„Guter Kulturjournalismus ist heute wichtiger als je zuvor“

ByteFMAnbieterwechsel innerhalb der Hamburger UKW-Radiolandschaft: mit Jahresbeginn 2022 übernimmt der Musiksender ByteFM die beiden Cityfrequenzen 91,7 und 104,0. Die UKW-Frequenz 104,0 MHz wurde in den vergangenen Jahren von Radio Hamburg als Zusatzfrequenz für die Hamburger Innenstadt genutzt. Seit Herbst 2020 ist sie im Rahmen einer Kooperation von FluxFM Hamburg belegt. Die UKW-Frequenz 91,7 MHz ist aktuell noch für 917XFM, einen Ableger von Rock Antenne Hamburg, im Einsatz. ByteFM hatte im November 2019 von der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA.HSH) den Zuschlag für das neu gebildete Frequenzpaket zum 24/7-Programmbetrieb erhalten (RADIOSZENE berichtete).

ByteFM wurde vom Musikjournalisten  Ruben Jonas Schnell  gegründet. Das Internetradioprojekt nahm am 11. Januar 2008 sein Programm auf und zeichnet sich durch musikjournalistische Beiträge von zahlreichen Autoren aus, die zum Teil aus dem Umfeld  öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten stammen oder als  Musikjournalisten  bei renommierten Publikationen wie Jazz thingtazArt oder Le Monde diplomatique gearbeitet haben.

ByteFM-Chef Ruben Jonas Schnell (Bild: ©DirkPudwell)
ByteFM-Chef Ruben Jonas Schnell (Bild: ©DirkPudwell)

Der Sender definiert sich als musikbezogenes „Autorenradio“ und präsentiert „alles, was in der modernen Popmusik wichtig ist“. Dabei übernimmt der Sender mehr und mehr die Rolle mancher öffentlicher-rechtlicher Programme, die sich in den letzten Jahren – aus den unterschiedlichsten Motiven heraus – von der Spielwiese gepflegter Popkultur im Radio zurückgezogen haben.

In Berlin ist ByteFM derzeit über Antenne stundenweise bei ALEX Berlin zu hören. Aber auch in der Hauptstadt sind nun die Weichen für einen terrestrischen 24-Stunden-Sendebetrieb gestellt: so wird der Musiksender nach Zuweisung einer City-Frequenz dort voraussichtlich ab Februar 2022 über DAB+ empfangbar sein.

 

„Werbespots wird es in unserem Programm weiterhin nicht geben“

 

RADIOSZENE Mitarbeiter Michael Schmich sprach mit Ruben Jonas Schnell über Byte-Programminhalte und den UKW-Start in Hamburg.


RADIOSZENE: Sie starten mit der UKW-Verbreitung in Hamburg früher als geplant. Vorgesehen war April 2022, nun geht es bereits im Januar 2022 los. Wie kommt es zu diesem vorgezogenen Sendebeginn?

Ruben Jonas Schnell (Bild: ©ByteFM)
Ruben Jonas Schnell (Bild: ©ByteFM)

Ruben Jonas Schnell: Wir freuen uns riesig, dass wir mit ByteFM in Hamburg bald dauerhaft über UKW zu hören sind! Die Zuweisung der Frequenzen 91,7 und 104,0 MHz war uns zunächst zum 01. April 2022 erteilt worden. Die Kollegen bei Rock Antenne – die aktuell das Programm „917xfm“ auf der Frequenz 91,7 MHz ausstrahlen – fragten uns vor ein paar Monaten, ob wir uns vorstellen könnten, die Frequenz 91,7 schon ab Januar zu übernehmen. Die 104,0 ist Radio Hamburg ohnehin nur bis zum 31.12. dieses Jahres zugewiesen, so dass wir bei der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein erfolgreich das Vorziehen der Zuweisung beider Frequenzen an uns beantragen konnten. 

RADIOSZENE: Mit welchem Konzept werden Sie in Hamburg täglich über 24 Stunden senden?

