Einschlägen waren und sind aktuell der Hit bei unseren Hörern im Ländle

Tanja Ötvös, ANTENNE VORARLBERG, Musikverantwortliche

Tanja Ötvös (Bild: Antenne Vorarlberg)1) Pop, Pop, Pop, gern  in Kombination mit Country-Anleihen und/oder rockigen Einschlägen waren und sind aktuell der Hit bei unseren Hörern im Ländle. Hier hat sicherlich Beyoncé eine Tür für nachfolgende KünstlerInnen wie Dasha geöffnet. Waren 2023 noch Pop-Dance-Titel bei unseren Hörer sehr beliebt, hat sich hier das Blatt im vergangenen Jahr gewendet. Schauen wir mal, ob diese Musikrichtung 2025 wieder Fahrt aufnimmt. Mit The Weeknd und David Guetta sind ja aktuell wieder Hochkaräter am Start.

2) Ich vermute, dass sich der Pop-Trend mehr Richtung Gitarre aktuell bei unseren Hörern fortsetzt. Aber auch gut gemachter Pop Dance wird sicherlich weiter auf begeisterte Ohren in Vorarlberg treffen. Und die Anleihen an frühere Dekaden der Popmusik werden im Bereich der Rhythmischen Titel sicherlich auch nicht weniger …

3) Abseits dessen, was im Ländle gern gehört wird, ist für mich Chapell Roan eine tolle neue, spannende Künstlerin. Ja, ich weiss, spät dran.

4) Es wäre wirklich toll, wenn Künstler in Österreich auch über Wien hinaus auf Promo Reisen gehen und den Weg zu Antenne Vorarlberg finden würden.


Wirklich große Acts gibt es kaum noch, die Anzahl an Künstlern, die noch Stadien füllen, ist an zwei Händen abzuzählen und in den letzten Jahren kam praktisch keiner mehr dazu“

Thorsten Sutter, RADIO NRW, Leiter Musikplanung und -strategie

Thorsten Sutter (Bild: © NRW Lokalradios)

1) Popmusik mit Country-Elementen war natürlich der Flavor of the year. Queen BEYONCÉ legte die Saat und Acts wie DASHA oder SHABOOZEY fuhren hierzulande die Ernte ein.

BILLIE EILISH, TATE MCRAE, SABRINA CARPENTER, CHAPELL ROAN oder GRACIE ABRAMS, um nur einige zu nennen, machten den Pop weiter weiblicher und diverser – überhaupt machten die Frauen insgesamt ziemlich Boden gut.

Der EDM-Sektor, in den vergangenen Jahren eigentlich stabiler Rotationsgarant, ließ in letzter Zeit dagegen quantitativ und qualitativ nach. Das Setzen auf tausendfach gehörte 80/90/00er Hooks mit einem Dance-Beat der Marke „Stumpf ist Trumpf“ scheint so langsam an Zugkraft zu verlieren. Ausnahmen wie „Stumblin in“ oder Guettas „Forever young“ bestätigen da eher die Regel.

Ansonsten scheinen die Ohren der Hörer auch belastbarer geworden zu sein. Ist die Hook gut, kann sie auch gern geschrien werden, wie die Beispiele BENSON BOONE oder LINKIN PARK eindrücklich zeigten.

2) Generell ist festzustellen, dass aktuelle Musik die Menschen zunehmend weniger emotional erreicht und bindet. Neue Songs brauchen immer längere Zeit, um Bekanntheit und damit einhergehend Akzeptanz zu entwickeln – ohne aber das Niveau der Vergangenheit zu erreichen. Dem läuft eine zunehmende „Nostalgisierung“ diametral entgegen – die Beliebtheit älterer Songs/Künstler/Stile steigt in unserer Beobachtung kontinuierlich an.

