Die Programmstrategen der jungen deutschen Radios sind nicht immer zu beneiden. Bevorzugt öffentliche-rechtliche Angebote stehen – eigentlich seit ihrer Gründung – in der Kritik: falsche Musikauswahl, zu Hit-lastig, zu oberflächliche oder einseitige Inhalte, treffen nicht den Zeitgeist der heutigen Jugend, sprechen eine zu alte ‚Hörerschaft an, haben die falschen Moderatoren oder verfehlen ihre Zielgruppe mit einer missglückten Auswahl an Themen. Die Liste vermeintlicher Beanstandungen ist lang.
Harsche Kritik an den jungen Wellen kommt bisweilen auch aus den Redaktionsstuben der Tagespresse und von Magazinen. Nur am Rande sei erwähnt, dass gerade die Inhalte sogenannter „Jugendseiten“ in Zeitungen oder junger Beilagen häufig als völlig verfehlte Zielgruppenansprache eingeordnet werden dürfen – was dann in Folge per Copytest durch ein Nutzerdurchschnittsalter von weit jenseits der 45-Jahre-Grenze belegt wurde. Sehr zum Ärger der Verlagsleiter, die als Konsequenz einschlägige Seiten kurzerhand aus dem Blatt kippten oder ganz eingestellt haben.
„‘Junge Radiohörer‘ sind keine homogene Zielgruppe, es gibt hier keine allgemein gültigen Trends“
Zurück zum Radio: Die sehr breit aufgestellten Interessenslagen der in die Raster von jungen Radios passenden Generationen Y und Z macht in der Tat eine seriöse Programmplanung zu einer Herkulesaufgabe. Was muss gerade in diesem Segment nicht alles akribisch berücksichtigt werden: Alter, Geschlecht, Bildung, Sozialisierung, sich ständig verändernde Musikvorlieben oder geografische Aspekte sind bei der Ausrichtung von jungen Formaten Teile eines sensiblen Puzzles. Schließlich will man junge Menschen als spätere Dauerkundschaft an das Radio binden und möglichst wenige an die (scheinbar übermächtige) mediale Konkurrenz verlieren.
Die 14-jährige Hauptschülerin Emily etwa „chillt“ nach der Schule mit dem Sender ihrer Wahl hauptsächlich wegen der aktuellen Trendmusik, den lockeren Talks, den coolen Sprüchen der Moderatoren oder den Star News. Mehr an Wort soll es aber unter keinen Umständen sein – „das nervt“. Der 24-jährige Tim ist Student, liebt es „live, laut und lässig“, steht wahlweise auf Alternative Rock oder harten Rap. Tim hört Radio bevorzugt wegen der vertiefenden Infos zu Musik, Popkultur, Film, Literatur, Bildung, Games, Infotainment, Regionales oder Politik. Diese beiden unterschiedlichen Hörertypen – und viele weitere junge Milieus – bei Musikausrichtung, Ansprache, Themengewichtung unter den berühmten Hut zu bekommen, ist gewiss eine der ambitioniertesten Herausforderungen eines Hörfunk-Managers. Ganz besonders, wenn man unter öffentlich-rechtlicher Flagge sendet und möglichst wenige Personengruppen ausgrenzen soll.
Hinzu kommt der Aspekt der Berücksichtigung des Zuschnitts der jeweiligen Sendegebiete. Die Forschung belegt bei der Erwartungshaltung junger Hörer an das Radio hier deutliche Unterschiede zwischen urbanen und ländlichen Regionen. Nicht alle Programmverantwortlichen haben beispielsweise das Privileg der Kollegen der jungen Bremer Welle Bremen NEXT, die in einem überschaubaren Ballungsraum ein klar urban ausgerichtetes Sendeformat anbieten kann. Wie aber findet man die Programmbalance in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg oder dem sehr heterogenen Sendegebiet des Norddeutschen Rundfunks?
Auch bleibt die Frage nach der gewünschten Alters-Klammer, wonach der Begriff „Jugend“ auszulegen ist, meist offen. Formal gesehen ist nach deutschem Recht Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist (§ 1 Abs. 2 JGG). Heranwachsender wird nach dem Jugendgerichtsgesetz jede Person eingestuft, die das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat.
Soll man also die Jugendprogramme nur noch für diese Hörerschichten gestalten? Wo bliebe da das Angebot für die jungen Erwachsenen? Sollen sie, weil sie der Anmutung „ihres Programms“ ein Radioleben lang folgen, ausgegrenzt werden – um künstlich den Altersschnitt zu senken? Und: würde sich das Musikprogramm eines Jugendradios tatsächlich wesentlich anders anhören, wenn man es nur auf die jeweils aktuellen Musikvorlieben der 14- bis 20-Jährigen im Sendegebiet zuschneidet?
