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Musiktrends im Radio 2020 Teil 1: „Emotionen sind wichtig“

Große Umfrage zu aktuellen Musiktrends im Radio (Bild: ©kzenon/123RF.com)

The Trend is your Friend! Wie entwickelt sich die Musik im Radio? RADIOSZENE stellte hierzu Musikverantwortlichen deutscher Hörfunkstationen folgende Fragen:

  1. Welche sind die aktuellen Musiktrends im Radio in Ihrem Sendegebiet? 
  2. Werden sich diese Richtungen fortsetzen, sind bereits neue Trends in Sicht?
  3. Welche waren für Sie die Top Songs und Top Alben in 2019?
  4. Wie sehen Sie die derzeitige Entwicklung deutschsprachiger Musik?

Dabei lieferten die Macher aus den Musikredaktionen eine Vielzahl interessanter Hinweise auf die aktuellen und kommenden Musikströmungen. Fazit: es bleibt spannend – und: deutsche Musik ist bei allen Formaten weiter im Kommen! 

MusicMaster: Trends perfectly in flow.

Wegen der sehr hohen Beteiligung durch zahlreiche Entscheidungsträger veröffentlichen wir die Antworten in drei Ausgaben.


 

„Der Markt von deutschsprachiger Musik ist jetzt breit besetzt“

 

Gregor Friedel, SWR3, Musikchef

Gregor Friedel1) + 2) Nachdem der Markt im vergangenen Jahr von jungen Männern geprägt war, die als Einzelkünstler (und nicht im Bandkontext) für Aufmerksamkeit sorgten, kann man für dieses Jahr eine Vielzahl unfassbar talentierter und toller Frauen feststellen, von denen wir in 2020 viel hören werden und die vielleicht und hoffentlich marktbestimmend sein werden.

3)  Meine beiden Lieblingssongs des vergangenen Jahres kamen erst spät: “Blinding Lights“ von The Weeknd und “Nice To Meet Ya“ von Niall Horan. Ansonsten wie alles von Sam Fender und alles von Celeste – was für unfassbar talentierte Künstler.

4) Da hat sich nichts zu meiner Aussage des vergangenen Jahres geändert: Der Markt von deutschsprachiger Musik ist jetzt breit besetzt. Nun kommt es darauf an, wem es gelingt, etwas Eigenes in den Ring zu werfen, um zu reüssieren. Es gibt im Mainstream kaum noch Nischen, die noch nicht besetzt sind und in die man sich zwängen kann, ohne dabei nicht mehr als ein „Me-too-Produkt“  zu sein und nicht als originär wahrgenommen zu werden. (Bild: ©SWR3/Stephanie Schweigert)


 

„Die aktuellen Musiktrends in der Radiolandschaft sind bunt gemischt“

 

Patrick Morgan, BIGFM, Programmdirektor / Leitung Musikredaktion

Patrick Morgan1) Die aktuellen Musiktrends in der Radiolandschaft sind bunt gemischt. Zum einen ist Deutschrap gerade sehr gefragt neben melancholischem Singer/Songwriter Pop. Aber auch EDM der auf 90sample basiert findet sich immer mehr. Blicken wir auf den internationalen Einfluss, lassen sich immer mehr Korean Pop und rhythmische Latinoklänge bei uns hören.

2) In der ersten Hälfte des Jahres bleiben diese Sounds sicher federführend und werden nur in der Festivalsaison wieder von einigen sommerlichen Produktionen überschattet werden.

3)  Oh, das ist eine gute Frage und gar nicht so leicht zu beantworten, da 2019 ein Jahr mit vielen tollen Künstlern war. Zu meinen Tops gehören aber sicherlich Mabel, Lil Nas X, RAF Camora, Juju, Kontra K, Summer Cem und Apache 207. Mein Top Album 2019 war von Post Malone “Hollywood“.

