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Bernhard Bahners: Spotify hat erstmals sehr klar seinen Angriff auf das klassische Radio formuliert

radioNET Audi A8 bigWebradio bleibt weiter angesagt. Zwar hat sich der starke Aufschwung unter anderem auch wegen der gewachsenen Bedeutung von Streaming-Diensten ein wenig verlangsamt, dennoch nutzten im Jahr 2018 laut „Online-Audio-Monitor37,7 Prozent der deutschen Bevölkerung bereits Internetradio (2015: 29,9 %). Kein Wunder: Schließlich haben immer mehr mobile Geräte direkten Zugriff auf das Web. Auch zeigen sich unter den Marktteilnehmern erkennbare Tendenzen einer gewachsenen Professionalisierung und Markenbildung. Noch immer bleibt zwar für eine Mehrheit der Deutschen das konventionelle Radiohören über terrestrischen Empfang weiterhin die erste Präferenz, zuletzt ist aber vor allem bei den unter 40‑Jährigen ein klarer Trend zum Radiohören über das Internet erkennbar. 

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Bernhard Bahners ist als Geschäftsführer des international agierenden Webradio-Aggregators radio.net (https://www.radio.de) ein aufmerksamer Beobachter der Szene. Sein kostenfreier Dienst bündelt mehr als 30.000 Sender und Podcasts und hat weltweit vier Millionen monatliche Nutzer und über 37 Millionen App Downloads. Die radio.de GmbH ist Betreiber der internationalen Plattform radio.net sowie den regionalen Plattformen radio.de, radio.at, radio.fr, radio.se, radio.dk, radio.pt, radio.es, radio.it und radio.pl. Das Network radio.net mit Sitz in Hamburg, Deutschland, wurde 2007 als radio.de GmbH gegründet. 

Bernhard Bahners (Bild: ©radio.de)
Bernhard Bahners (Bild: ©radio.de)

RADIOSZENE sprach mit Bernhard Bahners über erfolgreiche Formate, Podcasts sowie über Gegenwart und Zukunft des Webradio- und Audiomarktes.

RADIOSZENE: Herr Bahners, wie hat sich die Welt der Webradios in Deutschland im vergangenen Jahr entwickelt?

Bernhard Bahners: Wir sehen mittlerweile einen Fokus auf den Aufbau von nationalen Webradio-Marken, die aus einem Portfolio aus Streams bestehen. Auch bei den klassischen Sendern spürt man deutlich, dass die Reichweite die online erzielt wird, eine wichtige Rolle in den Häusern spielt. Dementsprechend gibt es auch hier ein Wachstum an Subchannels, die gezielt bestimmte Themen abdecken, hier sind die Streamingdienste mit ihren Playlisten mit Sicherheit auch ein Vorbild.

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Auch Barbara Schöneberger ist jetzt ein fester Bestandteil des Webradios. Mit Barbaradio hat sie gemeinsam mit der Regiocast eine Marke gestartet, bei der Personality und die persönliche Ansprache im Mittelpunkt stehen. Was eine der Kernkompetenzen des Radios sehr schön unterstreicht.

Mit Klassik Radio haben wir einen deutschen Publisher der ein Paid-Model anbietet. Es wird sehr spannend sein zu sehen, ob dieses Model Anklang findet. Aber es zeigt deutlich, dass die terrestrische Verbreitung nicht der Weg in die Zukunft des Radios ist.

 

„Wir sehen mittlerweile einen Fokus auf den Aufbau von nationalen Webradio-Marken, die aus einem Portfolio aus Streams bestehen“

 

RADIOSZENE: Gibt es Formate, die sich zuletzt besonders hervorgetan haben?

Bernhard Bahners: Viele Sender haben im letzten Jahr den Deutschrap Trend aufgegriffen und entsprechende Streams gestartet. Auf der ganz anderen Seite des musikalischen Spektrums ist auch Country ein Thema, das häufiger auftaucht. Aber auch Programme für Kinder werden häufiger angeboten. Darüber hinaus gibt es immer mehr Streams, die speziell für alltägliche Situationen gemacht sind, zum Beispiel ruhige Musik, die die Konzentration fördert und beim Lernen helfen soll. Ein Trend den man zuvor auch bei Musikstreaming Diensten wie Spotify oder Youtube sehen konnte.

RADIOSZENE: Wie ist derzeit das Nutzungsverhältnis zwischen Web Only Radio und Simulcasts?

Bernhard Bahners: Wir sehen in unserem Service in Deutschland eine 70 zu 30 Verteilung zwischen Simulcast und Web Only, wenn man die Top 200 als Grundlage nimmt. Wir sind über die Jahre für unsere Nutzer der schnellste Weg zum Lieblingssender geworden.