„Wir glauben fest daran, dass es grade bei jungen Leuten zunehmend ein Bedürfnis nach bedeutsamen Inhalten gibt“
Was die Kritiker gerne übersehen: es gibt in Deutschland (auch im Vergleich mit dem Ausland) sehr wohl ein nennenswertes Angebot passender Alternativen für junge Hörer. Beispiel Bayern: dort senden mit dem preisgekrönten BR PULS, dem bundesweiten Deutschlandfunk Nova und egoFM gleich drei Programme mit Musik abseits des Mainstream. Wobei zumindest die beiden erstgenannten auch über ein sehr breitgefächertes redaktionelles Inhaltsangebot (auch jenseits der Musik) für die Interessenslagen Jugendlicher und jung gebliebener Menschen verfügen.
Radio Galaxy bietet dagegen eher aktuelle Trendmusik und regionales Infotainment, wie auch die in bayerischen Ballungsräumen operierenden jungen Wellen GongFM, Hitradio N1, Radio Fantasy, Radio Gong Würzburg oder die ENERGY-Ableger in München und Nürnberg. Der Einwand „sendet ja nur auf DAB+ oder nicht in meiner Gegend“ zählt nicht: Jugendliche finden und konsumieren heute via Smartphone jeden Song oder Stream bei YouTube – warum also nicht auch die oben erwähnten Sender, die über technisch hochwertige Apps verfügbar sind. Hinzu kommen die zahlreichen jungen deutschen Programme auf regionaler Ebene wie 1LIVE, N-JOY, Fritz, Planet Radio, BigFM, UNSERDING oder DASDING. Wenn sich hier nichts findet, bleibt noch immer der hochgelobte anspruchsvolle Klassiker FM4 aus Österreich. Oder, für die Studis, eines der vielen deutschen Campusradios.
Wir lernen, die Auswahl im Radio für junge Menschen ist viel fragmentierter als gelegentlich bemängelt. Man muss sie nur finden (wollen).
PULS, das digitale Jugendangebot des Bayerischen Rundfunks, feierte in diesem Jahr seinen siebten Geburtstag. Am 15. Mai 2013 hatte das Programm – mit einem Format bewusst abseits glattgebügelter CHR-Formate – die Übertragungswege seines Vorgängers on3-radio übernommen. Dazu gehören DAB+, Kabel, Livestream über Internet sowie eine App für Mobilgeräte.
Lange war geplant, das Jugendprogramm ab 2018 über die UKW-Frequenzen des hauseigenen Programms BR-KLASSIK auszustrahlen und dieses nur noch digital zu verbreiten – was zu Protesten seitens der Klassik-orientieren Hörerschaft sowie der bayerischen Privatfunkbetreiber führte, die nach dem UKW-Start eine bedrohliche Konkurrenz für ihre jungen Formate sahen. Eine Befürchtung, die durch den überraschenden Verzicht des BR auf den anvisierten Frequenztausch hinfällig wurde.
Im Gespräch mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich erläutert PULS-Musikchef Christoph Lindemann das Musikkonzept des Senders und berichtet von den Schwierigkeiten der Macher junger Wellen bei der Programmausrichtung.
„Ich glaube, ich habe einen ziemlich großen missionarischen Drang, Menschen Musik näher zu bringen, die ich für hörenswert halte“
RADIOSZENE: Herr Lindemann, über welche Wege sind Sie zum Radio gekommen? Welchen Arbeitsbereich verantworten Sie?
Christoph Lindemann: Ich habe nach der Schule direkt ein Volontariat beim Regionalfunk gemacht. Danach hat mich Radio nie wieder losgelassen: Es war optimal mit meinem Journalistik-Studium vereinbar und auch während meiner zehn Jahre bei der Musikzeitschrift „Musikexpress“ habe ich noch regelmäßig Abendsendungen gemacht. Ich glaube, ich habe einen ziemlich großen missionarischen Drang, Menschen Musik näher zu bringen, die ich für hörenswert halte – weshalb ich mich sehr glücklich schätze, dass ich das auch beruflich machen kann. Ich leite heute die Musikredaktion von PULS, dem jungen Content-Netzwerk des Bayerischen Rundfunks.
RADIOSZENE: Der Markt für junge Radios in Bayern dürfte einer der härtesten in ganz Deutschland sein: hier konkurrieren Sie mit Networks wie egoFM und Radio Galaxy sowie mit zahlreichen lokalen Angeboten in Großstädten. Hinzu kommen rein digitale Programme wie Deutschlandfunk Nova. Wer sind ihre härtesten Mitbewerber? Wie grenzen Sie sich von den anderen Angeboten ab?
