Was fällt uns ein zum Thema „Schwarzwald“? Nun, zunächst die üblichen Gemeinplätze – wie etwa düsterer und weitläufiger Tannenwald, leckere Kirschtorten, sangesfreudige Wanderbrigaden, Kuckucksuhren, fesche Mädels mit ihren markanten Bollenhüten, aber auch das Thema Waldsterben. Ach ja, und die „Schwarzwaldklinik“ natürlich – ein wirklich böses Klischee! Und sonst? Vielleicht noch der nimmermüde SC Freiburg, der mit seinem charismatischen Trainer Christian Streich immer wieder die erste Fußballbundesliga aufmischt.
Es gibt in der Tat zahlreiche Assoziationen zu Deutschlands höchsten und größten zusammenhängenden Mittelgebirge, dessen Ausläufer sich auf einer Fläche von über 6.000 Quadratkilometern vom Kraichgau im Norden bis an die Schweizer Grenze und den Bodensee im Süden erstrecken.
Wie seine zahlreichen Mythen und Sagen bleibt der Schwarzwald für die meisten Menschen eine geheimnisumwitterte, wenig transparente Region. Zu Unrecht. Beim Blick auf die Höhen der Berge hat sich die Natur vom großen Waldsterben der 1980er-Jahre erholt, mit dem regenerierten Baumbestand kehren längst ausgerottete Tierarten in die urtümlich anmutenden dunklen Wälder zurück. Und der Tourismus boomt: so ist der „Black Forrest“ die wichtigste Urlaubsregion des Bundeslandes Baden-Württemberg und das meistbesuchte Erholungsziel unter den deutschen Mittelgebirgen. Eine Entwicklung, die durch die Einrichtung von Nationalparks weiter vorangetrieben wird.
Kaum zu glauben dagegen ist für Ortsfremde, dass die umtriebigen Schwarzwälder Tüftler inmitten dieser landschaftlichen Idylle schon früh eine florierende und umweltverträgliche Präzisionsindustrie auf die Beine gestellt haben – wie etwa in den Bereichen Uhrenproduktion, Edelmetallverarbeitung oder Unterhaltungselektronik. So versorgten etwa zur Blütezeit der Schallplatte im 20. Jahrhundert Traditionsmarken wie SABA oder DUAL Deutschland und die Welt mit modernsten Grammophonen, Schallplattenspieler und sonstigen Hi-Fi-Geräten.
Seit dem 1. Juli 2008 ist der Schwarzwald auch im Radio angekommen. Ursprünglich nur mit einer lokal auf das Kinzigtal begrenzten UKW-Frequenz sendet Schwarzwaldradio aus dem Offenburger Funkhaus ein 24-stündiges MOR-Musikprogramm unter dem Motto „Classic Hits und Super Oldies“.
Die spätere Aufschaltung ins baden-württembergische DAB+ Netz wurde durch eine konsequente redaktionelle Ausrichtung zum „Offiziellen Ferienradio für den Schwarzwald“ begleitet. In diesem Zuge erfolgte eine Partnerschaft mit der Schwarzwald Tourismus GmbH, als Dachorganisation der Schwarzwälder Landkreise, Gemeinden und Städte.
Seit dem 1. September 2016 ist Schwarzwaldradio in ganz Deutschland im ersten DAB+ Bundesmux zu empfangen.
Im Gespräch mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich erläutert Schwarzwaldradio-Geschäftsführer Markus Knoll sein Programmkonzept und zieht eine erfolgreiche Bilanz nach der Aufschaltung zur bundesweiten DAB+ Verbreitung.
„Schwarzwaldradio ist kein Retortenprogramm ohne Moderatoren oder ausschließlich mit voicegetrackten Sendungen“
RADIOSZENE: Wie sehr hat die Corona-Pandemie die Sendeinhalte im Funkhaus Ortenau verändert?