4)  Deutschsprachiger Rap wird immer populärer und massentauglicher, weshalb er sich musikalisch auch mit andern Sound-Genres verbindet, und zieht somit Menschen von jung bis alt in seinen Bann. (Bild: ©bigFM)


 

„Rock ist so gut wie verschwunden aus unseren Playlisten“

 

Kathrin Weiß, 89 0 RTL, Leitung Musikredaktion

Kathrin Weiß1) Im Trend sind weiterhin Pop-Dance und Dance Songs wie Meduza “Lose Control“ oder Vize “Stars“. Dieser Sound prägt zum größten Teil unser Programm. Rock ist so gut wie verschwunden aus unseren Playlisten.

2)    Das Schöne an Musik ist, dass wir immer wieder mit Neuem überrascht werden. Auch unsere Hörer haben stetig wechselnde Anforderungen an unser Musikprogramm. Wir versuchen dem immer gerecht zu werden und anzubieten, was gerade geliebt wird.

Auch in diesem Jahr erlaube ich mir da keinen Blick in die Glaskugel. Ich bin gespannt was uns 2020 erwartet!

3)  Top Album: Billie Elish “When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“

     Top Song: LUM!X & Gabry Ponte “Monster (Robin Schulz Remix)“

4)   Die Beliebtheit von deutschen Song in unserem Programm ist wellenartig steigend und fallend. Im Moment spielen wir so gut wie keine deutschen Songs, vor drei Monaten wusste ich nicht, wie ich die Masse an guten, beliebten deutschen Songs im Programm unterbringen soll.

Eines haben sie alle gemeinsam: eine relativ kurze Lebensdauer. Die wenigsten schaffen es in die Backrotation, da sie dem Hörer schneller negativ auffallen als englischsprachige Hits. (Bild: ©Neumeister photography)


 

„Neben den klassischen Radiohits zeichnet sich der Radiomarkt in Berlin und Brandenburg durch eine hohe Affinität zu elektronischer Musik aus“

 

Holger Lachmann, FRITZ, Musikchef

Holger Lachmann1) Neben den klassischen Radiohits zeichnet sich der Radiomarkt in Berlin und Brandenburg durch eine hohe Affinität zu elektronischer Musik aus. Besonders der sogenannte Brazilian Bass hat sich in den letzten Monaten durch Künstler wie Vize, Dynoro oder Gaullin großer Beliebtheit erfreut. Ebenso haben Tracks von Meduza, DJ Regard oder Loud Luxury den Weg aus den Clubs ins vordere Airplay geschafft. 

2) Da der Radiomarkt in Berlin und Brandenburg nicht zuletzt wegen seiner vielen Jugendsender erfahrungsgemäß im nationalen Vergleich progressiv ist, wird sich dieser Trend 2020 voraussichtlich auf den nationalen Markt ausweiten.

3) Songs: Trettmann + KitschKrieg feat. Alli Neumann “Zeit steht still“, Billie Eilish  “Bad Guy“ und Travis Scott  “Highest In The Room“: Alben: Billie Eilish  “When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“, Sam Fender  “Hypersonic Missiles“, Apache 207 “Platte“

4) Der große Deutschrap-Hype der vergangenen Jahre entfernt sich bis auf ein paar Ausnahmen spezialisierter Sender oder ausreichend poppiger Songs immer weiter vom Radio Richtung Streaming. Auf der anderen Seite schaffen Künstler wie Tim Bendzko, Lotte oder Mark Forster mit deutschem Pop den Spagat von Jugendsendern bis AC. (Bild: ©rbb/fritz)


 

„Der allgemeine Trend aus Alt mach Neu war auch im Programm von ANTENNE BAYERN zu hören“

 

Gordon Harms, ANTENNE BAYERN, Leiter Musikredaktion

Gordon Harms rund1) Die etablierten Genres bestimmen bei der Auswahl das ANTENNE BAYERN Musikprogramm: Dazu gehören Pop, gerne auch urban angestrichen, Dance und Singer/Songwriter Songs. Beispielsweise schafft The Weeknd die Kurve mit “Blinding Lights“ in die AC-Stationen und ist damit die aktuelle Nummer eins im Radio.

