„Nichts ist luxuriöser als ne eigene Radioshow zu haben“

WDR4-Songpoeten mit Wolfgang Niedecken (© WDR/Annika Fußwinkel)Musikkünstler am Hörfunkmikrofon, ein Trend der sich im deutschen Radio weiter fortsetzt. Laut einer aktuellen Zählung von RADIOSZENE tauschen bundesweit weit mehr als 50 Musiker regelmäßig das Aufnahme- mit dem Sendestudio und produzieren on air eine vielfältige Palette hörenswerter Radioshows.

Dass sich Musiker und Sänger auch als Moderatoren einem Radiopublikum präsentieren ist allerdings beileibe keine neue Erkenntnis. Schon immer wechselten Künstler die Seiten vom Tonstudio zu den Radioreglern – und wieder zurück. Wie etwa der Schlagersänger Bernhard Brink (Hundert,6 und Antenne Brandenburg), Dave Colman (WDR 2), Bernd Clüver bei SWF 1 („Vom Telefon zum Mikrofon“) oder der Liedermacher Stefan Waggershausen, der bei RIAS und SFB beliebte Shows moderierte.

Peter Urban (Bild: ©NDR)
Peter Urban (Bild: ©NDR)

Peter Urban bediente vor seiner Zeit als NDR-Musikexperte die Keyboards bei der Hamburger Band Bad New Reunion, Programmmanager und Moderator Uwe Schneider gründete lange vor seinem Wirken beim Radio (unter anderem Rias und Hundert,6) als 12-Jähriger in den 1970er Jahren die erfolgreiche deutsche Boygroup The Teens (mit über 5 Millionen verkaufter Tonträger) – und nicht zu vergessen den ehemaligen Beatmusiker Lord Knud, der auf seine sicher gewöhnungsbedürftige Art mit allerlei derben Witzen über viele Jahre beim RIAS die „Schlager der Woche“ moderierte. Bei Radio Luxemburg waren – neben Rolf Zuckowski – saisonweise während der Urlaubszeit im Sommer die deutschen Schlagergrößen Ulla Norden, Jürgen Marcus oder Volker Lechtenbrink auf Sendung. 

Peter-Maffay-Show (Bild: Radio RSA/Eric Kemnitz)
Peter-Maffay-Show (Bild: Radio RSA/Eric Kemnitz)

Eine Namensliste die sich beliebig ergänzen ließe – wie beispielsweise um den  Jazzmusiker und ehemaligen Leiter der NDR-Jazzredaktion Michael Naura – oder um Matthias Holtmann, der vor seiner Tätigkeit beim Süddeutschen Rundfunk beziehungsweise Südwestrundfunk als Drummer bei der deutschen Progressive-Rock-Band Triumvirat engagiert war.

Aktuell umfasst die Liste an Namen aktiver Künstler im Sendestudio vermehrt die Beletage deutscher Musikschaffender: so gestaltet seit 2019 nun auch Peter Maffay eine wöchentliche Radioshow beim sächsischen Privatsender R.SA Sachsen.

Seit vielen Jahren ist die deutsche Jazzgröße Till Brönner beim bundesweiten Radiosender Klassik Radio mit einer wöchentlichen Spezialsendung zu hören.

Till Brönner (Bild: ©Klassik Radio)
Till Brönner (Bild: ©Klassik Radio)

Das mit einer vielfachen Anzahl hochkarätiger Musikpreise (unter anderem “Echo“, “Preis der Deutschen Schallplattenkritik“, “Landesverdienstorden Nordrhein-Westfalen“, “Grammy-Nominierung“) ausgezeichnete Multitalent präsentiert dort eine Musikshow, die sich auch bei Popmusikfans einer hohen Beliebtheit erfreut.

Der gebürtige Niederrheiner ist der erfolgreichste deutsche Jazztrompeter. Brönner studierte Jazztrompete an der Hochschule für Musik Köln. 2009 wurde er zum Professor an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden berufen. Seit dem Wintersemester 2009/2010 lehrt er dort zusammen mit  Malte Burba  in der Fachrichtung Jazz, Rock und Pop. 