Christoph Lindemann: Ich freue mich, dass es viele Angebote gibt – das ist ein Gewinn für alle! Inhaltlich ist die Vielfalt allerdings nicht so groß, wie sie sein könnte. Wir glauben fest daran, dass es grade bei jungen Leuten zunehmend ein Bedürfnis nach bedeutsamen Inhalten gibt – und das betrifft Wort und Musik gleichermaßen. Die Airplay-Charts spiegeln fast immer nur wieder, was aktuell jeweils der größtmögliche gemeinsame Nenner ist – da grenzen wir uns gerne ab, indem wir an anderen Orten nach relevanten Acts suchen, ausgiebig Newcomer featuren und interessante Titel früh spielen, ohne sie vorher wochenlang auf Massentauglichkeit zu testen.
RADIOSZENE: Ihr Musikkonzept wurde 2018 von GEMA mit einem Preis für besondere Vielfalt und Innovation ausgezeichnet. Wie würden Sie die Musikausrichtung von PULS selbst definieren, wie offen ist das Format gegenüber neuen Trends am Musikmarkt?
Christoph Lindemann: Wir setzen auf ein abwechslungsreiches Musikprogramm mit Indie, HipHop, Pop und elektronischer Musik mit einem durch die Bank hohen Anteil weiblicher Acts und vielen Newcomern. Der Pop im Programm muss aber mehr als nur „populär“ sein – was nicht auf irgendeine Art innovativ und mutig ist, interessiert uns meistens nicht.
RADIOSZENE: Rap und HipHop spielen in den Single-Charts aktuell eine dominierende Rolle. Wie stark spiegelt sich die Entwicklung im Programm von PULS wider?
Christoph Lindemann: Deutschrap ist ein wahnsinnig lebendiges, kreatives Genre. Weil viele der Artists internationale Biographien haben, kommen ständig neue musikalische Einflüsse rein – das bringt viel Innovation. Aber es gibt auch Abgründe: Sexismus, Homophobie, Rassismus – sowohl im Privatleben einiger Künstlerinnen und Künstler als auch in Texten. Da wir jegliche Form von Gewalt und Diskriminierung ablehnen, kommen für uns einige Artists fürs Programm nicht in Frage. Berichten aber wollen wir trotzdem: In unserem YouTube-Format PULS Musik Analyse setzen wir uns kritisch mit den erfolgreichsten Protagonistinnen und Protagonisten des Deutschrap auseinander. Und die spannendsten, interessantesten und/oder lustigsten Tracks spielen wir durchaus auch bei PULS Radio.
„Der Musikgeschmack junger Leute ist erstaunlich vielfältig und es wäre ein Fehler, Streaming- und Verkaufscharts mit ‚Musikgeschmack der jungen Menschen‘ gleichzusetzen“
RADIOSZENE: Welche weiteren Musiktrends sind unter jungen Radiohörern derzeit besonders angesagt?
Christoph Lindemann:„Junge Radiohörer“ sind keine homogene Zielgruppe, es gibt hier keine allgemein gültigen Trends. Deutschrap zum Beispiel polarisiert extrem – im Streaming ist es das dominante Genre, gleichzeitig gibt es aber eine große Gruppe, die sich überhaupt nicht dafür interessiert, die Deutschrap schlichtweg nicht mag. Wir versuchen gerne mal, ein bisschen zu vermitteln: „Aber schau mal, Yung Kafa & Kücük Efendi zum Beispiel, das hat gar nichts mit Deutschrap-Klischees zu tun und ist ziemlich grandios!“
RADIOSZENE: Regelmäßig wird mit Blick auf die gesamte deutsche Radiolandschaft Kritik laut, dass die jungen Sender am tatsächlichen Musikgeschmack ihrer Hörer vorbeisenden – und viel zu „alte Musik“ spielen. Welche Kernzielgruppe bedienten Sie?
Christoph Lindemann: Ich kann nicht für die gesamte deutsche Radiolandschaft sprechen und das Thema ist komplex. Ich sehe „junge Menschen“ nicht als homogene Zielgruppe, weshalb mir schwerfallen würde, den „tatsächlichen Musikgeschmack“ der Hörerinnen und Hörer junger Sender zu bestimmen. Der Musikgeschmack junger Leute ist erstaunlich vielfältig und es wäre ein Fehler, Streaming- und Verkaufscharts mit „Musikgeschmack der jungen Menschen“ gleichzusetzen. Und man kann sowieso nicht alle erreichen. Wir richten uns primär an Menschen zwischen etwa 16 und 25, freuen uns aber auch, wenn ältere gut finden, was wir anbieten.
