Purple Schulz: „Diversität im Tagesprogramm kann ich beim besten Willen nicht erkennen“

Rüdiger „Purple“ Schulz ist seit über 35 Jahren ein bundesweit bekanntes Urgestein der deutschen Musikszene. Seine größten Erfolge feierte der in Köln geborene Singer Songwriter in den 1980er-Jahren mit Titeln wie „Sehnsucht“, „Verliebte Jungs“ und „Kleine Seen“, die auch heute noch beliebter Bestandteil der Rotationen zahlreicher Radiostationen sind.

Radiomoderator Purple Schulz (Bild: ©Ben Schulz)
Radiomoderator Purple Schulz (Bild: ©Ben Schulz)

Seinen Künstlernamen erhielt Schulz 1970 in Köln, da er bereits als 13-jähriger in einem Orgelgeschäft den Verkäufern mit Interpretationen der Band Deep Purple auf die Nerven fiel. Sein Bühnendebüt feierte er im März 1973 mit der Band D’accord.

Während der Neuen Deutschen Welle war Purple Schulz an dem Bandprojekt  Neue Heimat beteiligt, deren erstes Album, „Die Härte“, 1982 erschien.

Kurz darauf der finale Durchbruch: 1983 veröffentlichten Schulz, Josef Piek, der Gitarrist von Neue Heimat, und der Schlagzeuger Dieter Hoff unter dem Namen Purple Schulz den Titel „Sehnsucht“, der ihr bis dahin größter Hit wurde und für den sie vom Saarländischen Rundfunk die „Goldene Europa“ erhielten. Dieses Lied erreichte im Frühjahr 1985 in den deutschen und Schweizer Verkaufshitparaden Platz sechs sowie in Österreich Platz 20 der Charts.

Bis heute produzierte Purple Schulz in regelmäßigen Abständen weitere, musikalisch wie textlich sehr ansprechende Werke. Im Frühjahr erschien sein jüngstes Album „Nach Wie Vor“, in den kommenden Wochen ist der Künstler in zahlreichen Städten auch wieder live auf der Bühne zu erleben (siehe www.purpleschulz.de).

Neben seinen Konzerten engagiert sich Schulz bei den Themen Demenz und  Alzheimer, unter anderem mit einem Video zu seinem Song „Fragezeichen“ auf Youtube. Dort schlüpfte Schulz in die Rolle eines an Demenz Erkrankten. Das Video dient zum Einstieg bei Kongressen zum Thema Alzheimer und wird auch bei der Ausbildung von Pflegekräften eingesetzt.

Seit 2017 moderiert Purple Schulz im Wechsel unter anderem mit Bap-Chef Wolfgang Niedecken bei WDR 4 die wöchentlichen Sendung „Songpoeten“ (jeden Dienstag, 21.00 Uhr), in deren Rahmen er authentisch und mit viel Sachverstand die nationale und internationale Singer Songwriter Szene beleuchtet.

Purple Schulz (Bild: ©Ben Schulz)
Purple Schulz (Bild: ©Ben Schulz)

RADIOSZENE Mitarbeiter Michael Schmich sprach mit Purple Schulz über seine Beziehung zum Radio und die Sendung bei WDR 4.

 

„Ich bezeichne meine Sendung ja immer als das Radio-Biotop mit der größten Artenvielfalt“

 

RADIOSZENE: Welche Musik im Radio hat Sie in jungen Jahren sozialisiert, welche Sender haben Sie damals gehört?

Purple Schulz: Ich bin Jahrgang 1956 und habe zwei ältere Brüder. Da färbte deren Musikgeschmack natürlich auf mich ab. Vor allem waren es die Beatles und die Stones, die mich musikalisch sozialisiert haben. Allerdings gab es Anfang bis Mitte der 60er nicht viele Sender, die unsere Musik spielten, so dass wir viel BFBS und Radio Luxemburg gehört haben. Oder die Piratensender in der Nordsee, Radio Caroline und Radio London. Als Kölsche Jung habe ich nämlich einige Urlaube im holländischen Domburg verbracht. An meinem 10. Geburtstag 1966 gab es dann den ersten Beat-Club mit Uschi Nerke und ein Jahr später kam Mal Sondock mit seiner „Discothek im WDR“. Das war für uns auch immer Pflichtprogramm (lacht). Ach ja, die Hitparade beim Saarländischen Rundfunk mit Manfred Sexauer habe ich damals auch immer gehört.

