„Nicht Worte sollen wir hören, sondern den Menschen dahinter fühlen!“

Viktor Worms und Gabor Steingart (Bild: privat)
Viktor Worms und Gabor Steingart (Bild: privat)

Der britische Gelehrte und Schriftsteller Samuel Butler hatte noch kein Radio, aber er wäre trotzdem 150 Jahre später wahrscheinlich ein guter Radiocoach geworden und dazu ein guter Gast in meiner kleinen Talkreihe bei der FM Online Factory mit profilierten Medienmenschen. Zweimal haben wir schon über die Zukunft von Audio gesprochen, ein Gespräch steht uns noch bevor. Mit Felix Kovac dem neuen Geschäftsführer von Antenne Bayern, der gerade sein Programm „auf Links dreht“ sprach ich vor einer Woche und gestern mit Gabor Steingart, dem Herausgeber des Morning Briefing-Podcast.

Und in einem Punkt waren sich diese beiden grundverschiedenen Medienmänner einig: „Die Zeit des durchformatierten Sloganradios ist vorbei!“. Ich habe dies hier und anderswo schon lange prophezeit. Die neue Konkurrenz von Printmenschen, die Audio für sich entdeckt haben, jungen Nachwuchskräften, die nicht mehr seriell Bewerbungen an Radiosender herausschicken müssen, um gehört zu werden und klugen Seiteneinsteigern wie Steingart klauen uns Minuten und Zuwendung. Und das ist erst der Anfang. Mein Moderations-Workshop, den ich allein schon um ihn für mich spannender zu machen, regelmäßig aktualisiere – jetzt auch um die Kategorie Podcast – heißt „Wer hören soll, muss fühlen“ und das seit einigen Jahren. Dieser Slogan ist heute so richtig, wie vor 10 Jahren und schon Frank Elstner oder die gerade leider verstorbene Radiolegende Jochen Pützenbacher haben damit in den 70er und 80er Jahren schon die deutsche Radiolandschaft umgepflügt.  Radio Luxemburg, bei dem ich auch 7 Jahre mitspielen durfte, war durchaus ein journalistisches Programm, manchmal albern, oft verspielt aber immer dem Elstner-Slogan folgend: „Wir sinken nie unter ein gewisses Niveau!“

Umso schlimmer, dass immer noch durchaus geschätzte Kolleg(inn)en von mir in Mannschaftsstärke durch die Lande tingeln und predigen: „Du darfst über alles reden, nur nicht über eine Minute!“. Da wird Sendern, denen es schlecht geht wieder und wieder empfohlen, die Rotation zu verkleinern, den noch vieeeeel besseren Mix zu propagieren und den hoffnungsfrohen Nachwuchs auf platte Slogans herunterzudimmen. 

Ich lese von einer geschätzten Kollegin, die TV- Seminare macht, die weltbewegende Erkenntnis „Die Bedeutung des Inhaltes ist 7 %, der Rest ist Performance, Outfit, Mimik, Gestik….“ Darf’s auch noch Religionszugehörigkeit sein? Gute Reise! Ich bringe in meinen Kamera- und Bühnenseminaren Radio- und TV-Menschen, Vertrieblern und Managern auch Performance bei – aber immer als Mittel zum Zweck und der heißt nach wie vor Lachen, Staunen, Wissen, Lernen.

Ich weiß auch, ich wiederhole mich hier, habe ich hier in der RADIOSZENE, nahezu das Gleiche schon vor 5 Jahren (und vor 3 und…) geschrieben aber (und da sind wir wieder beim Radio) lieber was Kluges wiederholen als dummes Zeug täglich neu erfinden und ausschließlich über Verpackung zu verhökern.

Gabor Steingart, mit dem ich zusammenarbeiten durfte, beweist, dass Wort im Audio geht, dass Du klug und auf Augenhöhe mit Deinen Hörern erfolgreich sein kannst und daß Du zwar im Seichten nicht ertrinken aber dafür auch nicht schwimmen lernen kannst. 

Er  ermahnt uns, mutig zu sein: „Wir bedienen interessierte Menschen und das nicht von oben herab, vielmehr auf Augenhöhe und daraus werden Geschäftsmodelle entstehen, die wir jetzt vielleicht noch gar nicht kennen!“ 

Felix Kovac, Privatradio-Manger ebenfalls in meinem Webtalk mit der Online Factory: „Wir müssen uns ganz schnell wieder über Inhalte und Persönlichkeiten profilieren und in diese investieren, sonst bekommen wir ein großes Problem!“

In unserem nächsten Webtalk (Mittwoch 18.9. um 12.00 Uhr) geht es um ein anderes aber dann doch wider das gleiche Thema, auch da um Inhalte, aber anders. Micky Beisenherz, Medien Tausendsassa auf allen Kanälen, geht das Ganze von der unterhaltsamen Seite an und jongliert dabei geschickt mit Social Media, TV, Print, Radio, als Performer, Moderator, Autor aber auch er hat früh begriffen: „Ich provoziere zwar gern, aber nur, wenn es um etwas geht und ich es genauso empfinde!“  Und wer ihn sieht oder hört, mag zwar bestätigen, dass er vielleicht ein ganz ansehnliches Kerlchen ist, aber sein Erfolg auf sicher mehr als 7% Inhalt beruht. 

Lernen wir von denen, die uns ans Leder wollen, indem sie und Verweildauer stiebitzen, lernen wir von den Spinnern, den Klugen, den Besonderen, den „Gemeinschaftsstiftern“ im Netz, trauen wir uns wieder was und bringen wir den jungen Talenten wieder mehr bei als ein paar  Slogans, 3 EBs und Verpackung. Lasst uns den besten Mix aus Klugem, Nützlichem und Lustigem pflegen. Lasst uns dafür sorgen, daß Radio wieder so klingt als wäre es von Menschen gemacht!

„Verpackung ist Verheissung, aber es kommt drauf an, was drin ist!“  (Christo)


Über den Autor

Viktor Worms (Bild: WMP)
Viktor Worms (Bild: WMP)

Viktor Worms moderierte die ZDF Hitparade, war Programmdirektor bei ANTENNE BAYERN und ZDF-Unterhaltungschef. Er war in den vergangenen Jahren als Strategie- und Moderationscoach u.a. tätig für REGIOCAST, ZDF und das Bayerische Fernsehen, DRadio Wissen, bigFM, ROCK ANTENNE sowie die ARD.ZDF Medienakademie. Er ist seit 2015 Jurymitglied des Deutschen Radiopreises. Neben seiner Tätigkeit als TV Producer ist er Vorstand der Hugo-Tempelman-Stiftung sowie Beirat der Tabaluga Kinderstiftung.