Markus Knoll: Einige Sonderformate in den Abendsendungen haben wir bis in den September gezogen. Neu und dauerhaft bei Schwarzwaldradio ist die „Zeitmaschine“, sonntags ab 9.00 Uhr: Jede Woche ein neues musikalisches Jahr aus den 60ern bis in die 2000er-Jahre. Mit allen Hits des Jahres und vielen kleinen Anekdoten.
RADIOSZENE: Schwarzwaldradio ist ja im Kern auch ein Tourismussender für die Region. Haben Sie in dieser besonderen Situation noch gezielter für Ferien im Urlaubsgebiet Schwarzwald geworben? Die Deutschen sollten in diesem Jahr ihren Urlaub aufgrund der Pandemie vermehrt in heimischen Gefilden verbringen…
Markus Knoll: Es verging in den Sommerferien kaum ein Tag, an dem wir nicht Besuch von Hörern im Studio hatten, die sich „ihr“ Schwarzwaldradio anschauen wollten, wenn sie schon mal in der Gegend sind. Mehr als die Hälfte davon waren „Schwarzwald-Novizen“. Urlaub in Deutschland – wir haben es deutlich gemerkt. Und ja: alle hatten Masken auf!
RADIOSZENE: Welche Idee genau steckt hinter Schwarzwaldradio? Wen konkret wollen Sie an Kernzielgruppe in erster Linie ansprechen?
Markus Knoll: Schwarzwaldradio ist kein Retortenprogramm ohne Moderatoren oder ausschließlich mit voicegetrackten Sendungen. Hier arbeiten Menschen, die sich vor allem für Musik begeistern können – aber natürlich auch für eine der schönsten und abwechslungsreichsten Urlaubsregionen Deutschlands. Und bis auf einen ganz kurzen Nachrichtenabriss zur vollen Stunde kommt unser Programm auch gänzlich ohne schlechte Meldungen aus, inklusive Corona nebst Zubehör. Das Leben ist schön und das feiern wir jeden Tag. Wir sind Balsam für die Seele. Zum Hören.
RADIOSZENE: Viele Menschen außerhalb der Region verbinden mit dem Schwarzwald zunächst ein etwas provinzielles Erholungsgebiet für die ältere Generation. Ein Vorurteil?
Markus Knoll: Die Zeiten, in denen im Schwarzwald nur alte Menschen anzutreffen waren, die ihre Knochen in Thermalwasser gehalten haben sind zum Glück lange vorbei. Neben dem Europa-Park gibt es mittlerweile ganz viele Attraktionen im Schwarzwald: Von der Zip-Line, über waghalsige Hängebrücken bis hin zu Mountainbike-Trials, Wellness-Oasen und ungewöhnlichen Übernachtungsformen. Vom Weinfass über das Baumhaus bis zum Heuschober. Im Schwarzwaldradio wird es schon seit vielen Jahren niemanden mehr langweilig.
RADIOSZENE: Welche weiteren Programmschwerpunkte sind auf Schwarzwaldradio zu hören?
Markus Knoll: Wir wollen mit unserem Programm musikalisch und touristisch informieren und unseren Hörerinnen und Hörern das berühmte „gute Gefühl“ geben. Zusätzlich arbeiten wir immer wieder an neuen „Überraschungsmomenten“ im Programm. Einige davon sind in diesem Interview zu lesen.
RADIOSZENE: Das Musikprogramm wirbt auch unter dem Slogan „Deutschlands größte Musikbox“. Mit welchem Musikmix setzen Sie diese Ankündigung in der Sendewirklichkeit um?
Markus Knoll: Alle Songs, die vor der Jahrtausendwende eingespielt wurden, kommen in die Suppe. Unsere Datenbank hat Tausende von Titeln, darunter sehr viele, die von Musikberatern über Jahrzehnte aus den Programmen herausberaten wurden. Unser Ziel: Eine Mischung an den Start zu bringen, die selbst der Algorithmus von Spotify nicht hinbekommt. Was die genaue Mischung anbelangt, so arbeiten wir nach dem „Coca-Cola-Prinzip“: Alle haben versucht, die Rezeptur zu kopieren, aber keiner hat es geschafft.