Bahners Bernhard (Bild: RADIO.de)
Bahners Bernhard (Bild: RADIO.de)

RADIOSZENE: Nach übereinstimmenden Aussagen der Medienforschung befinden wir uns in einer „wahren Renaissance des Hörens“ – Audio online und Podcasts boomen. Besonders stark in den USA. Können Sie diesen Trend auch für Deutschland bestätigen?

Bernhard Bahners: Podcast sind ein unglaublich spannendes Thema, was man nicht nur an den Erfolgsmeldungen aus den USA ablesen kann, sondern auch an der Bandbreite an Podcastern in Deutschland, die dieses Thema in den letzten zwei Jahren für sich entdeckt haben. Das Thema ist nicht nur für klassische Radiosender relevant, sondern spielt auch in den großen Verlagshäusern eine Rolle. Besonders spannend ist aber auch zu sehen, dass viele Podcaster bisher keinen Audio- oder journalistischen Background haben. Das ist der Nährboden für die Online Audio Welt von morgen.

Daniel Ek, CEO von Spotify, hat  Anfang Februar seine Podcast-Strategie präsentiert. Mit einem Investitionsvolumen von bis zu 500 Mio Dollar plant Ek einen Teil der Podcast-Wertschöpfungskette zu besetzen, im ersten Schritt erwarb Spotify für 230 Mio Dollar die Firmen Gimlet Media und Anchor. Gimlet ist ein einer der führenden Inhalte Anbieter und Anchor ist einen beliebter Dienst für den Vertrieb von Podcast auf unterschiedlichen Plattformen. Eine spannende Entwicklung, wenn damit der Wettkampf um exklusive Inhalterechte befeuert wird. In seinem Statement hat Daniel Ek erstmals sehr klar seinen Angriff auf das klassische Radio formuliert, sein Ziel ist die vollständige Transformation der Radio-Nutzung durch die Verbindung von Musik und dem gesprochenen Wort.

Fest und Flauschig bei Spotify
Fest und Flauschig bei Spotify

Die Radiosender haben natürlich das technische Know-How und ausgebildete Stimmen im Hause, um Podcasts in bester Soundqualität anzubieten. Das spannende ist, ob sie auch die richtigen Inhalte finden, die für erfolgreiche Podcasts ausschlaggebend sind. Einige Häuser haben bereits Formate gestartet, die nicht bloß bereits gesendete Inhalte in Archiv Form darstellen, sondern komplett eigenständig existieren.

Selbst wenn wir derzeit in Deutschland noch nicht die beeindruckenden Reichweiten sehen, die Formate wie Serial in den USA erreichen, so ist für mich völlig klar, dass Podcasts eine entscheidende Rolle spielen werden. Ich sehe die Aufgabe von radio.net auch darin, die vielfältige Podcast-Welt einfach und direkt für jeden zugänglich zu machen. Das ist unsere Mission für 2019.

 

„Besonders spannend ist aber auch zu sehen, dass viele Podcaster bisher keinen Audio- oder journalistischen Background haben. Das ist der Nährboden für die Online Audio Welt von morgen“

 

RADIOSZENE: Wie bewährt sich die im vergangenen Jahr eingeführte ma Audio als gemeinsame Leitwährung für Radio, Online-Audio und konvergente Angebote?

Bernhard Bahners: Für die Vermarktung unserer Produkte hat die ma Audio nur eine indirekte Bedeutung, denn wir vermarkten uns nicht als Audio-Anbieter, sondern klar über die Standards der Website- und Mobile-App-Vermarktung. Und gerade in der digitalen Welt, in der programmatische Werbung eine immer größere Rolle spielt, zählt die konkrete Performance einer Werbekampagne, viel mehr als eine Reichweitenmessung, ohne Aussage über einzelne Kampagnen. Da sind ganz andere Messwerte für unsere Werbekunden entscheidend.

Wir merken aber in den Gesprächen mit den Radiosendern, dass die ma Audio die Bedeutung der Online Reichweite weiter in den Fokus rückt, was in der Betrachtung der tatsächlichen Reichweite der einzelnen Angebote natürlich auch folgerichtig ist. Und mit unserem Service, der die Sender auf allen wichtigen Endgeräten verfügbar macht, spielen wir natürlich eine wichtige Rolle im Aufbau der digitalen Reichweite für Audio-Anbieter.

RADIOSZENE: Welche Bedeutung haben smarte Lautsprecher wie Amazons Echo für Webradio, welche Chancen bieten sie?