2) Eventuell sorgt Ray Dalton mit „In My Bones“ für die erste Überraschung in dem noch jungen Jahr 2020. Musikverändernde Trends im Sinne einer Billie Eilish sind bis dato nicht in Sicht.

3) Besonders erfolgreich war beispielsweise Sia mit “Unstoppable“ – ein Song aus dem Jahr 2016, der seinen Weg über die Werbung in die Radios gefunden hat. Ebenfalls durchgesetzt hat sich vergangenes Jahr Dermot Kennedy mit “Power Over Me“.  Lewis Capaldi hat mit „Someone You Loved“ den Durchbruch geschafft – dieser Song hält sich nach wie vor.

Der allgemeine Trend aus Alt mach Neu war auch im Programm von ANTENNE BAYERN zu hören. Exemplarisch dafür stehen Gamper & Dadoni mit “Bittersweet Symphony“ oder YouNotUs von “Narcotic“.

Persönlich hat mich Lizzo sowohl mit ihrem Album “Cuz I Love You“ als auch live auf der Bühne überzeugt.

4) Deutschsingende Newcomer hatten es im vergangenen Jahr schwer, denn die deutschen Schwergewichte haben sich im Radio durchgesetzt und bestimmten in dem Bereich die Airplaycharts in Deutschland. Dazu zählen Mark Forster, Max Giesinger, Revolverheld, Adel Tawil und Tim Bendzko. (Bild: ©ANTENNE BAYERN)


 

„Der Trend der 80er und 90er Jahre inspirierten Songs wird sich bestimmt noch fortsetzen

 

Sue Deckwerth, PLANET RADIO, Leiterin Musikredaktion

Sue Deckwerth1) Momentan spielen wir einen schönen Mix aus Songs wie “Blinding Lights“ von The Weeknd und “Turn Me on“ von Riton x Oliver Heldens, die den 80er Sound feiern, sehr eingängigen Dance Tracks von Regard, Meduza und SAINt JHN und britischen, beziehungsweise irischen Singer/Songwritern wie Lewis Capaldi, Freya Ridings und Dermot Kennedy.

2)    Der Trend der 80er und 90er Jahre inspirierten Songs wird sich bestimmt noch fortsetzen.

3)   Mal etwas komplett anderes war definitiv “Old Town Road“, im Sommer führte kein Weg an “Senorita“ und “Con Calma“ vorbei und Newcomerin Mabel hat uns mit “Don’t Call Me Up“ begeistert.

Sehr gute Alben haben Billie Eilish, Post Malone und Ed Sheeran abgeliefert.

4)   Auch wenn es schön ist, dass es inzwischen vermehrt auch Kollabos von Künstlern unterschiedlicher Genre wie Juju und Henning May oder Capital Bra und Lea gibt, sind leider weiterhin die wenigsten davon Radiohits. (Bild: ©planet radio)


 

„Ein Trend ist die jüngste musikalische Entwicklung der R&B- und HipHop-Künstler The Weeknd und Post Malone“

 

Robert Gierer (Bild: ©Niko Neithardt)Robby Gierer, RADIO NRW, Musikchef und Leiter Sound

1) Dance-Sound goes Pop – weiterhin sind Hits von DJs wie Felix Jaehn, Lost Frequencies und Alle Farben bei unseren Hörern beliebt und stehen für den besten Mix bei den NRW-Lokalradios. Aber auch Pop und großartige neue und außergewöhnlich talentierte Künstler wie zum Beispiel Lewis Capaldi, Freya Ridings, Justin Jesso, Tones And I oder Dermot Kennedy sind sehr erfolgreich, denn Qualität kommt an und setzt sich bei den Hörern durch.