„Die Zeiten, in denen im Schwarzwald nur alte Menschen anzutreffen waren, die ihre Knochen in Thermalwasser gehalten haben sind zum Glück lange vorbei“
RADIOSZENE: Für die Freunde musikredaktioneller Inhalte haben Sie zudem ein sehr umfangreiches Angebot parat. Wie wichtig sind diese Shows für Ihre Hörer? Wie stark werden sie genutzt?
Markus Knoll: Gerade in diesen schwierigen Zeiten hat Schwarzwaldradio die Menschen abgeholt: Mit unseren Vinyl– und Spieleabenden, der Tanzparty durch die Tanzschulen Deutschlands, unsere „Nächte der langen Dinger“, in denen nur Maxi-Versionen gespielt wurden und viele weitere mehr. Mit diesen Spezialsendungen machen wir auf uns aufmerksam und nicht wenige Menschen bleiben danach unserem Programm treu. Das gilt natürlich auch für unsere fast schon klassischen Formate wie die „Soul Classics“, „Die 80er-Show“ oder „Legenden live“.
RADIOSZENE: Ihr Sender hat seine Reichweite in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert – zuletzt sogar um rund 20%. Wo liegen die Gründe für diese erfreuliche Entwicklung?
Markus Knoll: Schwarzwaldradio hat in der letzten MA seine Stundennettoreichweite sogar fast verdoppelt und ist damit national zumindest so weit angekommen, dass wir glauben, innerhalb weniger Jahre den Sendebetrieb auch wirtschaftlich abbilden zu können. Wir sind gekommen, um zu bleiben. Unsere unfassbar schöne Musikmischung und auch die Nähe zu unseren Hörern zeichnen uns aus. Wir nehmen uns die Zeit zum Antworten und sind da. Immer. Egal mit welchem Anliegen. Hier antwortet der Chef sogar noch selbst …
RADIOSZENE: Seit 2016 senden Sie bundesweit via DAB+. Wie stark hat sich die Hörerschaft auch außerhalb Ihrer Stammregion vergrößert?
Markus Knoll: Bei Schwarzwaldradio kommt aktuell nur noch ein gutes Drittel aus dem Südwesten. Der Rest verteilt sich über die Republik. Schwerpunkte erkennen wir in NRW, im Norden und auch verstärkt im Osten unserer schönen Republik.
RADIOSZENE: Welches Bevölkerungsklientel nutztbevorzugt Ihren Sendern?
Markus Knoll: Besonders oft schreiben uns neue Hörer, dass Sie Dank Schwarzwaldradio wieder Freude am Medium Radio gefunden haben. Bisweilen hatten einige von ihnen schon mehrere Monate überhaupt kein Radio mehr eingeschaltet. Ein Hörer aus Stuttgart rief kürzlich an und meinte, er habe bei unserem Sender den Song gehört, der zuletzt vor 45 Jahren bei ihm und seiner Frau im Tanzkurs gelaufen ist und seitdem nie wieder. „Da haben wir uns in den Arm genommen und uns ganz arg gefreut. Seitdem ist Ihr Sender bei uns auf Nummer eins gesetzt“. Glücklicherweise kein Einzelfall. Wir stellen das Leben unserer Hörerinnen und Hörer musikalisch auf „Repeat“: Mit dem Soundtrack ihres Lebens.
RADIOSZENE: Sie waren gemeinsam mit einigen wenigen Sendern Pioniere beim Aufbau von bundesweitem Digitalradio. Und dies gegen viele Widerstände. Wie sehr zufrieden sind Sie mit der bisherigen Entwicklung beim Digitalfunk?
