Regierungskonzept „Radio in NRW 2022“: Noch vieles offen

Was die Düsseldorfer Landesregierung als Eckpunkte eines Konzeptes „Radio in NRW 2022“ am Freitag vorgestellt hat, bleibt seltsam unkonkret (s.u.). Schöne Formeln wie Vielfaltssicherung, Beitrag zum Erhalt des bestehenden Hörfunkangebots aber auch dessen Zukunftsfähigkeit lesen sich eher schwammig.

Recht präzise bleibt Medien-Staatsekretär Nathanael Liminski bei der Frage der Werbebegrenzung für den WDR: Hier bleibt es zunächst bei der ersten Stufe. Auf eine weitere Reduzierung der Werbung werde verzichtet. Voraufgegangen war ein Gutachten eines Beratungsunternehmens, das einen deutlich zu großen Rückgang der Werbeeinnahmen beim WDR ermittelte.

Nathanael Liminski (Bild: Land NRW/R. Sondermann)
Nathanael Liminski (Bild: Land NRW/R. Sondermann)

Prompt kommt Kritik vom Rahmenprogrammproduzenten des Lokalfunks radio NRW: Das Ergebnis des Gutachtens könne er in einigen wesentlichen Punkten nicht nachvollziehen, sagt Chef Sven Thölen: 

Sven Thölen (Bild: ©radio NRW)
Sven Thölen (Bild: ©radio NRW)

„Das Gutachten ist in Bezug auf die Auswirkungen und Kompensationsmöglichkeiten der zweiten Stufe wesentlich zu kurz gesprungen und prognostiziert demnach einen deutlich zu großen Rückgang der Werbeeinnahmen beim WDR. Auch die Aussagen zu möglichen Gattungsschäden sind zu isoliert auf NRW betrachtet worden. Hier wäre ein Benchmarking von erreichbaren Nettoreichweiten auf Bundesebene angezeigt gewesen. Dabei ist festzuhalten, dass das Bundesland NRW hier aktuell deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt – also überperformt. Die Reduzierung auf eine werbeführende Welle würde NRW also auf ein Maß bringen, dass der Gattung Radio als attraktivem Werbeträger deutschlandweit entspricht.“

Die anderen Eckpunkte lassen noch vieles offen. Die Landesanstalt für Medien NRW werde zusätzliche Mittel aus dem Landeshaushalt zur Förderung von Innovationen im Audiobereich erhalten. Was das sein kann, dazu bleibt der Medienstaatssekretär mystisch: Im Landesmediengesetz werde definiert, welche Fördermöglichkeiten bestehen.

Ein weiteres Modul des Eckpunktekatalogs: die seit Jahren stilliegende sog. landesweite UKW-Kette. Für das weitgehend aus Ex-FM-Frequenzen des DLF und BFBS bestehende Netz sollen die Vergabekriterien geschärft werden. Ziel sei, dadurch die Vielfalt und Zukunftsfähigkeit des Lokalfunks zu sichern. Nicht ersichtlich bleibt, wie die Dimension „landesweit“ die Dimension „lokal“ schützen soll. Wird dieser Flankenschutz des Lokalfunks auf die Werbevermarktung, die musikalische oder redaktionelle Formatierung der neuen Kette ausgerichtet sein?

Bei der rechtlichen Konstruktion des Lokalfunks will die NRW-Landesregierung an dem in Deutschland einmaligen Zwei-Säulenmodell festhalten. Die Zweiteilung Veranstaltergemeinschaft (VG) und Betriebsgesellschaft (BG) sei für die „Verwurzelung vor Ort“ wichtig. Lediglich für die finanzielle Beteiligung an der BG werde es Öffnungsklauseln geben, heißt es in dem Papier des Staatssekretärs.

Zu dieser lokalen Anbindung gehöre auch die Stärkung des Bürgerfunks. Ziel sei, hier mehr Flexibilität für die Sender zu erreichen. Ob das beispielsweise eine Verschiebung der gesetzlich geregelten Bürgerfunkstunde bedeuten könnte – auch dazu schweigt sich das Landespapier aus.

