Eine Branche wird erwachsen und professionalisiert sich – mit allen Chancen, aber auch mit Herausforderungen. So könnte ein Fazit der ersten Podcast-Konferenz So many Voices lauten. Sie wurde vom Label hauseins zusammen mit der MEDIENTAGE-Schwesterinitiative MedienNetzwerk Bayern in München veranstaltet.
Von Petra Schwegler
Passend lieferte Azadê Peşmen bei So many Voices eine Keynote über faire Bezahlung und anständige Arbeitsbedingungen, die einer etablierten Branche gut zu Gesicht stehen würden. Die Co-Gründer:in von Qzeng Productions und Gründer:in von rabbithole media berichtete von Tagessätzen und Moderationshonoraren in einer Spannweite zwischen 50 und 1000 Euro pro Tag, wenn freischaffende Podcaster:innen Auftragsproduktionen annehmen.
Peşmen, die seit dem Volontariat beim Deutschlandfunk aus Brasilien, der Türkei oder dem Irak über Sicherheits- und Außenpolitik berichtet und Storytelling-Podcasts wie „Deso – der Rapper, der zum IS ging“ oder den täglichen Nachrichtenpodcast „Was jetzt?“ hostet, plädierte dafür, eine Art deutsche Variante der Podcast-Community AIR ins Leben zu rufen. Das Ziel: ein „Code of Fairness“.
Vergleichbare branchenweite Richtlinien seien angesagt. Peşmen: „Ich glaube, dass 50 Euro Tagessatz für einen Podcast nicht umsetzbar sind, wenn man Standards für die Produktion einhalten möchte.“ Recherche koste Geld; in Vorleistung zu gehen, könnten sich nur wenige Hosts leisten, so Peşmen weiter und warnte davor, dass manche Töne in der Branche dann gar nicht mehr stattfinden könnten. „Es gilt zu verhindern, dass die Podcast-Branche ein Boys Club wird, bei dem in die Echokammern reingeschrien wird“, betonte die Podcaster:in bei So many Voices. In Zeiten des sinkenden Vertrauens in Öffentlich-Rechtliche könne es sich die Gesellschaft nicht leisten, nur wenige Perspektiven abzubilden.
Packendes braucht viel Power
Bei verschiedenen Sessions der Podcast-Konferenz wurde deutlich, wie aufwändig und kostenintensiv eine hochkarätige Reihe produziert und warum eine Produktion solide finanziert sein muss. Es braucht viel Zeit, viel Personal, viele Feedbackschleifen. Komponist Joscha Grunewald und Podcast-Producerin Militsa Tekelieva von Pool Artists etwa gaben Einblicke ins Zusammenspiel zwischen Producer:innen und Komponist:innen, um hochkarätige Storytelling-Podcasts wie „Deutsche Geister“ zu kreieren.
Sie hoben hervor, wie wichtig es sei, Geschichten mit vielen O-Tönen ein klares Skript zu verpassen, Marker zu setzen für O-Töne, Musik, Pausen oder auch Trenner und Werbespots. Ihr Tipp: Postproduktion und Redaktion müssten sich gut verstehen und wissen, was gefragt ist und was gemacht werden kann. Und: „Im Storytelling-Podcast erzählt die Musik mit“, erklärte Joscha Grunewald. Sie muss schubsen, „manipulieren“. Der (finanzielle) Aufwand lohne allemal.
Der Wert des Storyboards
Apropos viel Zeit und Aufwand: Ein gut produzierter Storytelling-Podcast braucht ein Storyboard fürs Skript! Das Wie veranschaulichten Till Ottlitz, der das BR StoryTeam leitet und als Redakteur Podcast-Serien wie „Telephobia“ oder „Wild Wild Web“ begleitet, und André Dér-Hörmeyer, der als Co-Host, Autor und Regisseur des BR-Podcasts “Wild Wild Web“ wirkt.
Die Ausgangslage: Viele Protagonist:innen, Handlungsstränge, offene Fragen und Infos machen den Überblick beim Erzählen komplexer Stories schwer. Für das BR StoryTeam hat sich das Storyboard als Gamechanger herausgestellt. Alles was man braucht, sind ein paar bunte Zettel oder ein Miro-Board – wie die Session bei So many Voices bewies.
Podcast-Geschichten mit vielen Folgen leben von Wendepunkten. „Uns hilft es, sie auf Post-its zu schreiben. Minimum für eine Folge sollten zwei bis drei Wendepunkte sein“, schätzte Ottlitz, der Storytelling und Podcasting an der Deutschen Journalistenschule unterrichtet. Sein BR-Team sitzt schon mal einen ganzen Tag an einem Storyboard einer Podcast-Serie, zwei Stunden pro Folge sind der Normalfall. Danach sei es oft ganz einfach, den Erzählsatz für die geplante Produktion auszufüllen. Denn: „Story schlägt Thema“, so Ottlitz.
