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Auf schwarzen und weißen Tasten: Kleiner, aber feiner Leuchtturm 

Traditionsformate im Radio sind in der schnelllebigen Medienwelt für viele Menschen noch immer unverzichtbare Fixpunkte. In Zeiten, in denen sich zahlreiche Sender keine festen Special-Interest-Sendungen mehr leisten wollen (oder können), besitzen jahrzehntelange Dauerläufer wie „Zündfunk“ oder „Zwischen Hamburg und Haiti“ (seit 1951 auf Sendung) noch immer einen hohen Stellenwert beim Publikum. Auch wenn sich mit den Jahren Charakter und Inhalte dieser Angebote naturgemäß verändert haben.

Wilfried Schäper (Bild: © Radio Bremen / Andreas Weiss)
Wilfried Schäper (Bild: © Radio Bremen / Andreas Weiss)

Eine besonders beliebte Konzertsendung im Norden ist die Bremen Zwei-Produktion „Auf schwarzen und weißen Tasten“, die sich seit über 33 Jahre der Klaviermusik im Radio verschrieben hat.

Im Interview mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich sprach Bremen Zwei- Musikredakteur Wilfried Schäper über Sendekonzept, Klaviermusik und Radiokonzerte.

 

„An erster Stelle steht die künstlerische Qualität und Persönlichkeit der Pianisten und Pianistinnen“

 

RADIOSZENE: Die Konzertreihe „Auf schwarzen und weißen Tasten“ ist eine beliebte Traditionsveranstaltung bei Radio Bremen. Wer hat sie „erfunden“, seit wann ist sie im Programm zu hören?

Wilfried Schäper: Die Reihe ins Leben gerufen hat mein Vorgänger Peter Schilbach, der selber ein sehr guter Pianist und Klavierfan war. Er hat die Konzerte von 1990 bis 1997 betreut. Mit einem Sonderkonzert des kanadischen Pianisten Marc-André Hamelin habe ich dann 1999 die künstlerische Leitung des Festivals übernommen. Die Reihe findet einmal pro Jahr immer im Januar statt.

RADIOSZENE: Nach welchen Kriterien suchen Sie die beteiligten KünstlerInnen aus?

Wilfried Schäper: An erster Stelle steht natürlich die künstlerische Qualität und Persönlichkeit der Pianisten und Pianistinnen. Ich bewege mich dabei gerne abseits vom Mainstream und wähle Künstlerinnen und Künstler aus, die in Deutschland nicht unbedingt so bekannt sind. Allerdings haben bei den „schwarzen und weißen Tasten“ auch schon Weltstars gespielt wie Igor Levit, Leif Ove Andsnes oder eben auch Marc-André Hamelin. Wichtig ist mir immer auch ein besonderes Repertoire und ausgefallene Programme mit einer guten Durchmischung von bekannter und weniger bekannter Klaviermusik.

Igor Levit (Bild: © Felix Broede)
Igor Levit (Bild: © Felix Broede)

RADIOSZENE: Wie sehr berücksichtigen Sie bei Ihrer Auswahl auch den Nachwuchs und MusikerInnen aus der Region? Ist die Konzertserie auch eine Art Sprungbrett für noch eher unbekannte KünstlerInnnen?

Wilfried Schäper: Die Region spielt bei der Auswahl eine geringere Rolle, denn die „schwarzen und weißen Tasten“ sind eine Reihe, in der Pianistinnen und Pianisten aus der ganzen Welt spielen. Die Reihe präsentiert auch Nachwuchspianisten, definiert sich aber nicht allein als Startbrett für die junge Generation. So war der bisher älteste Debütant der Reihe der legendäre australische Pianist Roger Woodward, der im Alter von 65 Jahren zum ersten Mal im Sendesaal aufgetreten ist. Auf der anderen Seite haben aber viele Künstlerinnen und Künstler ihre Bremer Debüts in der Reihe gegeben, die heute etablierte Stars sind. So hat Igor Levit 2012 seinen ersten Bremer Soloabend im Sendesaal gespielt. Auch Namen wie Severin von Eckardstein, Joseph Moog oder Lise de la Salle könnte man in diesem Zusammenhang nennen.

Joseph Moog (Bild: © Paul Marc Mitchell/Thommy Mardo)
Joseph Moog (Bild: © Paul Marc Mitchell/Thommy Mardo)

RADIOSZENE: Die Aufzeichnung erfolgt im Sendesaal von Radio Bremen. Über welche Programmkanäle werden die Konzerte ausgestrahlt?