RADIOSZENE: Wie wichtig war der Hörfunk generell für die Durchsetzung Ihrer Karriere als Musiker?

Purple Schulz: Es gab bei mir immer diese Affinität zum WDR. Wolfgang Neumann junior hatte in den 70ern eine Sendung im WDR mit dem Titel „Rockstudio“, in der er junge Amateurbands ins WDR-Studio einlud und deren Songs aufnahm. Auch ich gehörte damals mit meiner ersten Band zu den Auserwählten. Das war für uns alles sehr aufregend. Die Mischpulte sahen aus wie die Steuerzentrale eines Atomkraftwerks und die Tontechniker trugen noch weiße Kittel (lacht). In Benno Swientys „Plattenküche“ im WDR Fernsehen hatte ich damals meinen ersten Fernsehauftritt, zwar nur in einer Begleitband für eine Rod Stewart Parodie, aber immerhin. Ein Konzert von Hermann van Veen im WDR Sendesaal irgendwann in den 70ern war es dann, das mich dazu brachte, deutsche Texte zu schreiben. Mit dem WDR hatte ich im „Rockpalast“ meinen ersten großen Fernsehauftritt, übrigens gemeinsam mit Bryan Adams, sein erster Auftritt in Deutschland überhaupt. Und es war Dave Colman vom WDR, der 1984 das Potenzial von „Sehnsucht“ erkannte und die Single in seiner Sendung spielte. Ohne ihn und den ersten Fernsehauftritt mit „Sehnsucht“ im „WWF-Club“ wäre der Song wahrscheinlich nie ein Hit geworden. Alles in allem spielte der WDR also eine nicht unerhebliche Rolle in meinem Leben (lacht).

RADIOSZENE: Seit einiger Zeit sind Sie selbst als Programmgestalter im Radio bei der WDR 4-Sendung „Songpoeten“ aktiv. Wie fällt hier Ihre Bilanz als Radiomacher aus?

Purple Schulz: Im Mai 2019 sind es übrigens zwei Jahre, und die Resonanz ist wirklich klasse. Wenn mir vor 10 Jahren jemand gesagt hätte, dass ich einmal für WDR 4 eine Sendung gestalte, hätte ich ihn wahrscheinlich für verrückt erklärt. Damals fand ich das Musikprogramm zum Davonlaufen (lacht). Aber da hat sich ja einiges getan und ich stelle immer wieder fest, wie jung die WDR 4-Hörer inzwischen geworden sind.

WDR4 Songpoeten

RADIOSZENE: Nach welchem Motto wählen Sie die Musik aus? Welche Freiheiten gibt Ihnen der Sender bei der Gestaltung der Sendung?

Purple Schulz: Ich habe tatsächlich alle Freiheiten, aber ohne diese Freiheiten würde ich das auch nicht machen. Der Schwerpunkt meiner Sendungen liegt natürlich auf deutschsprachigen Künstlerinnen und Künstlern, die gute Geschichten zu erzählen haben. Da komme ich mir manchmal wirklich vor wie ein Trüffelschwein. Aber es gibt diese Künstler und es sind gar nicht mal so wenige. Wenn ich englische Songs übersetze, baue ich der deutschen Übersetzung ein musikalisches Bett, mit dem ich den gesprochenen Text unterlege. Es sind ja schließlich Songtexte, und die sollte man nicht aus dem Kontext der Musik nehmen. Sie kommen mit der musikalischen Untermalung viel eindringlicher rüber. Ich stecke in meine Sendung sehr viel Arbeit und vor allem Herzblut, aber ich mache das gerne, weil ich möchte, dass meine Hörer etwas mitnehmen aus dieser Sendestunde.

 

„Man könnte oft denken, die Playlisten der Sender würden von Spotify zusammengestellt. Es gibt aber viel mehr Musik als uns die Rotationslisten glauben lassen“

 

RADIOSZENE: Was kann ein Musiker den Hörern besser vermitteln als ein gelernter Radiomoderator?

Purple Schulz: Ich kenne als Musiker natürlich die Produktionsabläufe und weiß, wie Musik entsteht. Auch komme ich anderen Künstlern näher und kann mit ihnen auf Augenhöhe reden. Ich kann Hintergrundgeschichten erzählen, Instrumente erklären und Geschichten aus dem Backstagebereich kommen auch immer sehr gut an (lacht).