2) Ein Trend ist die jüngste musikalische Entwicklung der R&B- und HipHop-Künstler The Weeknd und Post Malone. Mit den aktuellen Singles “Blinding Lights“ und “Circles“ geht es in Richtung clever gemachter Pop-Musik. New Country-Music ist ebenfalls ein Trend, der verstärkt kommen wird.  Gemeinsame Musik-Projekte von zum Beispiel DJ und Musikproduzent Marshmello und Kane Brown, Dan & Shay und Justin Bieber oder Lil Nas X feat. Billy Ray Cyrus “Old Town Road“ wird es in Zukunft öfter geben und Künstler wie Blanco Brown haben mit dem Song „The Git Up“ bereits auch großen Erfolg. 

3) Emotionen sind wichtig, deshalb ist die einzigartige Stimme von Sam Smith bei dem Song “Dancing With A Stranger“ einfach herausragend. Und ich hoffe auf den weiteren Erfolg der US-Sängerin Halsey in Deutschland – große Hitqualität sehe ich bei dem Song “Without Me“. Abseits vom Mainstream sind die Alben von Khalid “Free Spirit“ oder Billie Eilish “When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ nicht mehr wegzudenken. Und Bruce Springsteen ist mit “Western Stars“ immer noch beeindruckend. 

4) Es geht einfach weiter und das in Bestform: Tim Bendzko und Silbermond haben ihre Pausen genutzt, um hervorragende und authentische Songs zu schreiben, Sarah Connor ist zurück, und auch Johannes Oerding hat sich mit seinem 6. Album selbst übertroffen. Nun sind wir in diesem Jahr gespannt auf das langerwartete Album von Andreas Bourani. Bei den Newcomern wird es spannend, wer sich neben den etablierten deutschen Musikern durchsetzen wird. Die junge Künstlerin Elen hat bereits einen Achtungserfolg mit “Liegen Ist Frieden“ erzielt. (Bild: ©radio NRW)


 

„Im Moment sind die Weichen auf Retro gestellt“

 

Claus-Peter Freiherr von Hafenbrödl, RADIO REGENBOGEN und REGENBOGEN ZWEI, Leitung Musik

Claus-Peter Freiherr von Hafenbrödl (Bild: RADIO REGENBOGEN)

1) + 2) Im Moment sind die Weichen auf Retro gestellt. Die Coversongs in modernem Gewand, à la “Bittersweet Symphony“ oder “Narcotic“  werden wohl auch weiterhin sehr erfolgreich sein.

Die Plattenfirmen haben auch noch weitere Songs vorgestellt, die sich sehr vielversprechend anhören. Einige aktuelle Songs sind mit 80s Sound angereichert, wie es zum Beispiel bei der aktuellen The Weekend ist. Dies scheint mir auch ein Trend zu werden. Und gehen wir vom musikalischen ein wenig weg, so ist es auffällig, dass sich etliche aktuelle Lieder in ihrer Länge alle eher unter drei Minuten halten. Diese Entwicklungen werden sich wohl noch eine Weile halten. 

3) Bei den Alben des letzten Jahres sehe ich vor allem zwei deutsche Produktionen ganz weit vorne. Zum einen Johannes Oerding mit “Konturen“, dessen erste Singleauskopplung “An guten Tagen“ nicht umsonst die meist gespielte deutschsprachige Single war. Zum anderen war mein zweites Highlight natürlich das Rammstein Album, wobei zu diesem Eindruck natürlich auch die unglaubliche Live Performance bei ihrer Tour dazukommt.

