Krieg der Systeme

bitter lemmer kleinIntendantin des WDR wird nur, wer mit allen Wassern gewaschen ist. Wie Monika Piel. Die Frontfrau der größten ARD-Anstalt ist eine der mächtigsten Gestalten des öffentlich-rechtlichen Systems. Zu ihren Stärken gehört das Kungeln und Paktieren. Sie steht immer auf der Seite der Mächtigen. Ihr Verhältnis zu Ex-NRW-Regierungschef Jürgen Rüttgers haben manche Leute als freundschaftlich beschrieben. Mit Hannelore Kraft kommt sie offenbar ebensogut aus. Dass Monika Piel sich in einem Interview verquatscht, wenn sie davon redet, die ARD wolle künftig kostenpflichtige Inhalte anbieten oder neue Verbreitungswege erschließen, darf man getrost ausschließen.

Nichts anderes hat sie nämlich in ihrem Interviewreigen zum Amtsantritt als ARD-Chefin gesagt, als sie der Süddeutschen, dem Handelsblatt und dem Tagesspiegel erklärte, die Tagesschau-App könne durchaus kostenpflichtig werden, sofern denn auch die Zeitungsverleger ihre Lese-Apps gegen Geld verkaufen. Damit die Botschaft auch wirklich rüberkommt, wettert sie gegen die angebliche „Kostenloskultur“ im Web.

Eine zusätzliche Geldquelle ist nicht alles, was Frau Piel sich strategisch so wünscht. Den Verlegern bietet sie listig an, ARD-Inhalte auf gemeinsamen Plattformen unters Volk zu bringen, vermutlich in der Art, wie der WDR das schon mit der von dem SPD-Politiker Bodo Hombach geführten WAZ treibt. Das bedeutet nicht anderes als die Schaffung zusätzlicher Ausspielkanäle in einem Syndication-Modell.

Und schließlich der dritte Kerngedanke, den die ARD-Chefin preisgibt: Sie wünscht sich ein Kartell, angeführt von der ARD, in dem sich Staatsfunker und Verleger gegen den Rest der Medien- und Netzwelt zusammenschließen. Google und Apple schmäht sie als „multinationale Konzerne“, für die Etatisten in den Staatsfunkbüros vermutlich eines der schlimmsten denkbaren Schimpfworte. Über geltendes Recht setzt sie sich souverän hinweg, was nicht weiter wundert, wenn man nur zu der Erkenntnis bereit ist, dass die ARD ohnehin über dem Recht steht und ihre Privilegierung über andere Medienunternehmen für eine gottgegebene Selbstverständlichkeit hält.

Was Frau Piel hier ankündigt ist der Kampf um die Macht über alles Mediengeschehen in Deutschland. Keine Plattform ohne ARD-Inhalte, ohne ARD-Kommentare, ohne ARD-Filter. Angesichts der Verschnarchtheit der Verleger und privaten Rundfunkanbieter könnte sie damit erfolgreich sein. Da kooperiert Pro7 beim European Song Contest mit der ARD, statt sie zu bekämpfen. Da promoten die TV-Redaktionen der Tageszeitungen reihenweise öffentlich-rechtliche Sendungen und ihre Protagonisten. Da holt die Bild-Zeitung für ihre Gala „Ein Herz für Kinder“ das ZDF als Mitveranstalter ins Boot. Natürlich, was sollten sie auch sonst machen, so viel Reichweite und so viel Macht hat ja sonst niemand im Land.

2011 könnte das Jahr werden, in dem die Medienfreiheit in Deutschland faktisch abgeschafft wird. Wenn die 16 Landtage den anstehenden Rundfunkänderungsstaatsvertrag durchwinken, wird 2013 die neue Rundfunksupersteuer eingeführt. Die hat dann jedermann in Deutschland zu zahlen, völlig losgelöst von seinem Einkommen, nicht, weil er fernsieht oder Radio hört,  sondern allein deshalb, weil er existiert. Eine Kopfsteuer für jedermann. Damit wäre die Überfinanzierung der staatlichen Sender für immer festgeschrieben, ihre Macht für immer zementiert, ihre Position für immer unangreifbar. Eine öffentliche Debatte über die Monopolisierung des öffentlichen Diskurses würde nicht stattfinden, weil die Staatsfunker sie dank eben dieses Monopols vertuschen und verschleiern könnten. Wer die Propagandafilme in ARD und ZDF über die angeblich so „gerechte“ neue Rundfunkgebühr gesehen hat, weiß, dass diese Befürchtung nicht aus der Luft gegriffen ist.

Die Ankündigung Monika Piels bedeutet die Einführung der staatsfunkerischen Binnenpluralität auf das gesamte Mediensystem. Das ist nichts anderes als gelenkte Demokratie à la Putin. Die Politik bestimmt, welche Gruppen für gesellschaftlich relevant zu halten sind, und diese Gruppen müssen dann auf diese oder jene Weise im Programm der Sender vorkommen – oder in den ARD-Inhalten, die auf Zeitungs-Webseiten syndikiert oder über kostenlose oder bezahlte Apps verbreitet werden. Wer nicht dazugehört, wird aus dem öffentlichen Bewusstsein gelöscht werden.

Nur eine Hürde ist noch zu nehmen: Die 16 Landtage müssen zustimmen, und zwar alle. Spielt auch nur ein Landtag nicht mit, zerschellt Piels Großmachtambition. Gut, dass dieses Jahr so viele Landtagswahlen stattfinden. Hoffentlich findet sich jemand, der etwas daraus macht und die Machtergreifung der Staatsmedien verhindert.

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de