Bernhard Bahners: Die Kategorie der Smartspeaker, ob es nun Amazons Echo Reihe oder zum Beispiel die beliebten Geräte von SONOS sind, bieten eine fantastische Möglichkeit für Radiomacher Hörer auch in der digitalen Welt zu halten. Die Nutzer können einfach per Sprachsteuerung auf die Suche nach den passenden Programmen gehen. Das ist so einfach wie bei den alten Küchenradios und gleichzeitig, dank der Übertragung über IP, so vielfältig wie noch nie zuvor. Mit unserem Alexa Skill kann jeder einfach seinen Lieblingssender starten oder auf die Suche nach ganz neuen Programmen gehen. Und das alles einfach mit der Stimme. Auch unsere SONOS Integration bietet den schnellen Zugriff auf die Lieblingsprogramme und Inspiration um die ganze Vielfalt des Radios zu entdecken.

"Alexa, starte radio.de" (Bild: ©radio.de)
„Alexa, starte radio.de“ (Bild: ©radio.de)

RADIOSZENE: Wie hat sich der Markt der Radio-Aggregatoren in den letzten Jahren entwickelt? Die Zahl der Zugriffe bei radio.de ist ja weiter deutlich gestiegen …

Bernhard Bahners: Im vergangenen Jahr haben wir bei radio.de den zehnten Geburtstag seit Marktstart in Deutschland im April 2008 gefeiert. In der Rückschau und vor allem mit Blick in die Zukunft muss sich das Unternehmen immer wieder neu erfinden, denn mit unserer „User-first“-Strategie verfolgen wir das Ziel, immer mehr Menschen für unser Angebot zu begeistern. Ich bin stolz und dankbar für die Leistung des Teams und aller Kollegen, die seit dem Start unsere Reise begleitet und geprägt haben. In diesem Sinne konzentriere ich mich auf unsere Entwicklung, in Deutschland aber auch international. Für die Zukunft wird es spannend, welche weitere Bedeutung Connected Devices gewinnen werden und wie sich der Markt durch herstellerseitige Pre-Installs von Audio-Services entwickeln wird.

RADIOSZENE: Wie hoch ist derzeit der Anteil an mobiler Nutzung von Webradioangeboten?

Bernhard Bahners: 70 Prozent unserer Nutzer nutzen unsere Apps. Und auch bei der Nutzung im Browser, nehmen die Smartphones und Tablets immer weiter zu. Tatsächlich liegt die Nutzung über mobiles Internet in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zurück. Hier spürt man direkt den aktuellen Status des Netzausbaus und die im Vergleich zu anderen Ländern immer noch teuren Datentarife. Hier muss Deutschland zum europäischen Vergleich aufschließen. Als internationaler Service können wir diese Unterschiede in unseren Zahlen ablesen. Ein Angebot wie die StreamOn Option der Deutschen Telekom, bei der wir auch Partner sind, verringert die Hürden für die Nutzer natürlich.

 

„Tatsächlich liegt die Nutzung über mobiles Internet in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zurück. Hier spürt man direkt den aktuellen Status des Netzausbaus und die im Vergleich zu anderen Ländern immer noch teuren Datentarife“

 

RADIOSZENE: Gibt es Prognosen wie schnell und mit welchen technischen Möglichkeiten die Nutzung von Webradio in Fahrzeugen fortschreiten wird?

Bernhard Bahners (Bild: radio.de)
Bernhard Bahners (Bild: radio.de)

Bernhard Bahners: Für die flächendeckende Nutzung in Fahrzeugen brauchen wir in Deutschland unbedingt ein besseres Mobilfunknetz. Das betrifft natürlich nicht nur die digitale Audiowelt, sondern die gesamte digitale Wirtschaft. Mit unseren Partnern in der Automotive Branche arbeiten wir mit einem internationalen Fokus zusammen, hier ist Deutschland tatsächlich nur einer von vielen Märkten.

RADIOSZENE: Welche Innovationen können die Webradionutzung noch zusätzlich beflügeln?

Bernhard Bahners: Wir sind im Bereich Connected Devices noch immer am Anfang der Entwicklung. Gerade im Bereich der Voice Interfaces, also der Sprachsteuerung und der Conversational UI, werden wir in den kommenden Monaten und Jahren wichtige Entwicklungen sehen. Wie sprechen wir also tatsächlich mit der künstlichen Intelligenz, welche Nutzungsszenarien setzen sich durch und welche kommen hinzu.

So sind wir in Deutschland Launch Partner von Samsung Bixby, dem Voice Assistenten von Samsung,  der ab sofort auch auf Deutsch für alle Samsung Galaxy Note9, Galaxy S9, S9+, Note8, S8 und S8+ Geräte mit „Android Pie“ zur Verfügung steht. Dadurch erhalten noch mehr Nutzer schnellen und einfachen Zugriff auf die gesamte Senderauswahl unseres Services.

Man sieht aber sehr klar, dass Audio ein fester Bestandteil vieler Innovationen ist, die entwickelt werden und auf den Markt kommen. Das ist ein positives Zeichen für das Webradio.

 

XPLR: MEDIA Radio-Report