David gegen Goliath: Antenne Vorarlberg überholt Ö3

Seit Jahren ist die Pop-Welle des ORF Marktführer in Österreich – in ganz Österreich? Nein, ein kleines Bundesland im Westen des Landes hat nun zum zweiten Mal Hitradio Ö3 überholt (vgl. Meldung zum RADIOTEST 2021_2).

(Bild: ©Antenne Vorarlberg)
(Bild: ©Antenne Vorarlberg)

Im RADIOSZENE-Interview spricht Antenne Vorarlberg-Chef Andreas Hinsberger über die neuesten Ergebnisse des aktuellen RADIOTESTs 2021. Der Radiotest die Befragung der österreichischen Gesamtbevölkerung ab 10 Jahren über das jeweilige Radionutzungsverhalten, mit deren Hilfe die österreichischen Radiosender unter anderem die Werbepreise festlegen.


RADIOSZENE: Herr Hinsberger, Vorarlberg ist nun zum zweiten Mal das Land, das Ö3 in Österreich überholt hat. Hat es vielleicht mit der Mentalität der Vorarlberger zu tun, die Ö3 eher als Radioprogramm aus Wien betrachten, das auf ihr „Ländle“ zu wenig eingeht, oder wie erklären Sie sich die neuen Hörerzahlen von ANTENNE VORARLBERG?

Andreas Hinsberger (©ANTENNE VORARLBERG)
Andreas Hinsberger (©ANTENNE VORARLBERG)

Andreas Hinsberger: Hitradio Ö3 macht seit Jahrzehnten einen hervorragenden Job, war auch in Vorarlberg immer Marktführer und ist somit auch sehr beliebt im Ländle – keine Frage! Aber vielleicht haben Sie Recht, wenn Sie das Stichwort „Mentalität“ ansprechen. Das könnte für viele kleinere Radiostationen der Schlüssel zum Erfolg sein. Bleiben wir beim Beispiel Ö3, das gilt aber natürlich auch für alle anderen großen, landesweiten Sender: Ö3 muss sein Programm auf ganz Österreich ausrichten und kann sich nicht auf nur ein Bundesland konzentrieren. Die Mentalität ist in Wien oder in der Steiermark aber eine ganz andere als in Vorarlberg. Und hier liegt der Vorteil der Lokalradios! Tracy Johnson (erfolgreicher Radioberater in den USA) hat mal gesagt „Wenn Du willst, dass Deine Hörer Deinem Sender gegenüber treu sind, musst Du ihnen als Mensch etwas bedeuten!“ Das heißt für mich als regionaler Sender: wir müssen auf Werte wie Gemeinschaft und Freundschaft setzen und wir müssen uns um unsere Hörer kümmern. Konsequentes Personality-Radio mit regionaler Verankerung und Persönlichkeiten mit denen sich die Region identifizieren kann, das ist das A und O für uns. Und das können landesweite Sender eben nicht.

RADIOSZENE: Könnte man das Erfolgsrezept auch auf andere Bundesländer übertragen?

Andreas Hinsberger: Ja. Und ich glaube, dass gerade jetzt die richtige Zeit dafür ist. In turbulenten Zeiten wie diesen suchen die Menschen „Sicherheit“ und sie ziehen sich gerne in kleinere Einheiten zurück. Die Vereine in Österreich erleben zum Beispiel derzeit einen großen Boom, weil die Menschen den Vereinen wieder beitreten. Sie suchen also kleinere Einheiten mit Gleichgesinnten wo die Welt noch in Ordnung ist. Und diese „kleine Einheit“ können auch wir als Lokalradio sein.

RADIOSZENE: Wie grenzt Antenne Vorarlberg sich in der Musikauswahl von den Mitbewerbern ab, oder spielt das als regionaler Sender weniger eine Rolle?

Andreas Hinsberger: Musik ist die Basis. Natürlich spielt das auch bei regionalen Sendern eine große Rolle. Wir spielen „die besten aktuellen Hits, gemischt mit den ANTENNE VORARLBERG Kulthits“ und haben somit eine Nische zwischen dem Hitradio Ö3 und dem lokalen Mitbewerber ORF-Radio Vorarlberg gefunden, der eher Oldies spielt.

RADIOSZENE: Was würden Sie den Privatsendern in den anderen Bundesländern empfehlen, um Goliath zu besiegen?

Andreas Hinsberger: Naja, grundsätzlich wird es immer schwer sein gegen einen gebührenfinanzierten Giganten wie Ö3 anzutreten. Und die meisten privaten Kollegen in den anderen Bundesländer machen schon einen grandiosen Job! Aber wenn ich einen kleinen Tipp geben darf: Seht Eurer Bundesland als kleine Einheit, als „Verein“. Und ihr als Radiosender seid quasi das „Clubhaus“. Da wo die Menschen sich treffen, wo die Welt in Ordnung ist, wo jeder jeden kennt und wo man unter sich ist. Kümmert Euch um Eure Hörer und seid für sie da. Aus diesem Ansatz heraus ergeben sich die besten Ideen. Und der zweite Tipp: verzichtet möglichst auf negative Themen on air (außer in den News). Die Menschen bekommen überall doch schon genug negative Schlagzeilen. Seid lieber positiv und herzlich.

RADIOSZENE: Hat Antenne Vorarlberg nicht auch Hörer aus Deutschland und der Schweiz?

Andreas Hinsberger: Wir machen immer wieder private Studien und wissen, dass wir in Süddeutschland und der Schweiz zusammen nochmal so viele Hörer wie in Vorarlberg haben. Gerade in Deutschland haben wir sogar sehr treue Hörer.

RADIOSZENE: Wieso ist Antenne Vorarlberg noch nicht via DAB+ zu empfangen?

Andreas Hinsberger: Wir finden DAB+ hochspannend. Aber wir sehen uns als regionaler Sender. Derzeit gibt es in Österreich nur eine landesweite DAB-Abdeckung, was für uns wenig Sinn macht. Sobald es aber eine regionale Abdeckung gibt, werden wir sicher auch über DAB+ zu empfangen sein.

RADIOSZENE: Wie sehen Sie weitere Zukunft der österreichischen RADIOSZENE und speziell in Vorarlberg?

Andreas Hinsberger: Ich bin sehr positiv eingestellt und glaube, dass Radio weiterhin sehr wichtig für die Menschen sein wird. Wir müssen uns aber jeden Tag ins Zeug legen und uns Mühe für den Hörer machen. Und ich glaube an meine Theorie der „kleinen Einheit“. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die privaten Lokalradios in den einzelnen Bundesländern in nächster Zeit an Bedeutung gewinnen werden. Es gilt jetzt sich dementsprechend zu positionieren.

RADIOSZENE: Herr Hinsberger, vielen Dank für das Gespräch.