RADIOSZENE: Wie viel persönliche Gestaltungsfreiheit haben Sie bei der Musikauswahl?
Christoph Lindemann: In unserer Redaktion sind viele Musikerinnen, Musiker und DJs, die – wenn Corona nicht alles zum Erliegen bringt – jedes Wochenende auf Bühnen und in Clubs stehen. So sind wir jeden Monat direkt in Kontakt mit in der Summe tausenden von jungen Menschen. Das ist sehr wertvoll, um Trends und Entwicklungen früh zu erkennen, um Songs zu testen und die Zielgruppe zu verstehen.
RADIOSZENE: Welche Rolle spielen Musiktests?
Christoph Lindemann: Das kollektive Bauchgefühl unserer Musikredaktion ist einer unserer stärksten Trümpfe, weshalb wir einzelne Titel normalerweise nicht über zweifelhafte Telefonumfragen testen. Ich habe viel persönliche Gestaltungsfreiheit bei der Musikauswahl, aber fast alle Entscheidungen treffen wir im Team – das führt gewöhnlich auch zu besseren Ergebnissen.
RADIOSZENE: Musikjournalistische Inhalte und eine gute Zahl an Berichten über Popkultur sind ein Markenkern im PULS Programm. Wie hoch ist der Anteil musik-redaktioneller Angebote im Programm?
Christoph Lindemann: Es ist richtig, dass musikjournalistische Inhalte zum Markenkern von PULS gehören – deshalb ist entsprechender Content prominent im Programm platziert. Seit 1. Oktober 2020 wurde das noch weiter erhöht – wir haben jetzt zum Beispiel an jedem Wochentag ab Mittag vier Stunden lang eine rein musikjournalistische Sendung. Aber Musik ist bei uns generell nie Nebensache: Auch in den anderen Sendungen ist uns wichtig, Infos zu Musik zu liefern, einzuordnen, Bezüge herzustellen. Musikjournalismus findet aber bei PULS längst auch auf anderen Plattformen statt: Unsere Recherche über den rechtsextremen Rapper Chris Ares wurde auf deinpuls.de veröffentlicht und unsere PULS Musik Analyse über Frauen, die Deutschrap prägen, auf YouTube – beide wurden dieses Jahr mit dem International Music Journalism Award ausgezeichnet.
„Streaming-Dienste sind super, wenn ich eine Yoga-Playlist brauche oder schnell in neue Veröffentlichungen reinhören will. Ich werde mich aber weder weniger allein fühlen noch viel lernen“
RADIOSZENE: Sind diese Inhalte auch eine Art Abgrenzung gegenüber den Streaming-Diensten?
Christoph Lindemann: Eigentlich keine Abgrenzung – das ist einfach etwas völlig anderes. Streaming-Dienste sind super, wenn ich eine Yoga-Playlist brauche oder schnell in neue Veröffentlichungen reinhören will. Ich werde mich aber weder weniger allein fühlen noch viel lernen. Und unsere Musikredakteurinnen- und Redakteure sowie -planerinnen und -planer überraschen mehr als jeder Algorithmus – auch mich.
RADIOSZENE: Wie gehen Sie grundsätzlich mit dem Thema Streaming um?
Christoph Lindemann: Die Streaming-Dienste sind auch ein Ausspielweg – nur eben einer mit relativ beschränkten Möglichkeiten. Musikjournalismus kann hier kaum stattfinden, dafür können wir aber beispielsweise mit einer Playlist wie „Release Radar Bayern“ unser so breites wie tiefes Wissen um neue Musik aus Bayern abbilden.
RADIOSZENE: Stimmt der Eindruck, dass die Zahl der Musik Specials im Radio zuletzt etwas geringer geworden ist?
Christoph Lindemann: Es wurde etwas weniger, da wir Musikjournalismus immer auf der jeweils passendsten Plattform anbieten wollen – dementsprechend setzen wir die Ressourcen an verschiedenen Stellen ein. Manche Themen eignen sich noch immer am besten als großes Radiofeature, andere erreichen wesentlich mehr Leute als Podcast-Folge oder zehnminütiges YouTube-Video.
RADIOSZENE: Beobachter der Musikszene konstatieren, dass mit den massiven Umwälzungen durch das Internet es noch nie zuvor so viel neu verfügbare Musikveröffentlichungen gegeben habe wie heute. Hält mit dieser Lawine an Quantität auch die Qualität mit?