Wilfried Schäper: Die Konzerte der „schwarzen und weißen Tasten“ laufen in den Klassikstrecken auf Bremen Zwei, meistens in der „Klassikwelt in concert“ am Sonntagabend. Im ARD-Radiofestival im Sommer ist seit vielen Jahren ein Abend ebenfalls den Klavier-Recitals aus Bremen gewidmet. Natürlich sind die Mitschnitte auch weltweit über die Bremen Zwei-Website zu hören. Immer wieder berichten Pianisten oder Pianistinnen, die in Bremen gespielt haben, dass ihre Konzerte aus dem Sendesaal von Fans in Japan, Australien oder den USA gehört wurden. Wir arbeiten außerdem gerade daran, einige der Konzerte auch auf unserer Website für eine bestimmte Zeit online nachhörbar zu machen.

 

„Das Klavier ist nach wie vor das beliebteste Instrument in Deutschland“

 

RADIOSZENE: Hat die Corona-Pandemie das Interesse für Eintrittskarten zu den Konzertaufzeichnungen verändert?

Wilfried Schäper: Wie alle Konzertreihen weltweit sind auch die „schwarzen und weißen Tasten“ von der Pandemie getroffen worden. Wir mussten das Festival zweimal absagen und verschieben. Es wurde dann ausnahmsweise im letzten Sommer nachgeholt, und der Besuch war deutlich schwächer als üblich. Bei der gerade zu Ende gegangenen Serie 2023 waren wieder mehr Menschen im Sendesaal, das dritte Konzert mit dem japanischen Pianisten Kotaro Fukuma war sogar ausverkauft wie in alten Zeiten! Insgesamt ist aber immer noch eine gewisse Zurückhaltung des Publikums zu spüren. Die gesamte Konzertbranche hat sich noch nicht von der Krise erholt.

Kotaro Fukuma Bild: © Marc Bouhiron)
Kotaro Fukuma Bild: © Marc Bouhiron)

RADIOSZENE: Klaviermusik gehört – wenn man den Umfragen der Musikforschung glauben darf – zu den besonders beliebten Genres der Klassik. Wird diese These durch die Nachfrage bei den Konzerten sowie die Einschaltquoten im Programm bestätigt?

Wilfried Schäper: Das Klavier ist nach wie vor das beliebteste Instrument in Deutschland. Das Repertoire der Klaviermusik ist unerschöpflich, und ein hochkarätiger Klavierabend kann eine echte „Magie“ entwickeln und die Menschen faszinieren. Das ist immer wieder auch im Bremer Sendesaal zu spüren, wo es ein hochkonzentriertes und begeisterungsfähiges Publikum gibt. Viele der Zuhörer und Zuhörerinnen spielen auch selber Klavier. Mich hat besonders gefreut, dass bei den letzten Konzerten auch etliche junge Leute dabei waren. Über die Einschaltquoten kann ich wenig sagen, weil diese für das Abendprogramm nicht detailliert nachzuvollziehen sind.

RADIOSZENE: Wie wichtig sind eingeführte und hochwertige Konzertreihen wie „Auf schwarzen und weißen Tasten“ für das Selbstverständnis von Radio Bremen beziehungsweise für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

Duo Genova Dimitrov (Bild: Irène Zandel)
Duo Genova Dimitrov (Bild: Irène Zandel)

Wilfried Schäper: Ich denke, dass die „schwarzen und weißen Tasten“ ein kleiner, aber feiner Leuchtturm für Bremen Zwei sind. Die Reihe gibt es seit 33 Jahren und gehört zu den beliebtesten und erfolgreichsten Konzertserien in Bremen. Durch das persönliche Erleben der Konzerte im Sendesaal und das spätere Nachhören der Mitschnitte im Programm kann Radio Bremen auch ein Publikum von Klassikfans an sich binden.

RADIOSZENE: Welche nächsten Konzerttermine und Übertragungen stehen demnächst an? Planen Sie zum besonderen Jubiläum des Radios in 2023 auch besondere Highlights innerhalb der Sendereihe?

Wilfried Schäper: Die gerade gelaufenen Konzerte mit Fabian Müller, dem Klavierduo Genova & Dimitrov sowie Kotaro Fukuma werden im Frühjahr auf Bremen Zwei gesendet. Die Planungen für das nächste Festival sind noch nicht spruchreif, nur so viel: Es gibt eine ganze Menge von tollen Pianisten und Pianistinnen in der Welt!

Fabian Müller-Portrait (Bild: © Christian Palm)
Fabian Müller-Portrait (Bild: © Christian Palm)

 

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