Wenn in den vergangenen Jahren auf den Medienmessen über die Zukunft des Radios geredet wurde, ging es meistens nicht um das eigentliche Programm, sondern um das Internet und die Distributionswege auf mobile Endgeräte. Man könnte also – statistisch gesehen – den Eindruck gewinnen, dass die Zukunft des Radios im Internet liegt.
Aber was heißt das eigentlich konkret? Vor 15 Jahren musste jeder Radiosender mit einer schönen Homepage im Web vertreten sein, sie löste den Eintrag in Telefonbüchern oder Printmedien ab (Hörzu hatte z.B. noch einen Radioprogrammteil). Neben den üblichen Senderinformationen (Programmaktionen, Moderatorenfotos und Webcams) gab es immer schon den heute so genannten „Rückkanal“: die Hörer rufen nicht mehr nur an, sondern schreiben auch E-Mails oder chatten live mit den Moderatoren oder diskutieren in Foren.
Foren und Chatrooms sind heute bei den Sendern komplett out, sie wurden ersetzt durch Social Networks, die auch die Hörer privat untereinander nutzen und durch deren Popularität Massenmedien wie Radio nicht an ihnen vorbeikommen. Durch sie ist es populär geworden, Nachrichtenstreams zu abonnieren. Früher musste man aktiv die Senderhomepage anklicken oder wissen, was RSS bedeutet, heute geht es wesentlich einfacher. Man merkt mitunter gar nicht, dass man im Grunde nur einen Newsletter bestellt: von einem Freund, einer Interessensgruppe oder einer Sender-Fanpage. Und das Beste, sie werden gar nicht abbestellt, sondern höchstens nur „verborgen“. Ein wahrer Fortschritt, der für die Wahrnehmung des Senders beim Hörer aufgrund der Media Analyse extrem wichtig ist.
Ebbt der App-Trend wieder ab?
Dazugekommen ist letztes Jahr das Thema „Apps“, die einige Inhalte der Homepages in eine eigene Anwendung auf mobile Endgeräte zaubern, wofür eigentlich auch der mobile Browser ausreichen würde. Aber ein eigener Button auf dem iPhone sieht natürlich schick aus und die Downloadzahlen mancher Radio Apps können ja auch sehr beeindrucken. Aber werden sie nach dem Download auch noch genutzt, wenn ja wie? Meist werden nur ca. 5% der iPhone Apps auch regelmäßig benutzt (vgl: The Great App-Bubble).
Im Selbsttest stelle ich fest: ich habe ca. 35 Radio-Apps (Single-Apps und Multistream-Apps) auf dem iPhone. Wenn ich mal gelegentlich Zeit habe, klicke ich auf die ein oder andere Radio-App und höre 2-3 Streams für ein paar Sekunden. Dann stecke ich das iPhone wieder in die Hosentasche. Warum höre ich nicht weiter Radio, sondern nutze allenfalls die eingebaute iPod-Funktion, wenn ich Musik hören will? Hauptsächlich, weil mir eine UMTS-Verbindung zu viel Strom zieht und ich das Handy doch eher zum Telefonieren und E-Mail-Abrufen brauche. Außerdem ist das UMTS-Netz offensichtlich nicht so stabil, dass ich ohne Ausfälle eine Stunde durchhören kann (mein iPhone schaltet auch gerne zwischen Edge und 3G hin und her). Wenn man allerdings Radioberater ist, gibt es natürlich nichts Besseres als unterwegs den zu beratenden Sender zu kontrollieren und ggf. aufzunehmen, wenn man gerade nicht Sendegebiet ist, was bei dem Berufsstand natürlich häufig vorkommt.
Was werden denn nun die Radio-Trends für 2011? Kommen die Radiosender jetzt alle auch mit Apps für neue trendige iPad? Es hätte etwas mehr Sinn als auf dem iPhone, was Akkuleistung viel höher ist und man ja mit dem iPad (noch nicht) telefoniert. Auf der anderen Seite wird das iPad hauptsächlich zu Hause genutzt und da hat man dann sowieso andere Möglichkeiten, Radio zu hören: über Computer, Kabel oder das unkaputtbare UKW-Radio.