4) Die deutschsprachige Musik ist weiterhin ein fester Bestandteil unseres Programms. Unsere Hörer lieben deutschsprachige Popmusik. Ich sehe hier auch kein Ende in Sicht. (Bild: ©Radio Regenbogen)


„Der Neben- und Miteinander von Pop- und Dancesounds wird wohl auf weiteres das Klangbild der meisten Radiostationen bestimmen“

 

Bernhard Hiller, BB RADIO und RADIO TEDDY, Musikchef

Bernhard Hiller1) Während Rockmusik in der Masse weiterhin kaum Begeisterung wecken kann, rückt Pop wieder mehr in den Fokus. Künstler wie Dermot Kennedy oder Lewis Capaldi nehmen dabei gern auch mal eine Gitarre in die Hand, während Künstlerinnen wie Ava Max oder Taylor Swift eher mit klassischen Pop-Sounds erfolgreich sind. Rhythmische und Dance-Sounds bleiben daneben weiter sehr beliebt in BB Land.

2) Der Neben- und Miteinander von Pop- und Dancesounds wird wohl auf weiteres das Klangbild der meisten Radiostationen bestimmen. Einen wirklich heißen neuen Trend 2020 sehe ich derzeit noch nicht. Die Erfolge deutscher „Streaming-Stars“ wie Capital Bra, Loredana oder Apache 207 haben bislang über die Präsenz bei ersten Jugendformaten hinaus keine Strahlkraft entwickelt, um tatsächlich eine größere Rolle im Radio spielen zu können.

3) Absoluter Hinhörer für mich im letzten Jahr war Ava Max, die innerhalb kürzester Zeit den Beweis erbracht hat, kein One-Hit-Wonder zu sein. Überzeugt – quasi beim ersten Hören als „Sommerhit“ erkennbar –  hat mich „Senorita“ von Shawn Mendes & Camila Cabello. Und Lewis Capaldis „Someone You Loved“ wächst bei mir immer noch bei jedem Hören.

Der Entwicklung im Musikgeschäft geschuldet, verliert das Format Album immer weiter an Bedeutung. Und ich muss leider auch für mich persönlich feststellen, dass ich immer weniger Zeit ins Hören ganzer Alben investiere. Dabei können Künstler wie Madonna, Celine Dion und selbst Ed Sheeran  immer weniger die Erwartungen erfüllen (die vielleicht auch zu groß sind). Gefreut habe ich mich darüber, dass Wincent Weiss mit “Kaum erwarten“ den Erfolg des Vorgängers wiederholen konnte.

Bei Lady Antebellum „Ocean“ fällt mir Objektivität schwer, für mich ist jedes neue Album ein Highlight. Robbie Williams Weihnachts-Album gefiel mir am Ende besser als ursprünglich gedacht. Ganz oben auf einer persönlichen Hitliste würden aber P!nk „Hurts 2B Human“, Harry Styles „Fine Line“ und Billie Eilish „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ landen.

4) Deutschsprachige Musik ist „gekommen, um zu bleiben“. Daran sollte es jetzt nach 20 erfolgreichen Jahren keine Zweifel mehr geben. Im neuen Jahrzehnt wird sie eher noch vielfältiger werden, auch wenn die vielen Hip-Hop- und Hip-Hop-nahen Künstler jenseits von Streaming und Charts auf absehbare Zeit eher eine kleine Rolle bei den Radiohörern spielen werden. (Bild: ©BB RADIO)


 

„Insgesamt ist kein Ende der Trends in Sicht, die auch schon 2019 führend waren“

 

