Der NRW-Lokalfunk gilt als eine tragende Säule der Medienlandschaft in Nordrhein-Westfalen. Mit einer einzigartigen lokalen Vielfalt erreicht er über 18 Millionen Menschen und sorgt dafür, dass regionale Themen und Nachrichten gehört werden. Doch die wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen der Lokalfunk steht, sind nicht zu übersehen. Ein aktuelles Gutachten der Goldmedia GmbH, das im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW erstellt wurde, zeigt deutlich, dass Handlungsbedarf besteht, um die Zukunft dieser wichtigen Medienstruktur zu sichern.
Wirtschaftliche Lage und Ursachen der Schwierigkeiten
Die finanzielle Situation vieler lokaler Sender in Nordrhein-Westfalen hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Eine der Hauptursachen ist die Verschiebung von Werbebudgets hin zu Online-Medien. Auch gestiegene Produktionskosten tragen dazu bei, dass lokale Radiostationen Schwierigkeiten haben, ihre Kosten zu decken. Laut dem Gutachten können ohne strukturelle Anpassungen bis 2027 keine der bestehenden Sendergruppen (Cluster) eine ausreichende Rentabilität erreichen.
Im sogenannten Status-Quo-Szenario wurde prognostiziert, dass ohne Veränderungen bei allen Clustern Rentabilitätsrisiken bestehen. Es wird davon ausgegangen, dass bei moderaten Kostensteigerungen von etwa 2 % pro Jahr und weiter sinkenden Werbeerlösen keines der neun Cluster eine EBIT-Marge von mindestens 10 % erreichen wird.
Strukturprozess und Handlungsempfehlungen
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, wurde ein umfassender Strukturprozess angestoßen. Moderiert von der Landesanstalt für Medien NRW sollen hier Lösungen entwickelt werden, die die wirtschaftliche Stabilität des gesamten Systems langfristig sichern. Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, betont den Kraftakt, den diese Veränderungen darstellen, zeigt sich jedoch optimistisch: „Wir sind sehr nah dran, die Weichen für eine wirtschaftlich stabile Zukunft des gesamten Systems zu stellen.“ (siehe auch RADIOSZENE-Interview).
Prof. Dr. Werner Schwaderlapp, Vorsitzender der Medienkommission, betont ebenfalls die Notwendigkeit dieser Reformen und verweist auf die Verantwortung der Kommission, den Prozess zu begleiten. Das Ziel ist klar: Die lokale Vielfalt des NRW-Lokalfunks soll erhalten bleiben.
Szenarien zur Stabilisierung
Das Gutachten von Goldmedia untersucht verschiedene Szenarien, wie die finanzielle Lage stabilisiert werden kann:
Basis-Szenarien
In den sogenannten Basis-Szenarien werden Kostensenkungen modelliert, um die Rentabilität zu verbessern. Zwei Hauptvarianten wurden analysiert:
- Basis-Szenario 1: Die Einhaltung von Personalkostenobergrenzen von 700.000 Euro pro Jahr, wie im Überlagerungsvertrag festgelegt. Allerdings zeigt sich, dass nur in wenigen Clustern eine Rentabilität von 10 % erreicht werden kann.
- Basis-Szenario 2: Eine weitergehende Begrenzung von Personal- und Betriebskosten auf den Medianwert der jeweiligen Senderklasse. Hier würden in mehreren Clustern zumindest knapp 10 % Rentabilität erzielt werden.
Fusionsszenarien
Noch mehr Potenzial zur Stabilisierung bieten die sogenannten Fusionsszenarien. Hierbei wird vorgeschlagen, Verbreitungsgebiete ertragsschwacher Sender mit wirtschaftlich stärkeren Gebieten zusammenzulegen. Zwei Varianten wurden untersucht:
- Fusionsszenario 1: Fusionen innerhalb bestehender Clustergrenzen, wodurch die Anzahl der Produktionseinheiten von 44 auf 26 reduziert würde. Laut Gutachten würden in diesem Szenario voraussichtlich fünf Cluster die angestrebte Rentabilität von 10 % erreichen.
- Fusionsszenario 2: Clusterübergreifende Fusionen, die die Anzahl der Produktionseinheiten auf 16 reduzieren würden. Hierbei könnten voraussichtlich elf Cluster eine ausreichende Rentabilität erzielen.
Beschlüsse der Medienkommission
In ihrer Sitzung am 13. Dezember 2024 hat die Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW die Ergebnisse des Gutachtens zur wirtschaftlichen Lage des Lokalfunksystems diskutiert und wichtige Beschlüsse gefasst. Unter anderem soll der Direktor der Landesanstalt für Medien NRW bis Frühjahr 2025 konkrete Vorschläge zu neuen Verbreitungsgebieten präsentieren. Veranstaltergemeinschaften, die die Kosteneinsparungen nicht umsetzen, müssen mit einer zwangsweisen Zusammenlegung rechnen. Zulassungsverlängerungen sollen künftig an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Sender geknüpft werden.
Fazit: Ein Kraftakt für die Zukunft des Lokalfunks
Der Strukturprozess und die vorgeschlagenen Maßnahmen sind eine Herausforderung für alle Beteiligten. Doch sie sind notwendig, um die lokale Vielfalt des NRW-Lokalfunks zu sichern. Die Landesanstalt für Medien NRW, die Medienkommission sowie die Veranstaltergemeinschaften und Betriebsgesellschaften stehen gemeinsam vor der Aufgabe, ein tragfähiges System zu schaffen. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Lokalfunk auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der regionalen Informationslandschaft bleibt.