Radio – viel mehr als nur UKW und Mittelwelle

James Cridland's Radio FutureIn Australien gibt es alle 6 Wochen neue Hörerstatistiken, was in meinen Augen an sich schon ein Phänomen ist. Ich bin da noch viel zu sehr an das gemächliche britische Tempo gewöhnt. Dort werden die Hörerzahlen quartalsweise veröffentlicht.

Über die Hörerzahlen wird in Australien übrigens auch durchaus mal im Fernsehen berichtet, was auf den britischen Inseln so gut wie nie passiert. Überhaupt sind die Beziehungen zwischen den lokalen Medien in Großbritannien eher frostig. Ich kann mich an Kollegen erinnern, die ein T-Shirt mit dem Logo ihres Lokalsenders trugen, das dann bei einem Foto in der Zeitung wegretuschiert wurde.

In dieser Umfragenrunde schaffte es in Brisbane ein Sender auf das Siegerpodest, von dem man es eher nicht vermutet hätte. Auf dem Sender lastet nämlich der Fluch eines nicht gerade hörerfreundlichen Rufzeichens. Hinzu kommt, dass es ein Oldie-Sender ist, der zu allem Übel auch noch auf Mittelwelle sendet.

Brisbane's Baby Boomers have helped propel radio station 4KQ 693AM Brisbane into the ratings stratosphere. (Bild: ©7NEWS/twitter)
Brisbane’s Baby Boomers have helped propel radio station 4KQ 693AM Brisbane into the ratings stratosphere. (Bild: ©7NEWS/twitter)

Aber 4KQ ist – nach dem Dafürhalten einiger Leute, die sich besser auskennen als ich – einer der am besten programmierten Oldiesender der Welt. 1947 ging er auf Sendung, zunächst im Besitz der australischen Labour-Partei, inzwischen aber im Besitz von ARN und beheimatet in funkelnagelneuen Studios am Ufer des Brisbane River.

Klar, Mittelwellenradio ist eine aussterbende Art, auch in Australien, und erst recht für Musik. 4BH, ein anderer, einst legendärer Musiksender auf Mittelwelle, warf schon vor einigen Jahren die Flinte ins Korn. Auf seiner alten Frequenz wird jetzt ein Sportsender aus Sydney übertragen. Ein weiterer Mittelwellensender, der mit einer Community-Radio-Lizenz sendet und eigentlich ein jüngeres Publikum anspricht, dümpelt so vor sich hin.

Und dennoch: 4KQ ist im Radio die Nummer 2 in Brisbane. Ein Mittelwellensender!

Der Grund? Nun, 4KQ ist eben nicht nur ein Mittelwellensender. Selbstverständlich sendet man auch auf DAB+ und ist über einige Apps zu hören, darunter auf RadioApp, der Aggregator-App für australische Privatsender. Auch auf iHeartRadio (das in Australien von ARN in Lizenz betrieben wird) ist man vertreten und auf Smart Speakern gehört man landesweit zu den Favoriten.

4KQ 693AM Brisbane big

Ich bin fest davon überzeugt, dass die derzeit hohen Quoten des Senders darauf zurückzuführen sind, dass man eben nicht nur ein Mittelwellensender ist. Man hat mit Erfolg dafür gesorgt, dass man an möglichst vielen Stellen zu hören ist.

Außerdem zeigt der Sender Präsenz bei lokalen Veranstaltungen, tritt als Sponsor bei verschiedenen Events wie dem jährlichen Festival auf und schafft es sogar in die Brisbane-Ausgabe von Monopoly.

Die „Plattformisten“ unter uns meinen, dass nur die (UKW- oder Mittelwellen-)Frequenz das Radio ins Rollen bringt, und sind davon überzeugt, dass sie ihre Hörer zum Einschalten zwingen können. Ich bin da eher auf der Seite derjenigen, die die Zukunft des Radios als Multiplattform-Medium sehen, und dass wir unser Publikum genau dort abholen sollten, wo es ohnehin schon ist: im Digitalradio, auf Apps und auf Smart Speakern.

Insofern: Glückwunsch für 4KQ zum Quotenerfolg. Es zeigt sich mal wieder: Wer die neuen Plattformen auf intelligente Weise nutzt, der wird auch von seinen Hörern gefunden.


James Cridland
James Cridland

Der Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine, berät eine Vielzahl von Radiosendern und veröffentlicht den täglichen Podcast-Newsletter podnews.net. James hat über 30 Jahre bei Radiosendern in Großbritannien, Australien und Kanada gearbeitet; bei Virgin Radio UK entwickelte er die weltweit erste Radio-Streaming-App. Er lebt in Brisbane, Australien. https://james.cridland.net