Die Landtagsfraktion der CDU Niedersachsen hatte im Mai 2024 eine unzureichende Versorgung bei den regionalen Inhalten des Norddeutschen Rundfunk (NDR) bemängelt. Zu diesem Vorwurf hatte der Unterausschuss Medien des Niedersächsischen Landtags am 4. September Vertreter der öffentlich-rechtlichen und privaten Medien zu einer Anhörung eingeladen. Heute (02.10.) ist der Ausschuss über die Reform des Medienstaatsvertrages unterrichtet worden. RADIOSZENE gelangte an zwei von sechs Stellungnahmen, die während der öffentlichen Sitzung vorgetragen wurden.
Die Sicht der CDU
Niedersachsen steht bei der Versorgung mit regionalen Inhalten mit öffentlich-rechtlichen Angeboten schlechter da als alle anderen Bundesländer, bemängelt die CDU und vergleicht das 8 Mio. Einwohner zählende Bundesland mit Bayern mit 13 Mio. und NRW mit 18 Mio. Einwohnern. Die aktuelle Debatte um die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks will die CDU nutzen, um ein besseres Angebot für Niedersachen durchzusetzen und droht mit der Kündigung des Staatsvertrags mit dem NDR. Eine Änderung über die Rundfunkkommission der Länder strebt die Fraktion nicht an, weil dort eine Einstimmigkeit bei der Abstimmung nötig ist. Die drei weiteren Staatsvertragsländer müssten gegen ihre Interessen stimmen, was vermutlich nicht erfolgen wird.
Die CDU fordert, dass die Rundfunkkommission der Länder Vereinbarungen nur für bundesweite Angebote trifft und die Versorgung des Landes mit Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Bundesländer in eigener Verantwortung regeln. Die Rundfunkkommission der Länder hat im September 2024 beschlossen, dass die ARD-Anstalten bis zu 20 Hörfunk- und 5 Fernsehprogramme einstellen. Welche Programme eingestellt werden sollen, bleibt den Anstalten selbst überlassen. Eine zweiwöchige öffentliche Anhörung zu diese Prozess erfolgt derzeit im Internet.
Die CDU lehnt eine Querfinanzierung anderer ARD-Anstalten ab. Der NDR soll von 2025 bis 2028 Ausgleichszahlungen in Höhe von 83,57 Mio. Euro an Radio Bremen leisten, der SWR 86,06 Mio. Euro an den Saarländischen Rundfunk (SR) und der WDR 142,63 Mio. Euro an Radio Bremen und den SR. Die Anstalten BR, HR, MDR und RBB zahlen zu wenig in den Finanzausgleich der Rundfunkanstalten ein. Überproportional beteiligen sich an dem Finanzausgleich der SWR mit 5,59 Mio., der NDR mit 6,07 Mio. und der WDR 49,81 Mio. Euro. Die Rundfunkbeitragszahler u.a. aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen finanzieren die Existenz kleiner Anstalten, die aufgrund zu geringer Rundfunkbeitragseinnahmen in ihrem Aufgabengebiet sich ihr Programmangebot nicht leisten könnten. Somit stützt der NDR mit den Ausgleichzahlung seinen direkten Wettbewerber, denn die Programme von Radio Bremen sind in Teilen des Verbreitungsgebiets des NDR gut zu empfangen.
Die CDU bemängelt, dass der NDR Niedersachsen mit einem Mindestangebot versorgt und das Produktionsvolumen erhöht werden sollte. Die Berichterstattung aus den verschiedenen Regionen Niedersachsens falle zu gering aus. In Niedersachsen gibt es fünf Regionalstudios und eine Redaktion in Hannover, zu wenig im Verhältnis zu den vier Studios in Mecklenburg-Vorpommern und den fünf in Schleswig-Holstein. Die Regionalisierung erfolgt im Hörfunk nur auf NDR 1 Niedersachsen. Als Positivbeispiel gilt für die CDU Nordrhein-Westfalen mit Regionalnachrichten auf WDR 2 aus acht Studios und auf WDR 4 aus sieben Studios, sowie elf regionalen Fenstern im WDR-Fernsehen. Der Hessischer Rundfunk produziert Regionalnachrichten in fünf Studios für seine drei Wellen hr1, hr3 und hr4.
Niedersachen ist mit 8,1 Mio. Einwohnern das größte Staatsvertragsland, in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein wohnen 6,5 Mio. Menschen. Die CDU stört, dass Niedersachsen als ein von vier gleichberechtigten Vertragsländern angesehen wird und fordert eine größere Rolle bei der Aufgabenerfüllung.
Die Sicht des NDR
Auf hohe Zustimmungswerte für den NDR verweist NDR-Intendant Joachim Knuth. Gemeinsam mit Andrea Lütke, Direktorin des NDR-Landesfunkhauses Niedersachsen vertraten beide die Anstalt während der Anhörung. Der Aussage der NDR ist „regional“ und „informativ“ stimmten 88 % der Befragten Niedersachsen im Jahr 2023 zu.
Knuth und Lütke präsentierten Zahlen aus dem Wirtschaftsplan, wonach der Personalaufwand und die Sachaufwendungen im Landesfunkhaus Niedersachsen 61,8 Mio. Euro betragen, in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein liegen diese bei 41 Mio. und in Hamburg bei 21,7 Mio. Der NDR unterhält neben dem Landesfunkhaus in Hannover fünf Regionalstudios und fünf Korrespondentenbüros in Niedersachsen. In den Regionalstudios arbeiten 43 festangestellte Mitarbeiter, davon zwanzig im größten Studio in Oldenburg und den dazugehörenden Korrespondentenbüros. Im zweitgrößten Staatsvertragsland Schleswig-Holstein arbeiten in allen externen Regionalstudios insgesamt 19 Mitarbeiter. In Niedersachsen beschäftigt der NDR 508 Festangestellte, doppelt so viele wie in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern. Im Bereich Orchester, Chor & Konzerte sind es 94 Mitarbeiter, davon 86 Musiker*innen, die jährlich über 100 Konzerten in Niedersachsen spielen.