Thomas Rosch, SR 1, Leiter der Programmgruppe Musik und Unterhaltung

Thomas Rosch (Bild: ©SR)1) Die aktuellen Trends funktionieren deutschlandweit. Weder bei SR 1 noch UNSERDING lassen sich regionale Abweichungen feststellen. Im AC-Markt (SR 1) hat nach wie vor deutsche Popmusik – bislang (leider) mehr männlich dominiert (etwa Max Giesinger, Wincent Weiss, Mark Forster und Johannes Oerding) – Hochkonjunktur. Dancepop/EDM erfreut sich auch immer noch großer Beliebtheit. Im Vergleich zum Deutschpop ist bei EDM im AC-Markt nach meinem Empfinden ein minimaler (!) Abschwung zu erkennen, aber beide Stilrichtungen haben sich auf jeden Fall fest im Mainstream etabliert und werden dort auch nicht mehr so schnell verschwinden. Calvin Harris, David Guetta oder Robin Schulz sowie viele in der Masse meist noch unbekannte Producer landen immer wieder Hit nach Hit. Das belegen sowohl die Callouts wie auch die Verkaufscharts. Jugendformate sind gut beraten, weiterhin auf Urban/HipHop und deutschen Rap zu setzen (zum Beispiel DER Newcomer 2019 Apache 207, Capital Bra oder Trettmann), der sich aber auch schon auf sehr gefällige Art und Weise klassischen Popproduktionen annähert und somit weniger derb und sehr viel massentauglicher daherkommt. Auch im CHR-Segment führt am Dancepop/EDM natürlich kein Weg vorbei.

Trotz immer großer Erfolge einiger gitarrenlastigeren Bands (zum Beispiel Imagine Dragons oder Welshly Arms) spielt neue Rockmusik im Radio nur noch eine untergeordnete Rolle. Hier und da wecken Newcomer wie Sam Fender die Hoffnung auf neue Impulse, geschieht aber meist nur punktuell. Das wiederum rührt auch von der Dominanz der oben genannten Trends her. Festzuhalten bleibt aber, dass gerade die etablierten Rockbands und regelrechte „Klassiker“ (zum Beispiel die Toten Hosen oder Journey auf SR 1 oder die Beatsteaks bei UNSERDING) im Saarland nach wie vor sehr gut ankommen, wie unsere Callouts belegen. Grundsätzlich gilt: Wenn neue oder immer noch angesagte Bands wie beispielsweise Kraftklub (UNSERDING) oder die Toten Hosen (SR 1) ein neues Album veröffentlichen, ist das priorisiertes Thema.

2) 2020 scheint die Marschrichtung vorgegeben: Deutschpop, Dancepop/EDM und internationaler Pop im AC-Segment (auch hier hält langsam schon Rap Einzug, freilich in massentaugliche Popsongs eingebettet, solange große „Künstler-Marken“ dranstehen, etwa Ed Sheeran & Cardi B, um Pop für alle Altersklassen zu verkaufen). Viel hören werden wir in Sachen handgemachter Popmusik noch von Singer/Songwriter Lewis Capaldi, DEM internationalen Durchstarter 2019. Im CHR-Segment sticht besonders internationaler HipHop mit unterschiedlichen stilistischen Einflüssen (zum Beispiel Country, Trap und etcetera) und deutscher HipHop/Deutschrap heraus, der zukünftig noch größeren Einfluss nehmen wird.

Insgesamt ist also kein Ende der Trends in Sicht, die auch schon 2019 führend waren. Zusätzlich haben im Sommer lateinamerikanische Beats und Sounds Hochkonjunktur.

3) Besonders gut funktioniert haben in 2019 bei SR 1: Tim Bendzko  “Hoch“, Lewis Capaldi  “Someone You Loved” und Shawn Mendes & Camila Cabello  ”Senorita”. An Alben haben bei SR 1 eine besondere Rolle gespielt: Ed Sheeran  “No.6 Collaborations Project“, Die Toten Hosen  “Alles ohne Strom“ und Robbie Williams  “The Christmas Present“.