Ruben Jonas Schnell: ByteFM bleibt im Wesentlichen ByteFM. Als Webradio senden wir schon seit Anfang 2008 erfolgreich unter diesem Namen ein Programm, für das rund 100 Moderator*innen eigene, liebevoll aufbereitete Sendungen anliefern. Für „ByteFM Hamburg“ wird es zusätzliche Sendungen mit ausdrücklichem Hamburg-Schwerpunkt geben. Werbespots wird es in unserem Programm weiterhin nicht geben. 

RADIOSZENE: Wie viel „Hamburg“ wird Ihrer lokalen Ausgabe stecken?

Ruben Jonas Schnell: Zunächst montags, mittwochs und freitags starten wir ein neues „StadtMagazin“, in dem Protagonist*innen aus Hamburgs kulturellem und gesellschaftlichem Leben zu Gast sind. Die Musik passen wir individuell den Themen der Live-Gespräche an. Im Anschluss an die Deutschland-Nachrichten werden wir künftig auf „ByteFM Hamburg“ „Kulturnachrichten für Hamburg“ ausstrahlen.  

RADIOSZENE: Bislang war in ByteFM nahezu ausschließlich „Musik drin“. Werden Sie künftig auch andere Themenfelder besetzen?

Ruben Jonas Schnell: Musik bleibt natürlich extrem wichtig für ByteFM. „Gute“ Musik ist zentraler Bestandteil unseres Programms. Allerdings wollen wir künftig auch Gäste in unser „StadtMagazin“ einladen, die sich nicht in erster Linie mit Musik beschäftigen: Regisseurinnen, Schauspieler, Schriftstellerinnen, Veranstalter, Club-Betreiberinnen, Programm-Macher oder ganz allgemein: Kulturschaffende und interessante Protagonist*innen des Lebens unserer Stadt. Die Gespräche werden durch gute Musik begleitet und ergänzt. Um das „StadtMagazin“ wird auch Musik zu hören sein, die den Gesprächspartner*innen besonders am Herzen liegt.

Liz Remter (Bild: ©ByteFM)
Liz Remter (Bild: ©ByteFM)

RADIOSZENE: In wie weit werden sich die Ausgaben Hamburg – Berlin – bundes-/weltweit künftig unterscheiden?

Ruben Jonas Schnell: Nur auf einzelnen Sendeplätzen wird sich das Programm unterscheiden: Wenn es bei „ByteFM Hamburg“ (für circa vier Stunden täglich) konkret um Hamburg-Themen geht, läuft zeitgleich in unserem Webstream und demnächst auf unserer DAB+ Frequenz in Berlin etwas anderes. Hörer*innen, die ByteFM im Internet hören, können dann zwischen den Kanälen „ByteFM Hamburg“ und „ByteFM“ auswählen.

RADIOSZENE: Müssen Sie für dieses Konzepts auch die personellen Ressourcen aufstocken?

Ruben Jonas Schnell: Einige Moderator*innen, die auch vorher schon für uns tätig waren, binden wir nun noch etwas stärker ein. Seit Anfang November beschäftigen wir auch zwei Volontär*innen, die sich neben vielen anderen Aufgaben um die redaktionelle Vorbereitung des „StadtMagazins“ kümmern und die künftig auch an den „Kulturnachrichten für Hamburg“ mitarbeiten werden.

 

„Die UKW-Frequenzen in Hamburg sind ein idealer Weg, neue Hörer*innen für ByteFM zu gewinnen“

 

RADIOSZENE: Welche Überlegungen stehen hinter Ihrem Vorhaben künftig rund um die Uhr über UKW zu senden? Viele Marktbeobachten glauben ja vielmehr an eine digitale Audiozukunft in Form von Webradioverbreitung …

Ruben Jonas Schnell: Ich glaube nach wie vor an das Internet als wichtigen Verbreitungsweg für unser Programm. Über das Internet wollen wir weiterhin Hörer*innen im gesamten Bundesgebiet, in Österreich und der Schweiz erreichen. Gleichzeitig sind die UKW-Frequenzen in Hamburg ein idealer Weg, neue Hörer*innen für ByteFM zu gewinnen. Alleine die Autofahrer*innen auf ihrem täglichen Weg zur Arbeit … Wer UKW hört und sich für Musik und Kultur interessiert, wird in Hamburg früher oder später zu ByteFM finden und sich dann vielleicht auch dafür begeistern lassen, unser Programm ohne Werbespots als Mitglied im Verein „Freunde von ByteFM“ zu unterstützen.

