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Medientage-Gipfel: „Wie wirklich ist die KI-Wirklichkeit?“

Was ist echt und was ist wirklich? Was ist real und was ist wahr?

Und wie verändern synthetische Medienprodukte der sogenannten Künstlichen Intelligenz (KI) unsere Wahrnehmung, die öffentliche Meinung und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse? Zum Auftakt der 38. MEDIENTAGE MÜNCHEN diskutierten Vertreter:innen aus den Bereichen Medien, Wirtschaft und Politik – darunter der Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder – darüber, was getan werden muss, um Desinformation, Destabilisierung und die Diskreditierung von Demokratie und Journalismus zu verhindern.

Dr. Thorsten Schmiege (Bild: © Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN)
Dr. Thorsten Schmiege (Bild: © Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN)

„Wahr oder falsch? Das ist heute immer weniger erkennbar“, sagte Dr. Thorsten Schmiege. Er verwies darauf, dass KI-Programme Texte „perfekt inszenieren“ und Videos so produzieren könnten, dass selbst Profis Mühe hätten, dies zu erkennen. Der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und Vorsitzende der Gesellschafterversammlung der Medien.Bayern GmbH betonte, dass sich „die Realität, die wir kennen“, zunehmend mit einer künstlich erzeugten Wirklichkeit vermische. Halbwahrheiten, Hass und Hetze könnten zu Radikalisierung, Polarisierung und Extremismus führen.

Dem müssten die Medien mit Verantwortung, Vielfalt und Vertrauen entgegenwirken. Die zentrale Herausforderung sei, rechtliche, technische und ethische Fragen der KI zu bewältigen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit des Mediensektors zu schwächen. Ein neues KI-Kompetenzzentrum für Medienunternehmen (KI.M) in Bayern werde sich mit konkreten anwendungsbezogenen und regulatorischen Fragen beschäftigen, kündigte Schmiege an.

KI und die Veränderung der Wirklichkeit

Henry Ajder, KI-Experte und Gründer der Beratungsfirma Latent Space Advisory, veranschaulichte in seiner Keynote, wie synthetische, KI-generierte Medieninhalte unsere Wirklichkeit verändern. Der Leiter des Programms „Generative AI in Business“ an der University of Cambridge sprach von „neuen, synthetischen Landschaften“, die unsere Wahrnehmung prägen könnten. Generative KI sei effizient, leicht anwendbar und werde sich schnell verbreiten.

Henry Ajder (Bild: © Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN)
Henry Ajder (Bild: © Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN)

Der Fortschritt sei „schwindelerregend“ und löse eine „Geschäfts- und Produktivitätsrevolution“ aus, die aber auch Gefahren berge. Besonders warnte Ajder vor Deepfakes – realistisch wirkenden KI-Medieninhalten, die die Realität verfälschen oder synthetische Wirklichkeiten erzeugen könnten. Solche Inhalte könnten Börsenkurse ebenso wie Wahlergebnisse beeinflussen. Diese „Dividende des Lügners“ müsse mit Vertrauen und Authentizität bekämpft werden.

Söder zur Zukunft der Medien und KI

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder betonte, dass KI schnell Veränderungen für Medien und Gesellschaft bringen werde. Er forderte, „neue Felder der Kommunikation nicht den Extremen zu überlassen“. Besorgt äußerte sich Söder über die Verbreitung von Unwahrheiten per Telegram und in unzähligen WhatsApp-Gruppen, die in „exklusiven, sektenartigen Blasen“ das Meinungsklima veränderten, ohne öffentlich messbar zu sein. Hier seien neue Formen der Regulierung erforderlich.

Eva Schulz und Markus Söder (Bild: © Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN)
Eva Schulz und Markus Söder (Bild: © Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN)

Markus Söder gegen Beitragserhöhung

Im Kontext der Debatte über die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sprach sich Söder gegen eine Beitragserhöhung, aber für Sparprogramme und neue Strukturen aus. So müsse etwa die Zahl der öffentlich-rechtlichen Hörfunk- und TV-Spartenprogramme reduziert, die Kosten für Sportrechte gedeckelt und der Overhead verringert werden. Außerdem plädierte Söder für eine gemeinsame Streaming-Plattform von öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen Anbietern, um eine eigene „Struktur“ im Wettbewerb mit internationalen Anbietern zu schaffen. Bezüglich presseähnlicher Texte unterstützte er die Forderung der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, dass ARD und ZDF ihre Online-Textanteile reduzieren sollten, um die wirtschaftliche Lage der Verlage zu verbessern.