Von Brönners 19 Studio-Alben wurden alleine elf Alben vom legendären Universal-Label „Verve“ veröffentlicht. Seine meist in Los Angeles aufgenommenen Longplayer erreichten wiederholt Goldstatus. Seit 2010 arbeitet der Musiker verstärkt auch als Fotograf.


Im Interview mit RADIOSZENE spricht Till Brönner über die Show bei Klassik Radio und seine ganz persönliche Beziehung zum Radio.

 

„Ich kenne eigentlich keinen Menschen, der nicht mit Radio irgendetwas Positives verbindet“

 

RADIOSZENE: Herr Brönner, wann sind Sie erstmals mit dem Radio in Kontakt gekommen?

Till Brönner
Till Brönner

Till Brönner: Ich kenne eigentlich keinen Menschen, der nicht mit Radio irgendetwas Positives verbindet. Mein Vater war es, der immer am Sonntagmorgen zum Frühstück eine Jazz-Sendung beim WDR gehört hat. Das darf man ruhig sagen, denn ich wohnte in Bonn und Köln. Die Sendung hieß „Swing und Balladen“. Tatsächlich habe ich auf diesem Weg meine ganzen heutigen Idole auch kennengelernt. Das Radio ist schon nach wie vor eine Sensation! Vielleicht nicht mehr technisch aber als Medium.

RADIOSZENE: Seit einigen Jahren moderieren Sie bei Klassik Radio eine wöchentliche Show. Wie gefällt Ihnen der Zusatzjob als Radiomoderator?

Till Brönner: Ich mache das ja mittlerweile schon seit vielen Jahren und muss sagen: Nichts ist luxuriöser als eine eigene Show zu haben, die einfach nur die “Till Brönner Show“ heißt. Ich habe keine andere Aufgabe außer das zu spielen, was mir persönlich wirklich am meisten gefällt – und das ist, glaube ich, sowas Ähnliches wie die Rolle eines Paradiesvogels. Noch dazu, weil bei Klassik Radio sonst ein ganz anderes Musikprogramm zu hören ist. Aber es ist für mich keine Arbeit, es ist für mich so, als ob ich mich abends einfach vor meinen privaten Plattenschrank setze und sage: „Worauf habe ich denn jetzt mal Lust?“

RADIOSZENE: Nach welchem Motto stellen Sie die Musik und Themen der Sendung zusammen?

Till Brönner: Das ist einmal natürlich sehr biographisch geprägt. Ich habe nicht so viel Musik auf dem Sendeplan, die ich selbst gespielt habe. Das wird am Ende wahrscheinlich so ein bisschen wie der Blindenhund sein, der dann knurrt. Ich versuche das vorzustellen, was mir damals in meiner Jugend so wichtig war: Frank Sinatra, Louis Armstrong, Freddie Hubbard, Barbra Streisand und die ganzen Singer-/Songwriter … und da kommt einiges zusammen. Natürlich ist auch aktuelle Musik dabei, aber wir sind keine Show, die Interviews oder Tagesaktuelles bringt. Ich glaube die Menschen wollen sich freitags und samstags von 20.00 bis 22.00 Uhr hinsetzen und im Prinzip sowas Ähnliches genießen wie „den berühmten schönen Abend“ – an dem man sich auch mal ein Fläschchen Wein aufmacht.

Klassik Radio fb

RADIOSZENE: Was kann ein Musiker den Hörern besser vermitteln als ein Radiomoderator?

Till Brönner: Ich hab mich gar nicht so sehr mit der Frage auseinander gesetzt, warum ich das so gut kann und ich vergleiche das auch gar nicht. Aber ich habe großen Spaß daran und ich habe festgestellt, dass ich Musik immer mehr auch selber so hören möchte, wie das jemand tut, der das vielleicht nicht studiert hat. Ich kenne natürlich die ein oder andere Geschichte wie bestimmte Musik entstanden ist und kann das eine oder andere Musikstück auch beurteilen –  es soll aber keine Show sein, die mit dem Zeigefinger um die Ecke kommt. Musik muss leicht sein … und manchmal ist es vor allem auch wichtig, das so leicht wie möglich aussehen zu lassen … auf der Bühne und beim Moderieren natürlich genauso.  