 


Pressemeldung der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen:

Staatssekretär Liminski: Reform macht Radio- und Audiolandschaft in Nordrhein-Westfalen zukunftsfähig

Landesregierung NRW LogoDie Staatskanzlei teilt mit: Der Chef der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, Staatssekretär Nathanael Liminski, hat am Freitag in der Landesanstalt für Medien NRW in Düsseldorf gemeinsam mit deren Direktor Dr. Tobias Schmid die Eckpunkte der im Koalitionsvertrag des Jahres 2017 avisierten Gesamtstrategie „Radio in NRW 2022“ vorgestellt.

Pressegespräch am 29.12.2019 zu "Radio 2022" (Bild: Land NRW)
Pressegespräch am 29.12.2019 zu „Radio 2022“ (Bild: Land NRW)

Staatssekretär Nathanael Liminski: „Wir wollen auch im digitalen Zeitalter eine wirtschaftlich zukunftsfähige Audio-Landschaft mit einem starken Lokalfunk und gleichzeitig ein vielfältiges Radioprogramm für die Hörerinnen und Hörer in Nordrhein-Westfalen. Mit der Erarbeitung der Eckpunkte der Gesamtstrategie haben wir auf dem Weg zu diesem Ziel einen entscheidenden Schritt gemacht.”
Die Gesamtstrategie „Radio in NRW 2022“ enthält folgende Module:

  • Die Landesanstalt für Medien NRW erhält, sofern der Landtag dem Haushalt 2020 und dem dazugehörigen Haushaltsbegleitgesetz zustimmt, zusätzliche finanzielle Möglichkeiten zur Förderung von Innovationen im Audio-Bereich. Im Landesmediengesetz wird definiert, welche Fördermöglichkeiten bestehen.
  • Für die neu zu vergebende zweite landesweite UKW-Kette werden die Vergabekriterien geschärft. Ziel ist, auch dadurch die Vielfalt und Zukunftsfähigkeit des Lokalfunks zu sichern. Kriterien sind insofern die lokale bzw. regionale Anbindung redaktioneller Strukturen, der Beitrag zum Erhalt des bestehenden Hörfunkangebots sowie die Nutzung digitaler Verbreitungswege, insbesondere DAB+.
  • Es erfolgt keine Veränderung im gewachsenen Zwei-Säulen-Modell, welche die dort verankerte redaktionelle Unabhängigkeit der Lokalsender und ihre Verwurzelung vor Ort antasten würde. Die Verlage sollen indes die Möglichkeit erhalten, alle Kapital- und Stimmrechtsanteile an einer Betriebsgesellschaft zu übernehmen, wenn im Einzelfall kein weiterer Gesellschafter gefunden werden kann. Ziel ist die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Systems auch in wirtschaftlich schwächeren Lokalfunkgebieten. Zudem wird der Beitrag des Bürgerfunks als zusätzliches Element der lokalen Anbindung des Lokalfunks in den gesetzlich bestimmten lokalen Sendeanteil einbezogen. Die Ziele sind hier mehr Flexibilität für die Sender und die Stärkung des Bürgerfunks.
  • Nach der wissenschaftlichen Analyse der Werbezeitenreduzierung im WDR-Hörfunk mit Blick auf die Auswirkungen auf den WDR und den privaten lokalen Hörfunk beabsichtigt die Landesregierung, die erste Stufe der Werbereduzierung beizubehalten und auf die zweite Stufe der Reduzierung zu verzichten.

Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW: „Zentrale Aufgabe der Landesanstalt für Medien NRW ist die Sicherung der Vielfalt. In diesem Fall heißt das: Wir setzen uns für eine Anbietervielfalt und eine Angebotsvielfalt – auch im Bereich des Lokaljournalismus – für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen im Audio-Sektor ein.“

Staatssekretär Nathanael Liminski: „Wir erhalten Bewährtes und schaffen gleichzeitig mehr Flexibilität im System. In der Summe ergibt sich eine Reform, die unser Hörfunksystem und unsere Audio-Landschaft in Nordrhein-Westfalen zukunftsfähig macht.“

Dieser Pressetext ist auch über das Internet verfügbar unter der Internet-Adresse der Landesregierung www.land.nrw