Diskussion über das Mediensystem

In der anschließenden Diskussion schlug Markus Breitenecker, Vorstandsmitglied der ProSiebenSat.1 Media SE, vor, das duale Rundfunksystem zu einem „Kooperationssystem“ weiterzuentwickeln, das auch einen „Content-Austausch“ ermögliche. Eine gemeinsame Streaming-Super-Plattform lehnte er jedoch ab und erhielt dabei Zustimmung von Dr. Katja Wildermuth, Intendantin des Bayerischen Rundfunks. Sie äußerte Zweifel, ob eine solche Plattform im Wettbewerb gegen große Online-Konzerne helfen könne. Wichtiger sei es, dass alle Anbieter in einer „vielfältigen Qualitätsmedienlandschaft“ klar identifizierbare Profile erhielten. Im Kampf gegen Desinformation sei es zudem wichtig, vor Ort zu recherchieren, mit dem Publikum in Kontakt zu treten und Medienkompetenz zu vermitteln.

Medienlandschaft in den USA

Per Live-Video-Schaltung berichtete Rieke Havertz, Korrespondentin bei Zeit online, über die Herausforderungen, mit Menschen in den USA journalistisch ins Gespräch zu kommen. Besonders Trump-Anhänger zeigten eine große Skepsis gegenüber klassischen Medien. Klaus Brinkbäumer, der gemeinsam mit Havertz den Podcast „OK, America?“ moderiert, bestätigte die starke politische Polarisierung in den USA. Obwohl KI im Wahlkampf kein zentrales Thema sei, trage sie dennoch zu vielen Wahlkampfinhalten bei. Havertz erinnerte an Fake-Bilder, die vor allem von den Republikanern über Trumps Netzwerk Truth Social verbreitet würden.

Schlussfolgerung: Vertrauen und Vielfalt

Söder betonte, CDU und CSU hätten sich im Wahlkampf dazu verpflichtet, keine durch KI verfälschten Inhalte zu verwenden. Die Werbebranche, so Esther Busch, Board Member der Serviceplan Gruppe, habe hingegen größere Freiräume im Umgang mit KI. Dennoch müsse auch hier Vertrauen eine zentrale Rolle spielen.

Eva Schulz, Philipp Welte, Dr. Katja Widermuth und Markus Breitenecker (Bild: © Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN)
Eva Schulz, Philipp Welte, Dr. Katja Widermuth und Markus Breitenecker (Bild: © Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN)

Klaus Brinkbäumer riet dem Journalismus, weiterhin auf Sorgfalt, Recherche und Vertrauen zu setzen. Philipp Welte, Vorstandsmitglied des Medienverbands der freien Presse, zeigte sich angesichts der aktuellen Medienentwicklungen „ernsthaft besorgt“. Rund 70 Prozent der Bevölkerung hielten den Staat und die Demokratie für überfordert. Die „demokratische Mitte“ werde immer schmaler, warnte der Vorstand von Hubert Burda Media.

Philipp Welte betonte, die freie Presse in Deutschland befinde sich in einer schwierigen Lage, da sie zwischen den großen Online-Plattformen aus den USA und China sowie dem finanziell gut ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem eingeklemmt sei. Daher müssten für presseähnliche Texte im Online-Angebot von ARD und ZDF klare Restriktionen gelten. Dr. Katja Wildermuth entgegnete, dass öffentlich-rechtliche Online-Inhalte überwiegend aus Audio- und Video-Beiträgen bestünden und es daher keine „textlastigen“ Angebote gäbe.

Markus Breitenecker lobte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und betonte die Wichtigkeit eines vielfältigen Mediensystems. ProSiebenSat.1 setze ebenfalls verstärkt auf Informationen, nicht nur im TV, sondern auch im Streaming-Bereich.

Quelle: MEDIENTAGE MÜNCHEN 2024

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