Christoph Lindemann: Vielleicht ist das Verhältnis zwischen anspruchsvolleren, hörenswerten Sachen und der gigantischen Menge der belanglosen Releases in etwa gleichgeblieben. Vermutlich gibt es mehr Belangloses, aber gleichzeitig auch etwas mehr kreative, bemerkenswerte Sachen. Ich bin gar kein Kulturpessimist, ich entdecke jede Woche großartige neue Musik.
RADIOSZENE: PULS setzt seit Sendebeginn sehr stark auf die Schwerpunkte Konzerte sowie die intensive Nutzung der Online-Kanäle. Sind diese Instrumente heute unverzichtbar geworden für ein junges Radio?
Christoph Lindemann: Uns ist es wichtig, dass wir mit den jungen Zielgruppen in Bayern in den direkten Dialog treten können. Das macht PULS neben dem Radio auch über zahlreiche digitale Formate, wie die „PULS Reportage“, die „PULS Musik Analyse“ oder „Die Frage“ bei YouTube, mit Podcasts, wie dem Sexpodcast „Im Namen der Hose“ oder dem Deutschrap-Podcast „Schacht und Wasabi“ und eigenen Events, wie dem PULS Open Air auf Schloss Kaltenberg.
Wir versuchen, mit der Diversität unserer Formate die Vielzahl an Interessen und Lebenswelten junger Menschen in Bayern abzubilden. Die Angebote werden gut angenommen: Mit unseren YouTube-Formaten erreichen beispielsweise mehrere Millionen Userinnen und User im Monat und unsere Podcasts standen immer wieder an der Spitze der Podcast-Charts von iTunes und Spotify. Auf Schloss Kaltenberg feierten wir zuletzt 2019 mit fast 12.000 Gästen. Dieses Jahr hat das Event aufgrund der Corona-Pandemie als Stream stattgefunden.
„Wir haben den Einsatz von Songs von Acts aus Deutschland deutlich erhöht, um den Künstlerinnen und Künstlern in der Zeit, in der sie nicht auftreten können, Reichweite und Airplay zu geben“
RADIOSZENE: Wie sehr schmerzt hier die durch Corona erzwungene Konzertpause? Welche Alternative bieten Sie den Hörern?
Christoph Lindemann: Es erschwert auf jeden Fall, effektive Newcomerförderung zu betreiben: Neuen Acts Auftrittsmöglichkeiten zu geben, ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Auch ist es schade, dass wir aktuell weniger Kontakt mit unseren Hörerinnen und Hörern haben. Aber wir verstehen und unterstützen selbstverständlich die Maßnahmen!
Als öffentlich-rechtliches Programm können wir betroffene Musikerinnen und Musikern sowie Clubs nach unseren Möglichkeiten unterstützen, indem wir ihnen eine Bühne bieten. Wir haben den Einsatz von Songs von Acts aus Deutschland deutlich erhöht, um den Künstlerinnen und Künstlern in der Zeit, in der sie nicht auftreten können, Reichweite und Airplay zu geben. Wir haben Startrampe-Sendungen über und mit einige(n) Festivals in Bayern gedreht, um im Dialog zu bleiben und ihre Situation zu thematisieren. In langen PULS-Konzertnächten im BR Fernsehen haben wir Livesessions und -konzerte vieler bayerischer Acts ausgestrahlt. Und bei unserem PULS Open Air Streaming Event haben wir große Teile der Clubszene in Bayern eingebunden und viele DJs für einen langen Livestream eingeladen. Wir machen uns ständig Gedanken, wo und wie wir unterstützen können!
RADIOSZENE: In welcher Form hat die Coronakrise Ihren Arbeitsbereich organisatorisch und inhaltlich verändert?
Christoph Lindemann: Wie viele andere Teams auch arbeiten wir überwiegend im Homeoffice. Senderedakteurinnen und -redakteure und Co-Mods haben Wege gefunden, außerhalb des Sendestudios vor der Scheibe die Sendungen zu begleiten. Wir haben uns im April schon recht schnell gut in der neuen Situation organisiert. Meetings halten wir über Videokonferenzen ab. Es ist in Ordnung, aber wir vermissen fast alle den Austausch und den menschlichen Kontakt beim Arbeiten im Team.
RADIOSZENE: Welchen Stellenwert hat in Ihren Konzepten die wachsende Bedeutung von Podcasts – und hier im Besonderen die Podcasts mit Musikinhalten?
Christoph Lindemann: Podcasts sind großartig, um Themen tiefergehend zu behandeln. Mit Schacht & Wasabi haben wir schon einen der wichtigsten Deutschrap-Podcasts und bald werden wir im Musikbereich noch nachlegen.