Andere Meinungen dazu waren bei der Konferenz zu hören; Podcaster und Branchenkritiker Sandro Schröder bemängelte: „In der Branche gibt es eine Art Wettlauf nach Nähe und persönlichen Geschichten.“ Das gefährde zum einen die journalistische Neutralität. Zum anderen könne es passieren, dass man das Vertrauen der Protagonist:innen für eine gute Geschichte ausnutze und verletze. Gerade im investigativen Storytelling sei es daher wichtig, sensibel vorzugehen, Vertrauen aufzubauen und gleichzeitig die journalistischen Standards aufrechtzuerhalten, so Schröder.
Am Anfang: die Aufnahme
Tipps und Tricks für hochwertige Podcasts gab es bei So many Voices aus den Reihen der Münchner Ikone Audio Productions. Es galt zu demonstrieren, wie durch niedrigschwellige Aufnahme-Techniken und Budget-Lösungen der Sound eines Podcasts professionalisiert werden kann.
Klar wurde: Schon wenig reicht, um akzeptabel zu produzieren. Voraussetzung sei, den Raum, das Setup und den Gast zu kennen, wie Audio Engineer Leonhard Gillhaus erklärte. Und: „Das Vorgespräch ist der Schlüssel zu wenig Fehlern“, fügte Niklas Gramann, Journalist und bei Ikone im Einsatz bei Ton und Regie, hinzu.
Bereits bei rund 200 Euro Technik-Budget, so wurde in dem Workshop deutlich, kann eine Produktion glänzen. Hinzu kamen Tipps, sollte der Podcast extern geschnitten werden. Leonhard Gillhaus riet: „Schnittraum lassen.“ Wenig Effekte oder Plugins sollten vorgenommen werden, möglichst rohe Audio-Dateien und separate Spuren für jedes Mikro geliefert werden. Für sein Team bei Ikone kann es dann ganz leicht sein, das Rauschen zu entfernen, die Lautstärke zu komprimieren und anzugleichen. Der Einsatz von KI-Tools könne zusätzlich unterstützen, berichteten Gillhaus und Gramann.
Apropos KI-Tools: Etabliert hat sich bei Podcaster:innen inzwischen Auphonic, wenn Künstliche Intelligenz für eine Produktion zum Einsatz kommen soll. Die automatische Audio Post Production lässt Mundgeräusche beim Denoising herausrechnen; ein „Ähem!“ kann verschwinden, wie Auphonic-Manager Christoph Grasser bei der Podcast-Konferenz demonstrierte.
Wo die Kohle herkommt
Rund ums Geldverdienen mit Podcasts gab es bei der Münchner Konferenz viel zu hören. Rechnen kann es sich für journalistische Produktionen und freischaffende Podcaster:innen, wenn sie den Weg über Crowdfunding-Plattformen wie Steady suchen. Unterstützer:innen schließen bei diesen Dienstleistern, die unter anderem unabhängige journalistische Angebote tragen, Monats- oder Jahresabos ab. Podcaster können so langfristig planen. Bei Steady präsent sind auch Podcasts der hauseins-Gründerinnen Susanne Klingner und Katrin Rönicke.
Daneben ist in der Mischfinanzierung Werbung in Podcasts ein großes Thema. Seven.One Audio und Podigee vertieften bei So many Voices, wie ihr Premium Audio-Netzwerk eingesetzt werden kann. Es wurde vor rund eineinhalb Jahren für die Vermarktung des Hörgenres neben den bewährten Host Reads eingerichtet – für Producer-Reads. Die von Drittstimmen gesprochenen Spots mit 20 bis 25 Sekunden Länge ähneln klassischen Radiospots, unterscheiden sich in der Tonalität allerdings von den oft schrillen „Schweinebauch-Kampagnen“ im Hörfunk.
Laut Karin Kessler, Vice President Content & Strategy bei Seven.One Audio, ist eine derartige Podcast-Vermarktung sinnvoll ab 10.000 Abrufen im Monat, aber für kleinere Nischenpodcasts mit interessanter Zielgruppe durchaus möglich. Kessler: „Wir prüfen jede Einreichung.“ Die Podcasts werden für Sales gebündelt, also nach Kriterien wie Genre, Zielgruppe, Alter, Region, etc. für den Mediamarkt zugeschnitten.
Pro Folge können Hosts in ihrer Produktion ein bis drei AdMarker setzen als Kennzeichen für den Vermarkter, dort Werbung platzieren zu können. Daneben können einzelne Folgen auch komplett aus der Vermarktung genommen werden, wie Maraike Roncal von Podigee ergänzte. Schlecht kommen Podcaster:innen beim Premium Audio-Netzwerk nicht weg: Wird Werbung geschaltet, dann gehen mehr als zwei Drittel des Umsatzes an die Hosts.
Quelle: MEDIENTAGE MÜNCHEN-Blog