Trend 2011: Diversifikation in der digitalen Welt
Damit wären wird beim neuen (?) Radiotrend Digitalradio. Wird 2011 das Jahr von DAB+? Nein, ein Durchbruch für DAB ist 2011 noch nicht zu erwarten, es werden mal wieder nur „Weichen gestellt“. Von den bisher neun angemeldeten bundesweiten Programmangeboten – einem Fußballradio, einem Literaturkanal, einem religiösen Programm, und diversen Musikformate wie Lounge, Hits, und Alternative – erhofft man sich, dass sie für Radiohörer so attraktiv sein werden, dass sie sch dafür ein neues Gerät kaufen. Dass sie digitale Radios nicht wegen einer besseren Klangqualität kaufen, hat sich ja in den letzten Jahrzehnten bestätigt. Die erschreckende Erkenntnis: Viele sind mit wenig Qualität zufrieden (vgl. Youtube-Videos, deren Audio man als mp3 speichert), so lange es kostenlos ist. Es kommt also auf den Inhalt an, wobei natürlich noch viel lieber über „Content“ geredet wird. Content is King, heißt es immer wieder. Aber Content kostet Geld. Das lässt sich aber nicht so leicht zurück verdienen, vor allem (noch) nicht in der digitalen Welt.
Welche Radiotrends gibt es denn eigentlich bei den etablierten UKW-Radiosendern? Kommt 2011 endlich eine Diversifizieung mit neuen Radioformaten, die dem Radio einen neuen Coolness-Faktor verschafft? Oder haben die Musikstreams im Internet den UKW-Musiksendern längst den Rang abgelaufen? Funktionieren die vielen Sidechannels der UKW-Sender gut genug, dass sie damit gegenüber unabhängigen Internetsendern Reichweite erzielen? Reicht es aus, unterschiedliche Musikformate zu streamen und mit einer bekannten Marke aufzuladen, die eigentlich für eine andere Musik steht? Bringt es dem Sender Image oder werden sie bald wieder verschwinden, weil sie nur Geld kosten?
Wortformate im Trend
Noch immer hinkt die Zahl der Radioformate denen in anderen Ländern hinterher. In Deutschland gibt es fast nur massentaugliche Variationen von AC und CHR. Selbst der deutsche Schlager verlagert sich schon immer mehr vom UKW-Band ins Internet. Da sich die Playlists der Sender kaum noch unterscheiden, kann man sich nur noch durch das gesprochene Wort vom deutschen Einheitsprogramm absetzen. Immerhin gibt es ein paar Wortformate wie wie B5 oder DR Wissen, die sich die ARD leistet. Bei den Privatsendern haben sie sich bisher nicht durchgesetzt. Das bisher einzige Newstalk-Format in Berlin (Newstalk 93,6) und Nachrichten (news aktuell), Business (FAZ-Businessradio) und Wissenradios (Wilantis) sind inzwischen alle wieder verschwunden. Dafür versucht man sich neuerdings mit Hörspielen, die aber mehr als kurzeitiger Aufmerksamkeitsgenerator werwendet werden und um lizenztechnische Mindestwortanteile zu erfüllen. Private Wortformate werden nun immerhin auf digitaler Ebene wieder erprobt (s.o.)
Fazit
Große Innovationen sind im UKW-Radio zumindest von den Privatsendern nicht zu erwarten. Hier regiert das Gesetz des Marktes, denn es ist wie bei den Printmedien: mit UKW verdient man Geld, im Internet gibt man es aus. In der digitalen Welt versuchen einige Medienunternehmen ihr letztes Glück mit einer neuen Programmvielfalt. Eine Frage bleibt allerdings offen: wie viele neue Radioformate und welche müssten es sein, damit Radio in der Wahrnehmung der Bevölkerung wieder etwas mehr ins Bewusstsein rückt, damit für neues Hörvergnügen auch Geld für neue Digitalradios investiert wird. Da es in der Kommunikation zum potentiellen Konsumenten immer schwierig bleiben wird, 10, 20 oder 50 digitale Radioprogramme gegenüber zehntausenden von Programmen bei W-LAN-Radios anzupreisen, muss man sich überlegen, wie man digitale Radios an den Mann bringen will. Mein Vorschlag: baut keine DAB-Radios, sondern baut kleine digitale Empfangseinheiten als Add-on in coolere Geräte wie Lautsprecher mit iPod-Anschluss oder WLAN-Radios. Vielleicht baut Steve Jobs sie ja auch mal ins iPhone oder iPad ein?