Ruben Jonas Schnell (Bild: ©ByteFM/Dirk Pudwell)
Ruben Jonas Schnell (Bild: ©ByteFM/Dirk Pudwell)

RADIOSZENE: Die Stärke von ByteFM sind die von ausgewiesenen Musikkennern zusammengestellten Autorensendungen. Behalten diese Formate auch künftig ihren Stellenwert?

Ruben Jonas Schnell: Unbedingt! Autorensendungen waren und bleiben enorm wichtig für unser Programm. Nur durch die Sendungen unserer rund 100 Autor*innen aus dem gesamten Bundesgebiet und der Schweiz lässt sich die Vielseitigkeit und das hohe Niveau unseres Programms gewährleisten. 

RADIOSZENE: Wie viele Programmgestalter sind derzeit für den Sender tätig?

Ruben Jonas Schnell: 100 Moderator*innen produzieren jeden Monat rund 80 verschiedene Formate. 

RADIOSZENE: Bei ByteFM hört man noch Musikvielfalt und begleitende Fachkompetenz, die es im Radio in dieser Form kaum (mehr) gibt. Seit Jahren auch immer geringer werdend bei der ARD. Streamingdienste können und wollen dieses Sendeformat nicht leisten. Haben Sie mit Ihrem Konzept im deutschsprachigen Raum damit ein Alleinstellungsmerkmal?

Ruben Jonas Schnell: Die musikalische Vielseitigkeit unseres Programms ist in Deutschland einmalig. Für unser Hamburger UKW-Programm wollen wir (wie gesagt) demnächst auch Themen jenseits der Musik einbinden und so das Spektrum unseres Senders erweitern. Ein vergleichbares UKW-Programm gibt es in Hamburg nicht. Darüber hinaus unterscheidet uns von den meisten anderen Sendern, dass ByteFM keine Werbespots sendet. Finanziert wird unser Sender im Wesentlichen durch den Förderverein „Freunde von ByteFM“, dessen Mitglieder uns im Schnitt mit 60 Euro im Jahr unterstützen.

Neues ByteFM-Studio (Bild: ©ByteFM)
Neues ByteFM-Studio (Bild: ©ByteFM)

RADIOSZENE: Seit Jahresbeginn 2021 hat der Norddeutsche Rundfunk einige moderierte Musikmagazine über UKW eingestellt und auf die DAB+ Welle NDR Blue verlagert. Ein Vorteil für Sie?

Ruben Jonas Schnell: Ich war selbst viele Jahre für den NDR tätig. Dass der „Nachtclub“, den ich lange moderiert habe, seit Anfang dieses Jahres nicht mehr über UKW zu hören ist, finde ich sehr schade. Popmusik hat einen großen Stellenwert im Leben unserer Gesellschaft. Und guter Kulturjournalismus ist heute wichtiger als je zuvor. Sendungen, die sich kritisch und begeistert mit musikjournalistischen Themen beschäftigen, verdienen deshalb prominente Sendeplätze. Aber zurück zu Ihrer Frage: Dass ByteFM ab Januar das einzige musikjournalistische Programm in Hamburg sein wird, das über UKW gehört werden kann, ist vermutlich kein Nachteil für uns.

 

„Sendungen, die sich kritisch und begeistert mit musikjournalistischen Themen beschäftigen, verdienen prominente Sendeplätze“

 

RADIOSZENE: ByteFM versteht sich in seiner Außendarstellung als „moderiertes Musikradio“ – vor allem für den deutschsprachigen Raum. Also als ein bundesweites Angebot. Macht da – auch vor dem Hintergrund wachsender Akzeptanz – nicht die zusätzliche Verbreitung via DAB+ Sinn? Oder folgen Ihnen die Hörer lieber online – ganz nach Ihrem Motto „Webradio für gute Musik“?