RADIOSZENE: Wie wichtig sind solche Sendungen im Radio für die Künstlerszene? Müsste es gerade auch für die deutsche Singer Songwriterszene nicht viel mehr dieser Plattformen geben?

Purple Schulz: Ich habe durch solche Sendungen zum Beispiel bei 1LIVE oder im Spätprogramm von WDR 5 selber Künstlerinnen entdeckt, die mir sonst entgangen wären. Singer/Songwriter-Formate halte ich für sehr wichtig, für die Künstler sogar überlebenswichtig, denn es gibt viel mehr Musik als uns die Rotationslisten glauben lassen. Schade, dass die Künstler nur spät in der Nacht stattfinden.

Purple Schulz (Bild: ©Ben Schulz)
Purple Schulz (Bild: ©Ben Schulz)

RADIOSZENE: Was gefällt Ihnen am deutschen Radio, was würden Sie anders machen, was wünschen Sie sich?

Purple Schulz: Als einer, der ständig auf der Autobahn unterwegs ist zu seinen Konzerten, kenne ich natürlich fast alle Sender und ihre vermeintlich so originellen Formate. Aber Diversität im Tagesprogramm kann ich beim besten Willen nicht erkennen (lacht). Man könnte oft denken, die Playlisten würden von Spotify zusammengestellt. Allerdings sage ich das auch aus meiner sehr privilegierten Situation bei WDR 4. Ich bezeichne meine Sendung ja immer als das Radio-Biotop mit der größten Artenvielfalt.

Allerdings heißt das für mich als Radiomacher auch, dass ich mich um den Künstler-Artenschutz kümmern muss. Und das bedeutet, den Künstlerinnen und Künstlern, denen es um mehr als Rotations-Pop geht, eine Plattform zu geben. Und ich bin dem WDR dankbar, dass das dort möglich ist, denn ich weiß, wie viele dieser großartigen Talente heute ums Überleben kämpfen müssen.

 

„Allein von Tonträgern kann heute kein Künstler mehr leben“

 

RADIOSZENE: Wann dürfen wir uns auf neue Musik von Ihnen freuen, wann stehen Sie wieder auf der Bühne?

Purple Schulz: Ich stehe ständig auf der Bühne, denn davon lebe ich, wie mittlerweile übrigens alle Kolleginnen und Kollegen. Spätestens alle zwei Jahre veröffentliche ich ein neues Album, um mit einem neuen Programm auf eine Zweijahrestour zu gehen. Mein letztes Album „Nach Wie Vor“ ist gerade im März erschienen. Aber ich überlege derzeit, ob dieser Turnus noch zukunftsfähig ist.

Purple Schulz-Album Nach wie vor (Bild: ©Ben Schulz)
(Bezahlter Link) Purple Schulz-Album Nach wie vor (Bild: ©Ben Schulz)

Allein von Tonträgern kann heute kein Künstler mehr leben. Wenn Sie sich heute ein neues Auto kaufen, werden Sie sehen, dass ihr Autoradio keinen CD-Player mehr hat. Dabei ist das Auto noch einer der letzten Orte, wo man eine CD einlegen würde. In nur ein paar Jahren ist die Ära der CDs endgültig vorbei und dann wird sich für viele Musikschaffende die Frage stellen, wie es nun weitergehen soll. Und wenn das Bühnensterben anhält wie bisher, weil sich die kleinen Spielstätten die steigenden Mieten und Kosten nicht mehr leisten können, dann sehe ich eine kulturelle Wüste auf uns zurollen! Universal und Co. zeigen uns heute schon, worauf wir uns da musikalisch gefasst machen müssen. Und das ist dann nicht mehr nur eine Frage des musikalischen Geschmacks, sondern bedeutet schon relativ kurzfristig (!) das künstlerische Aus für alle, die den Mainstream nicht bedienen wollen. Ich glaube zwar nicht, dass man diese Entwicklung aufhalten kann, aber meinem Naturell entspricht es, solange wie möglich dagegen zu halten. Einfach, weil ich gute Musik liebe. Es hat also was mit Liebe zu tun. Und dann kann es ja nicht ganz so verkehrt sein (lacht).