NDR 1 Niedersachsen ist seit über 30 Jahren Marktführer und mit mehr als einer Million Hörerinnen und Hören, die täglich einschalten, das meistgehörte Radioprogramm im Land (Media-Analyse 2024 Audio II).
Die Dauer der regionalen Auseinanderschaltung liegt in Niedersachsen bei 25.100 Minuten, in Schleswig-Holstein sind es 16.315 Minuten und in Mecklenburg-Vorpommern 15.686 Minuten.
In Hannover wird neben dem Landesprogramm NDR 1 Niedersachsen auch das digitale Spartenprogramm NDR Schlager produziert.
Fürs Fernsehen wurden im Jahr 2023 in Niedersachsen 53.463, in Schleswig-Holstein 38.153 und in Mecklenburg-Vorpommern 38.079 Sendeminuten produziert. Auch die Hauptnachrichtensendung „NDR Info 21:45“ kommt aus Hannover. In Niedersachsen entstehen die Tatort-Folgen mit Maria Furtwängler als Hauptkommissarin Charlotte Lindholm und auch Wotan Wilke Möhring ermittelt als Hauptkommissar Thorsten Falke in seinen Fällen häufig in Niedersachsen. Seit knapp 18 Jahren produziert der NDR die ARD-Telenovela „Rote Rosen“ in Lüneburg. Knuth zählt zahlreiche weitere Produktionen für die ARD, das „NDR Fernsehen“ und crossmedial Ausspielwege auf. Um noch mehr junge Menschen zu erreichen, wird die Anzahl der Mitarbeiter im Onlinebereich der Studios auf sechs verdoppelt – noch mehr Inhalte sollen „online first“ publiziert werden.
Der NDR kooperiert mit regionalen Verlegern. Die Veranstaltungsreihe „Politik vor Ort“ wird von der Madsack Verlagsgesellschaft zuerst auf rnd.de und 17 Regionalportalen ausgespielt und erst Zeitversetzt im „NDR Fernsehen“ gezeigt.
Die Anzahl der Regionalvolontariate wurden beim NDR in diesem Jahr von vier auf acht verdoppelt, weitere 10 Volontäre bildet der NDR für den übergreifenden Programmbereich aus. An der „ARD.ZDF medienakademie“ erfolgt die Volontärausbildung für beide Anstalten. Ihre Standorte sind Hannover und Nürnberg.
Die CDU bemängelte zu wenige lineare Ausspielwege für die zahlreichen Inhalte des NDR. Stärkere Regionalisierung können jedoch nur die Politiker schaffen, mit einer Beauftragung durch gesetzliche Regelungen, die jedoch private Programmveranstalter fürchten.
Radio 21
Für besten Rock und Pop steht in Niedersachsen Radio 21, das dritte landesweite Privatradio, das beim Start im Jahr 2000 nur viele leistungsschwache Frequenzen erhielt und sich dem Wettbewerb etablierter öffentlich-rechtlicher und privater Sender stellte. Eine Gesetzänderung ermöglichte dem landesweiten Sender die Lokalisierung aller Inhalte. Die Auseinanderschaltung von 26 Frequenzen verhilft Radio 21 zur wirtschaftlichen Rentabilität. Im frequenztechnischen „Flickenteppich“ fand der Sender seine Marktlücke, startete eine Programm-Offensive für lokale Inhalte wie lokale Nachrichten, Wetter und Verkehr-Services, Beiträge zu Themen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport, sagt Steffen Müller, geschäftsführender Gesellschafter von Radio 21. Durch diese Inhalte-Offensive wuchs die Akzeptanz des Programms bei Hörern und Werbetreibenden. Der konsequente Ausbau dieser Strategie führte zu einer Verdreifachung der Mitarbeiter in Redaktion und Vertrieb.
Dem NDR sollte nur ein regionalisiertes Landesprogramm ermöglicht werden, meint Müller und beruft sich auf den NDR-Staatsvertrag, der die gleichwertige Behandlung aller Regionen vorschreibt. Die Stärkung der regionalen Berichterstattung müsste dann im gesamten NDR-Verbreitungsgebiet erfolgen und nicht nur in Niedersachsen. Bei einer Ausweitung der regionalen Berichterstattung durch den NDR sieht Müller die Existenz der landesweiten und lokalen Privatsender bedroht, die sich gegen das Überangebot von digitalen nationalen Programmen nur durch regionale und lokale wie auch landesbezogene Inhalte abheben können.
An der Anhörung nahmen auch Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk, des Verband Nordwestdeutscher Zeitungsverlage e.V., der TELLUX Beteiligungsgesellschaft und VAUNET – Verband Privater Medien. Die Anhörung war öffentlich, wurde jedoch nicht gestreamt, weil es in Niedersachsen unüblich ist, auch Sitzungen der Ausschüsse zu übertragen. Anders sieht es in Nordrhein-Westfalen aus, hier wurde die Anhörung zur „Lokalradiolandschaft NRW“ live übertragen und die Liste der Sachverständigen veröffentlicht.