Das Faktum ist schnell erzählt: Jetzt zahlt jeder für ARD und ZDF, und zwar ausnahmslos.
Die ersten Schlussfolgerungen sind fast genauso schnell erzählt: Die Anstalten haben damit die perfekte Basis an Zwangskundschaft. Ab jetzt hilft nichts mehr, sich zu drücken. Hartz-IV-Empfänger werden nicht mehr befreit, sondern bekommen ihre Rundfunkgebühr zusätzlich vom Amt. Nicht einmal, wenn sich ganz Deutschland von sämtlichen TV-, Radio-, Computer-, Handy- und sonstigen rundfunktauglichen Geräten trennen würde – zahlen müsste sogar ein freiwilliges Morgenthau-Land, und zwar, dank gesetzlicher und höchstrichterlicher Rechtsgrundlage, nicht nur für den Bestand, sondern auch die Weiterentwicklung nach Maßgabe der Anstalten selbst.
Der entscheidende Punkt ist, dass die neue Rundfunkgebühr damit eine Art Supersteuer geworden ist. Einkommen und Verbrauch sind komplett entkoppelt. Es gibt keine andere Steuer, die derart maximale Priorität genießt und keine andere Institution, die derart abgesichert ist. Wer wenig Umsatzsteuer zahlen möchte, kauft halt wenig ein. Wer keine Lust auf Einkommensteuer hat, arbeitet weniger oder gar nicht. Steuern und Abgaben haben immer mit dem zu tun, was einer bekommt, verbraucht oder unternimmt. Nur nicht die neue Rundfunkgebühr. Dank ihr sind die öffentlich-rechtlichen Anstalten ab jetzt sogar sicherer als der Staat.
Das ist ja zurzeit bekanntlich deutlich zu beobachten. Jedes Jahr muss die Bundesregierung jetzt ihre Ausgaben um zehn Milliarden Euro kürzen. Die Gründe dafür kennen wir, der Staat hat zu viele Schulden. Und auch die politischen Talkshow der öffentlich-rechtlichen Sender diskutieren gerade viel über die Frage, wo überall gespart werden könnte, bemühen wie üblich die Ärmsten, denen angeblich das meiste genommen werde, fragen kritisch, warum die Reichen nicht mehr zahlen könnten und meinen damit natürlich nie sich selbst oder ihre Anstalt.
Daraus spricht eine Einstellung, die etwa dem entspricht, was den Politikern häufig zurecht vorgehalten wird, dass sie nämlich die Bodenhaftung verloren hätten, sich als politische Klasse verselbständigt und „dem Volk“ eher virtuell denn lebendig verbunden seien. Auf ähnliche Weise hat sich auch das öffentlich-rechtliche System in höhere Sphären verabschiedet. Die, die uns dort besenden, sind eine mächtige, moderne Oberklasse, die sich konsequent abschottet. Sie haben nur noch wenig mit denen zu tun, deren Geld sie einsammeln. Jedenfalls die Festangestellten müssen sich wenig um ihr Alter sorgen, um ihre nächste Gehaltserhöhung, ihren Urlaub, ihren Arbeitsplatz.
Das eigentlich Bedenkliche ist aber, dass diejenigen, die die neue Rundfunksteuer beschlossen haben, dieselben sind, die auch sonst in Staat und Politik den Ton angeben. Was sie hier tun, ist natürlich höchst unpopulär, aber sie tun es dennoch, und zwar einvernehmlich, quer durch alle Parteien.
Zum einen werden sie dafür ihre Gründe haben, zum anderen müssen sie aber auch nicht groß befürchten, dass die mit breiter Medienmacht hinterfragt werden. Die erste, zweite, dritte und vierte Gewalt im Staat arbeiten Hand in Hand.
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.
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