4) Deutschsprachige Musik, ob Pop, Rap/Urban und alles dazwischen, führt meines Erachtens deutlich in puncto Beliebtheit. Rap freilich eher/nur in den Altersklassen U35, klassischer Pop á lá Giesinger/Forster eher Ü35. Darüber hinaus gibt es auch hochgradig nachgefragte (gitarrenlastigere) Bands, die die Nase immer weit vorne haben – ob alte Hasen wie die Toten Hosen oder die Ärzte oder sehr begabte und angesagte junge Musiker wie AnnenMayKantereit oder SDP. Gründe für die Entwicklung sind nach meiner Einschätzung: oftmals die Reduzierung auf die Gefühlsebene und der leichtere Zugang zur Musik und zu den Inhalten der Songs über die Muttersprache. Im Rap spielt das „vorgelebte“/inszenierte Lebensgefühl der Protagonisten mit Sicherheit eine große Rolle. Aber selbstverständlich auch die Tatsache, dass die Musik einfach sehr gut produziert ist und viele kreative Köpfe im Hintergrund arbeiten, die das richtige Gespür für Hits haben. Die deutsche Musiklandschaft hat sich zu einer sehr florierenden entwickelt in den letzten Jahren, die nicht mehr an olle Schlagerklischees denken lässt. Sie bringt viele Talente hervor, die das Geschäft nachhaltig verändern werden. Und Plattenfirmen werden nachvollziehbarerweise weiterhin und langfristig auf dieses Pferd setzen. Leider ist das Segment ein immer noch sehr männliches Terrain, trotz einiger Überfliegerinnen (etwa Sarah Connor, Loredana oder Juju). Da kann/sollte die Industrie noch mehr tun, um weibliche Talente stärker in den Fokus zu rücken. (Bild: ©Saarländischer Rundfunk)


 

„Allgemein war die Melancholie 2019 auch ein Trend, der sicher auch 2020 erstmal anhalten wird“

 

Anja Caspary, RADIO EINS, Musikchefin

Anja Caspary1) + 2) radioeins ist ein Radioprogramm, das sich nicht am klassischen Mainstream-Radiomarkt orientiert. Trends und Entwicklungen werden von der Redaktion wahrgenommen und fließen sowohl in die Tagesmusikplanung als auch in den musikjournalistischen Bereich ein.

Ein Trend, der schon seit längerem anhält und sicherlich auch 2020 fortgesetzt wird ist das Aussterben des klassischen Rock. Vielmehr findet eine große Vermischung der verschiedenen Musikstile statt. Jazz und Soul plus Gitarren und Breakbeats und am besten noch eine Prise Folk!

Dass elektronische Klänge immer einfacher und kostengünstiger zu produzieren sind, ist ja schon länger bekannt. Das merkt man dann in den wöchentlichen Abhörsitzungen: viele melancholische Männerstimmen auf House oder Techno Beats. Allgemein war die Melancholie 2019 auch ein Trend, der sicher auch 2020 erstmal anhalten wird.

3) Da gehört sicherlich Billie Eilish ganz vorne dazu. Sie hat es geschafft, gleichzeitig ein großes, junges Mainstream-Publikum als auch das Feuilleton zu begeistern. In einer Umfrage innerhalb der radioeins-Musikredaktion landete dann auch Bad Guy ganz vorne. Ansonsten gab es noch tolle Alben und Songs von den Black Pumas, Lizzo, Trettmann, Sharon Van Etten, Raconteurs, Michael Kiwanuka, Apparat und Robag Wruhme.

4) Es gibt immer mehr Deutschsprachiges – und das ist auch gut so. Allerdings ist vieles davon nicht wirklich für radioeins passend. Vor allem der typische Mainstream-Sound mit immergleichem Aufbau und der textlich banalen Suche nach dem großen emotionalen Moment hat und wird es bei uns schwer haben, beziehungsweise nicht gespielt werden. (Bild: ©rbb/Jim Rakete für Anja Caspary)


 

„Poppige, melodiöse Musik bestimmt nach wie vor den Markt“

 

David Banks, RPR1., Musikredaktion

David Banks (Bild: ©RPR1.)1) Poppige, melodiöse Musik bestimmt nach wie vor den Markt. Sowohl handgemachte, als auch elektronisch anmutende Produktionen sind beliebt. Besonders die jungen Singer/Songwriter sind gerne genommen und auch deutsche Musik bekommt immer wieder sehr gute Resonanz.

Stringente, klare Drum- und Basslinien, die das Ohr des Hörers nicht überfordern, kommen besser an, als sehr komplexe Rhythmus- und Soundpattern.