RADIOSZENE: Wie viel hören Sie heute selbst noch? Was gefällt Ihnen beim Radio?

Till Brönner: Für mich ist Radio nach wie vor ein wahnsinnig spannendes, aktuelles und hippes Medium. Es ist dem Radio eigentlich schon viele Jahre der Exitus prophezeit worden. Das Gegenteil ist der Fall. Man kann Radio wunderbar hören – zum Beispiel alleine im Auto die Nachrichten. Ich bin totaler News-Fan, muss ich sagen. Ich höre eigentlich ständig Radio. Zudem steht man nicht unter dem gleichen Erwartungs- oder Quotendruck in dem Sinne wie andere Medien.

 

„Mut zur Personality, der man vertraut“

 

RADIOSZENE: Was würden Sie gerne ändern?

Till Brönner: Früher hatte ich oft das Gefühl eine Show hören zu wollen  – die ja damals vor allen Dingen gar nicht Show hieß -, weil derjenige, der sie moderierte auch sehr genau kannte wovon er da sprach. Insofern war es damals auch möglich, dass ich den Menschen im Radio mit ihrer Moderation und Musikauswahl einfach so vertraute, weil sie mir bis dato unbekannte Musik mit großer Überzeugung nahegebracht haben. Es gibt diesen Satz, den ich ganz fürchterlich finde: „Wir machen keine Hits, wir spielen sie“. Der stammt natürlich aus dem Formatradio. Aber wie man nicht zuletzt auch an meiner bescheidenen Show sieht, ist es doch so, dass es tatsächlich dann oft der Moderator ist der neue Musik entdeckt und sie den Hörern im Radio nahebringt. Und dies, ohne dass sie vorher schon auf Youtube und dergleichen zu finden sind oder getestet wurden. Ich glaube das Fazit und die Message muss sein: Mut zur Personality, der man vertraut.

RADIOSZENE: Welche Projekte als Musiker stehen bei Ihnen an?  

Till Brönner: Ich bin ziemlich sportlich ins neue Jahr gestartet. Als Musiker ist das vor allem immer mit Reiserei verbunden. Ich mache das jetzt seit 35 Jahren und bin eigentlich eher hauptberuflicher Kofferträger, weil ich einfach dauernd den Ort wechseln muss. Das wird natürlich auch noch ein paar Jahre so weitergehen. Ich habe mittlerweile die Fotografie zu einem großen Thema in meinem Leben machen dürfen. Das macht mir, weil ich es wirklich als Pendant zur Trompete ausüben kann, inzwischen so viel Spaß, dass es eigentlich mein zweiter Beruf geworden ist. Es gibt eine neue Ausstellung in der Villa Schöningen in Potsdam, die ab dem 8. April für vier Monate dort zu sehen ist. Dies ist eine Ausstellung über das Ruhrgebiet, aber auch über Themen und Strukturwandel, mit denen wir in Deutschland aktuell allgemein viel zu tun haben.

Till Brönner

2020 wird ein neues Album erscheinen. Ich habe ja schon eine ganze Weile keines mehr veröffentlicht. Dieses Werk ist zusammen mit dem amerikanischen Jazz-Pianisten Bob James entstanden. Wir sind zusammen in der Provence in Südfrankreich in ein Studio gegangen, das mittlerweile ziemlich berühmt-berüchtigt ist und haben uns 10 Tage eingeschlossen. Da ist etwas herausgekommen, was zumindest momentan noch den Arbeitstitel „On Vacation“ trägt. Das wird dann irgendwann, wahrscheinlich im Sommer, auch erscheinen. Wer hätte das gedacht?!