Markus Knoll: Wir haben uns anfänglich von unseren Kollegen einiges anhören dürfen: Man wollte uns selbstlos beim „Kohle verbrennen“ helfen, uns einen Drink spendieren oder uns ein Digitalradio schenken „damit wenigstens ein Gerät verkauft wird“. Mittlerweile ist es in dieser Fraktion ziemlich ruhig geworden und die ehemaligen UKW-Verfechter versuchen jetzt fieberhaft ihre Digitalschäfchen ins Trockene zu bringen. Wer in fünf Jahren nicht auf DAB+ sendet, wird im Markt ernsthafte Probleme bekommen. Die DAB+ Pflicht in Neuwagen und der Start des zweiten Bundesmux werden DAB+ weitere Marktanteile bescheren. Rückwirkend hätten wir auch zwei oder drei Jahre später einsteigen können, hätten dann aber keinen Platz auf dem ersten Bundesmux bekommen. Daher freuen wir uns, lieber etwas zu früh als deutlich zu spät dran gewesen zu sein.
„Wer in fünf Jahren nicht auf DAB+ sendet, wird im Markt ernsthafte Probleme bekommen“
RADIOSZENE: Was muss weiter geschehen, um DAB+ noch stärker im Bewusstsein der Menschen in Deutschland voranzubringen?
Markus Knoll: Durch die neuen Sender, die jetzt an den Start gehen, gibt es weitere Impulse, weil viele der Stationen ja schon Hörer mitnehmen, die spätestens jetzt auf DAB+ umsatteln. Und mit dem jetzigen Marktanteil hat DAB+ eine kritische Marke überwunden. Da ist nun viel Eigendynamik drin. Und unser Digitalradio e.V. macht auch einen tollen Job, in dem er öffentlich-rechtliche und private Anbieter aber auch alle namhaften Hersteller verbindet.
RADIOSZENE: Sind Special-Interest-Formate wie Schwarzwaldradio die idealen Zugpferde um DAB+ in der Radiowelt dauerhaft als Erfolgsmodell zu verankern?
Markus Knoll: Natürlich sind wir thematisch spitz zugeschnitten aber unsere Musikmischung überzeugt auch den absoluten „Nicht-Schwarzwälder“, wenn es ihn denn gibt. Formate wie unsere bringen Schwung in den Radiomarkt. Mit dem 58. Sender der wahlweise „Die größten Hits aller Zeiten“, „Die größten Hits aus vier Jahrzehnten“ oder „Den 50/50 Mix“ runterdudelt, werden künftig eher nur noch kleine Würste vom Teller gezogen. Das Radio von heute muss in allen Belangen überraschen und sich auch ein bisschen was trauen. Und für seine Hörer da sein.
RADIOSZENE: Die Radiowerbung hat sich nach erster Corona-Schockstarre zuletzt wieder überraschend gut erholt. Kommen die Werbeeinnahmen auch bei den vergleichsweise kleinen Sendern an?
Markus Knoll: Irgendwas fällt auch für die kleinen immer durchs Netz. Und nachdem Schwarzwaldradio einen tollen überregionalen und nationalen Vermarkter hat, liegen nun auch in unserem Keller ein paar Kartoffeln für den bevorstehenden Winter.
Allerdings langen die noch nicht zum Überleben. Schwarzwaldradio wird auch dieses Jahr mit tiefroten Zahlen abschließen. Aber das ist bei einem „Start up“, als das wir uns sehen, nicht unüblich. Aber es ist Licht am Ende des Tunnels und es ist sicher kein entgegenkommender Zug.
RADIOSZENE: Mit welchen nächsten Entwicklungsstufen planen Sie bei Schwarzwaldradio?
Markus Knoll: In den kommenden Monaten werden wir neue Sendeformate an den Start bringen, neue Aktionen ins Programm heben, zusammen mit der Media Broadcast in Baden-Württemberg weitere Straßentunnel digitalisieren und uns gemeinsam mit unseren Hörern über unser gelungenes Programm freuen. Und mit wachsendem Erfolg auch unsere moderierten Sendestrecken ausdehnen.