Ruben Jonas Schnell: Eine bundesweite DAB+ Verbreitung wäre schön, ist aber wirtschaftlich für uns nicht umsetzbar. Wir nutzen künftig die Möglichkeiten der lokalen terrestrischen Verbreitung unseres Programms über UKW und DAB+ – in Hamburg sowie demnächst auch über DAB+ in Berlin. Und senden gleichzeitig weiterhin im Internet für ein interessiertes Publikum im gesamten Bundesgebiet … und darüber hinaus.

RADIOSZENE: Auf Ihren Sendeplänen findet sich eine große stilistische Breite an Musik. Welche Genres decken Sie eigentlich nicht ab oder wollen Sie nicht abdecken?

Ruben Schnell (Bild: ©ByteFM)
Ruben Schnell (Bild: ©ByteFM)

Ruben Jonas Schnell: Wir spielen gute Musik möglichst aller Genres. Scheuklappen gibt es nicht. Verschiedene Sendungen setzen unterschiedliche musikalische Schwerpunkte. Es gibt Sendungen mit jungen Gitarren-Bands und welche mit alten Folk-Songs. HipHop, Techno, Jazz und auch die sogenannte Klassische Musik finden bei ByteFM statt. Eine ausdrückliche Schlager-Sendung gibt es aktuell nicht. Aber auch Schlager sind zu hören, wenn es sich redaktionell anbietet und wir die ausgewählte Musik hörenswert finden.

RADIOSZENE: Wie machen Sie in der Öffentlichkeit auf den Sender aufmerksam?

Ruben Jonas Schnell: Social Media, Online Kampagnen aber vor allem Empfehlungen. Wer sich für Musik und Kultur interessiert und ByteFM kennenlernt, empfiehlt unser Programm in der Regel weiter.

RADIOSZENE: Welche Rolle spielt in Ihrer Programmstrategie die Produktion von Podcasts?

Ruben Jonas Schnell: In Kooperation mit dem Reeperbahn Festival produzieren wir den wöchentlichen Podcast „Ruhestörung“. Mit den Deichtorhallen Hamburg den Podcast „Das Ist Kunst“ und mit dem Städel Museum in Frankfurt das „Städel Mixtape“. Drei tolle Formate, auf die wir sehr stolz sind.

RADIOSZENE: Bislang verzichten Sie konsequent auf die im Radio bekannten klassischen Werbeformen. Wird das künftig doch ein Thema für Sie? Über welche Quellen finanzieren Sie den Sendebetrieb?

Ruben Jonas Schnell: Unser Sender finanziert sich überwiegend durch den Förderverein „Freunde von ByteFM“, dessen rund 7.350 Mitglieder uns mit einem jährlichen Beitrag von durchschnittlich 60 Euro unterstützen. Zur Finanzierung der Verbreitung unseres Programms auf UKW wird es künftig auch sogenannte „Sendungspatronate“ geben: am Anfang und Ende ausgewählter Sendungen danken wir Sponsoren für ihre Unterstützung. Diese Sendungspatronate werden nur in dem Programm zu hören sein, das wir über UKW ausstrahlen. Werbespots wird es auch in Zukunft bei ByteFM auf keiner Welle geben. 

ByteFM-Bunker
ByteFM-Bunker

RADIOSZENE: Wie haben sich die Akzeptanz und Hörerzahlen von ByteFM über die Jahre entwickelt?

Ruben Jonas Schnell: Seit Gründung unseres Senders sind die Nutzer-Zahlen stets gestiegen. Jetzt freuen wir uns auf neue Hörer*innen, die uns über UKW und DAB+ kennenlernen, und mit denen wir unsere Reichweite noch deutlich erhöhen können.

RADIOSZENE: Welche weiteren Pläne stehen bei ByteFM absehbar auf der Agenda?

Ruben Jonas Schnell: Demnächst starten wir eine neue Sendung für junge Hörer*innen: Gemeinsam mit ByteFM Moderator*innen werden Schüler und Schülerinnen dieses Programm gestalten und moderieren. Darauf freuen wir uns sehr. 

Bei all diesen Plänen hoffen wir, dass der Verein „Freunde von ByteFM“, der unseren Sender im Wesentlichen trägt, viele neue Mitglieder findet und wir in der Lage sein werden, die Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeiterinnen und Moderatoren auch wirtschaftlich weiter zu verbessern.

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