Nach wie vor lässt sich der nicht unerhebliche Einfluss lateinamerikanischer und karibischer Rhythmen erkennen. Waren diese früher vor allem bei sommerlichen Songs vertreten, bedienen sich heute immer wieder Popmusik-Produktionen dieses Stilmittels, ohne explizit „Latino-Song“ zu sein.

2) Bei RPR1. sehen wir aktuell keine elementare Veränderung in der generellen Soundästhetik. Sicher greifen immer mehr „typische Popkünstler“ auf elektronische Produktionen zurück. Dies ist aber eher ein produktionsseitiges Thema und hat auf das Klangbild nur einen untergeordneten Einfluss. Als Beispiel: Früher wurde das Schlagzeug immer live eingespielt, heute bedient man sich häufig entsprechender Software um „Live“-Drums zu generieren.

Ein Trend, der sich allerdings seit einiger Zeit auch in der internationalen Musikszene erkennen lässt, ist der des Coverns und Sampelns. Vermehrt erscheinen seit einiger Zeit Coverversionen bekannter älterer Titel oder Songs, die sich prägnanter Anleihen bekannter Werke bedienen. Dabei fällt auf: Wurden früher vor allem Titel der 70er und 80er Jahre gecovert/gesampelt, handelt es sich heute bei den gecoverten Songs zumeist um Titel der 90er oder frühen 2000er Jahre. Dieser Trend nimmt noch zu und wird sicher mindestens das Musikjahr 2020 mitbestimmen.

3) Aus RPR1.Radiosicht waren die Top-Titel: Shawn Mendes & Camilla Cabello  “Senorita“, Ed Sheeran feat. Justin Bieber  “I Don’t Care”, Ava Max  “Sweet But Psycho”, Kygo feat. Whitney Houston  “Higher Love”. Spannend zu beobachten waren aus musikalischer Sicht die Entstehung von Hybrid-Genres wie Country-Rap (Lil Nas X) oder der Trend zu „edgy“, UK-Housesounds wie von Regard oder Meduza. Der kometenhafte Aufstieg von jungen Künstlern, die man zu Beginn des Jahres vielleicht noch kaum auf dem Schirm hatte (wie Bille Eilish, Lewis Capaldi oder Apache 207), die in den jeweiligen Communities für viel Wirbel sorgten, war ebenso überraschend wie interessant. Top-Alben waren: Ed Sheeran  ”No. 6 Collaborations Project”, Mark Forster  “Liebe“, Johannes Oerding  “Konturen“, AnnenMayKantereit  “Schlagschatten“

4) Bei RPR1. sehen wir eine durchaus positive Entwicklung in der deutschsprachigen Musikszene. Selten hatten wir ein Jahr mit mehr neuen deutschen Titeln in dauerhafter Rotation. Auch wenn die Airplay-Charts noch die deutliche Überlegenheit englischsprachiger Musik zeigen, die Single- und Albumcharts zeugen von der Präsenz deutscher Musik. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet sicher Deutschrap, aber auch Popmusik-Künstler drängen weiter stark auf den Markt. Das ist wichtig und richtig.

Im nächsten Schritt muss es noch mehr deutschen (deutschsprachigen) Künstlern gelingen, sich dauerhaft in der Wahrnehmung der breiten Masse zu etablieren. Dies gilt insbesondere für die KünstlerINNEN unseres Landes, hier besteht noch deutlicher Bedarf zur Nachbesserung.

Wie vielfältig deutsche Musik sein kann hat sie 2019 bewiesen, jetzt muss sie weiter „salonfähig“ gemacht werden. RPR1. leistet mit seinem Format „Liedergut – Music made in Germany“ einen eigenen Beitrag und wir hoffen, dass auch andere Entscheider im deutschen Musik- und Radiomarkt weiter an deutsche Künstler und deren Musik glauben. (Bild: ©RPR1.)


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