Gleichzeitig hat der Einfluss der Streamingdienste aber auch zu einer krassen Liberalisierung des Musikgeschmacks gerade in der jüngeren Zielgruppe geführt. Ein Blick auf die Playlist der Jugend offenbart: BEATLES nach APACHE nach CHAPPEL nach NIRVANA nach CALVIN nach KANYE – alles ist erlaubt! Die Frage ist schon lange nicht mehr „Alt oder neu“, sondern nur „Gefällt oder nicht“. Für die Musikprogrammierung im Radio Geschenk, Chance & Risiko gleichermaßen.

3) Der zumindest bei unseren Hörern gigantische Erfolg des LINKIN PARK-Comebacks ist schon bemerkenswert. Überhaupt sind die Acts der 00er bis 10er gerade ganz hoch im Kurs. EMINEM, COLDPLAY, ED SHEERAN oder LADY GAGA waren ja nie weg. Hat unser Hörer einen Künstler einmal ins Herz geschlossen, bleibt er in der Regel drin, auch wenn nicht jeder neue Song zündet.

4) Wenn man sich darauf einigen könnte, dass die Streamingdienste wie Spotify & Co die kreativen Ersteller ihres Contents auch angemessen bezahlen würden, wäre das sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Angesichts der Beteiligungsstruktur des Unternehmens scheint eine Intervention der Musikindustrie im Sinne der Künstler aber eher unwahrscheinlich. Wirklich große Acts gibt es kaum noch, die Anzahl an Künstlern, die noch Stadien füllen, ist an zwei Händen abzuzählen und in den letzten Jahren kam praktisch keiner mehr dazu. Bands werden offensichtlich auch keine mehr gegründet. Ein wenig Kulturpessimismus, was die zukünftige Entwicklung angeht, drängt sich hier tatsächlich auf.

Der Bedarf, Musiker nicht nur hör- sondern auch sichtbar zu machen (zum Beispiel durch Studiobesuche, Interviews, Sessions) ist nach wie vor groß. Hier scheint aber eine gewisse Gleichgültigkeit gerade internationaler Acts gegenüber der deutschen Musikindustrie und dem hiesigen Markt zunehmend evident.


Am beeindruckendsten ist die Aussicht, dass wohl ein sehr vielseitiges Musikjahr auf uns wartet

Andreas Schmitt, HITRADIO ANTENNE 1, Leiter Musikredaktion 

Andreas Schmitt (Bild: ANTENNE 1)1) Neben den derzeit dominierenden Dance-Pop Themen scheint sich ein neuer, internationaler Songwriter-Trend im Mainstream zu etablieren. Mark Ambor und Shaboozey bilden hier die Speerspitze.

2) In beiden oben genannten Fällen bin ich mir sicher, dass sie uns auch 2025 begleiten werden. Mittelfristig sehe ich eine Tendenz, die wieder etwas wegrückt von Produzierenden (DJ-) Künstlern mit wechselnden Stimmen, wieder hin zu besser identifikationsfähigen Künstlern, beziehungsweise Namen! Der Trend von Künstlern als Role-model (ganz vorne Bilie Eilish, Taylor Swift) wird sich, befeuert durch die sozialen Medien fortsetzen und verstärken.

3) Natürlich das fulminante Comeback von Linkin Park, aber auch die Wandlungsfähigkeit von Lady Gaga. Loi hat mich auch und besonders Live überzeugt. Leony setzt sich nicht nur mit perfektem Radio-Pop, sondern auch als Role Model gerade durch. Myles Smith frischt gerade das Songwriter-Genre wieder auf. Am beeindruckendsten ist aber wohl die Aussicht, dass wohl ein sehr vielseitiges Musikjahr auf uns wartet.

4) Generell würde ich mir wünschen, dass die Künstlerbezogenen Promotion-Tätigkeiten sich nicht ganz so sehr an Social Media orientieren. Die extreme Kurzfristigkeit und der sehr schnelle Veröffentlichungsrhythmus helfen im Radio nicht weiter, wo ein Song dann doch eine gewisse Zeit braucht sich zu etablieren. Auch bezüglich der Imagebildung der Künstler*innen ist dieses Tempo nicht immer hilfreich.

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