Berater im Radio: notwendiges Übel oder sinnvolles Korrektiv?

apb Tutzinger RadiotageInge Seibel-Müller (Hörfunker.de) sprach auf den Tutzinger Radiotagen 2010 mit Radiomoderator Patrick Lynen, der sich als Coach Gleichmut zuge­legt hat nach dem Motto: „Take it or lea­ve it”.

Patrick Lynen gehört zu Deutschlands bekann­tes­ten Radiomoderatoren, zumin­dest im Kollegenkreis. Sein Urteil ist in der Radiobranche gefragt, sei­ne Radio- und Volontärsseminare schnell aus­ge­bucht. Sein „Wundervolles Radiobuch” mit hilf­rei­chen Tipps und kon­kre­ten Beispielen für moder­ne Moderation im Radio, erst­mals 2003 auf­ge­legt, ist bereits in drit­ter aktua­li­sier­ter Auflage erschie­nen. Lynens Stimme kennt man auch vom Fernsehen. Für die Harald-Schmidt-Show hat er jah­re­lang die Sendungsopener gespro­chen, eben­so für Jörg Pilawas Maus-Show in der ARD.

[you­tube KcSNC1yNNYY 555]Patrick Lynen ist nicht nur Moderator, er ist auch Coach und Trainer mit eige­ner Beratungsfirma. Berater aber sind umstrit­ten bei Deutschlands Radiomoderatoren...

Bei HR 1, dem 1. Programm des Hessischen Rundfunks, wo er seit Februar 2008 zwei Wochen im Monat die Morgensendung mode­riert, fühlt sich Patrick Lynen wohl, aber noch nicht end­gül­tig ange­kom­men. Was ihn wirk­lich rei­zen wür­de, wäre die Moderation in einem Talk Radio nach bri­tisch-ame­ri­ka­ni­schem Vorbild, einem Radioformat, das es in Deutschland über­haupt nicht gibt. „Das wür­de ein gigan­ti­scher Erfolg, ich ver­ste­he nicht, war­um kei­ner in Deutschland sich da ran wagt”, bedau­er­te Lynen bei sei­nem Auftritt auf den Tutzinger Radiotagen 2010 im Oktober. Dabei denkt er an eine „soa­p­ar­ti­ge Abbildung” des Tagesgeschehens und wohl weni­ger an die „Scharfmacher am Mikrofon”, von denen DRadio Wissen erst kürz­lich berich­te­te, dass der klar zu spü­ren­de Rechtsruck in Amerikas öffent­li­cher Meinung, Moderatoren wie Glenn Beck und Rush Limbaugh zu ver­dan­ken sei. RechtspopuläreTalk-Radio-Moderatoren, die gro­ßen Einfluss auf die Meinung der Wähler in Amerika haben. Ihre Einschaltquoten ran­gie­ren mitt­ler­wei­le weit über denen der Musiksender.

[you­tube cuA9qPaR2Ds 555]Ein deut­sches Talk Radio nach bri­tisch-ame­ri­ka­ni­schem Vorbild. Das wäre der Knaller, glaubt Patrick Lynen.

Für das Moderatorenpanel bei den Tutzinger Radiotagen war Lynen neben wei­te­ren Radioprofis wie Sabine Schneider von Hitradio FFH und Daniel Ebert von Radio BOB! die idea­le Besetzung, denn Lynen ist nicht nur Moderator, er ist auch Coach und Trainer mit eige­ner Beratungsfirma. Berater aber sind oft ein rotes Tuch für Deutschlands Radiomoderatoren. Ihnen schrei­ben sie es zu, dass die Sender sich immer mehr anglei­chen, das Format ihre Persönlichkeit ein­enge und ihre Kreativität beschrän­ke. So blieb es nicht aus, dass der Einfluss der Berater auf die Entwicklung der Moderatorenpersönlichkeiten in Deutschland immer wie­der the­ma­ti­siert und für die Radiotage 2011 auf die Vorschlagsliste gesetzt wurde.

Verständlicherweise wehrt sich Lynen, wenn Berater grund­sätz­lich in einen Hut gesteckt wer­den: „Feedback bedeu­tet auch mir was. Fremdwahrnehmung, die dich spie­gelt, ver­mit­telt not­wen­di­ge Impulse von außen, im Idealfall fein­füh­lig beglei­tend.” Für Lynen gibt es geschmack­li­che Grenzen, die er nicht unter­schrei­tet, aber er nen­ne auch Dinge beim Namen, die weh tun. „Das”, so Lynen, „gehört zu einer Persönlichkeit. Und der Mut, nicht allen alles recht machen zu wollen.”

Undogmatisch und mit Gleichmut - O-Ton Lynen: „Ich rege mich selbst bei schwie­rigs­ten Kandidaten nicht mehr auf” - , so will Hessens Morgenmoderator als Coach und Trainer sei­nen Kollegen Impulse und eine Botschaft mit auf den Weg geben. Das unter­schei­de ihn von vie­len ande­ren Trainern, die sagen: „So macht man das - und nicht anders!” Und von vie­len, die noch immer mei­nen: „Du darfst über vie­les reden, aber nicht über 1:30 Minuten.” Damit, so Lynen, züch­te man „AC-Schnecken”. AC steht als Abkürzung für „Adult Contemporary”, zeit­ge­nös­si­sche Erwachsenenmusik, Deutschlands meist­ge­spiel­tes Radioformat.

„Der Sender soll sich ver­an­kern, die Botschaft soll rüber kom­men und der Hörer zu Wort. Das geht nicht in 1:30”, meint Lynen. Programmchefs gibt er mit auf den Weg: „Es braucht ein trans­pa­ren­tes Umfeld, wo man nicht nur ver­mu­tet, was der Programmchef will. Es muss Luft blei­ben zum Atmen und man braucht einen Rahmen, der klar absteckt, wohin die Reise geht, sonst sen­de ich für eine dif­fu­se Zielgruppe, für die Redaktion, für mich oder mei­ne Freundin.”

Links
Patrick Lynen: “Was hab ich da bloß wie­der angestellt?!”
Lynen.de
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