Vor 100 Jahren startete in Breslau die „Schlesische Funkstunde“. Ein deutschsprachiges Radioprogramm und deshalb aus Sicht der polnischen Landesmedienanstalt KRRiT kein Grund zu feiern. Das öffentlich-rechtliche Radio Wrocław feierte trotzdem 100-jähriges Bestehen des Rundfunks in ihrer Region. KRRiT skandalisiert die Feierlichkeiten und fordert die Verantwortlichen auf, sich bei allen Polen zu entschuldigen.
100 Jahre sind vergangen, seit dem in Niederschlesien ein Radiosignal ausgestrahlt wurde, sagt Miłosz Wałkowiecki von Radio Wrocław. Auf dem Salzmarkt in Wrocław – dem ehemaligen Breslau – produzierte Radio Wrocław in einem gläsernen Studio 24-Stunden lang ein gemeinsames Programm für seine drei Programme (Radio Wrocław, Radio Wrocław Kultura, Radio RAM). Höreraktionen rundeten die Feierlichkeiten ab. Bis 1945 war Breslau deutsch. Auf der Konferenz von Jalta haben die Alliierten beschlossen diese Gebiete an Polen abzutreten. Polen verlor gleichzeitig Gebiete im Osten an die Sowjetunion.
Die „Schlesische Funkstunde“ ging am 26. Mai 1924 auf Sendung. Nur wenig hat das damalige Privatradio mit dem öffentlich-rechtlichen Radio Wrocław gemeinsam – andere Sprache, anderes Land, andere Geschichtsschreibung. Nur ihr Funkhaus an der Aleja Karkonoska, der früheren Julius-Schottländer-Straße verbindet beide Sender. Der polnische Rundfunk übernahm die Studios 1946.
Die KRRiT kritisiert die Teilnahme des polnischen Radiosenders an den Feierlichkeiten zum Gründungsjubiläum dieses deutschen Radiosenders. Für den Marktregulierer ist es ein Beweis für Gedankenlosigkeit. Die Feierlichkeiten suggerieren, dass Radio Wrocław eine Fortsetzung dieses deutschen Radiosenders sei. Die „Schlesische Funkstunde“ wurde 1932 in den Reichssender Breslau umgewandelt, „ein Propaganda-Sprachrohr des deutschen Völkermordsystems“. Während der Herrschaft Adolf Hitlers war der Radiosender ein Propagandainstrument von Joseph Goebbels, dessen Amt er direkt unterstellt war, erinnert die KRRiT. Radio Wrocław habe sich dem deutschen Einfluss in Polen gebeugt, die gemeinsame Geschichte der Polen missachtet und den polnischen Rundfunk in Misskredit gebracht, lautet der Vorwurf. Radio Wrocław soll sich bei den Polen für die Feier eines deutschen Jubiläums entschuldigen, fordern vier von fünf Mitgliedern des KRRiT-Rats, die ihr Amt der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und dem parteilosen aber PiS-zugeneigten Präsidenten Andrzej Duda verdanken.
Der Insolvenzverwalter von Radio Wrocław, Tomasz Duda, sagte der polnischen Presseagentur PAP, dass der KRRiT-Rat die Absicht der Veranstaltung nicht verstanden hätte – sie bezog sich auf den hundertsten Jahrestag der Ausstrahlung des ersten Radiosignals in dieser Stadt. Radio Wrocław nutzte den Anlass, um seine Programme den Hörern vorzustellen. Mehreren Tausend Menschen besuchten die sehr erfolgreiche Werbeveranstaltung.
Das landesweite Polskie Radio führte die erste Testausstrahlung am 1. Februar 1925. Den offiziellen Start gab es erst am 18. August 1925, damals noch als eine GmbH mit einem Monopol auf Rundfunkausstrahlung. Wie kann es also sein, dass Radio Wrocław das 100-jährige Bestehen des Rundfunks auf dem heutigen Gebiet Polens feiert, bevor in Polen offiziell Rundfunk gestartet ist. Ein Dilemma, das nicht aufgelöst wird, solange eine zentralistische Geschichtsschreibung diktiert und die eigene Geschichte der „Wiedergewonnen Gebiete“ – wie die ehemaligen deutschen Ostgebiete in Polen bezeichnet werden – von „Warschau“ nicht akzeptiert wird.
Die Netzgemeinde verspottet die KRRiT: Wer den deutschen Einfluss auf die polnischen Städte tilgen will, muss anfangen die von den Deutschen erbauten Gebäude abzureißen. Die KRRiT erinnert an die Entstehung von Radio Wrocław im Jahr 1946. Ebenfalls ein fragwürdiges Datum, denn damals nutzten Kommunisten das staatliche Radio Wrocław zu ihren Propagandazwecken. Die nationalkonservativen Polen vertreten den Standpunkt, dass Polen erst frei wird, wenn die PiS gewinnt. Auch während der achtjährigen PiS-Regierungszeit nutze ihr Vorsitzender Jarosław Kaczyński seine martialische Rhetorik: „Wenn wir gewinnen, wird es freies Polen geben“.
In der Rangliste der Pressefreiheit der Reporter ohne Grenzen verschlechtere Polen seine Position vom 18 Platz im Wahljahr 2015 auf den 66 Platz im Jahr 2022 – der zweiten Amtszeit der PiS-Regierung.
European Heritage Days
Am 15. September 2024 bietet Radio Wrocław von 10 bis 14 Uhr Führungen durch sein Radiomuseum an. Gezeigt werden Schätzen aus der Vorkriegszeit und auch die ersten in Niederschlesien hergestellten polnischen Empfänger. Im historischen Tonstudio werden Archivaufnahmen aus dieser Zeit vorgespielt werden.
Quelle: Pressemeldung der KRRiT