Große Umfrage zu aktuellen Musiktrends im Radio 2019 (1)

Große Umfrage zu aktuellen Musiktrends im Radio (Bild:: © 123rf.com/28245738)

„In Zeiten der Toleranz muss es möglich sein, wenigstens über Musik zu streiten!“

The Trend is your Friend! Wie entwickelt sich die Musik im Radio? RADIOSZENE stellte hierzu Musikverantwortlichen deutscher Hörfunkstationen folgende Fragen:

  1. Welche sind die aktuellen Musiktrends im Radio in Ihrem Sendegebiet? 
  2. Werden sich diese Richtungen fortsetzen, sind bereits neue Trends in Sicht?
  3. Welche waren für Sie die Top Songs und Top Alben in 2018?
  4. Wie sehen Sie die derzeitigen Entwicklung deutschsprachiger Musik und Rock?

Dabei lieferten die Macher aus den Musikredaktionen eine Vielzahl interessanter Hinweise auf die derzeitigen und kommenden Musikströmungen. Fazit: es bleibt spannend – und: deutsche Musik ist bei allen Formaten weiter im Aufwind! 

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Wegen der sehr hohen Beteiligung durch zahlreiche Entscheidungsträger veröffentlichen wir die Antworten in zwei Ausgaben:

Gregor Friedel, SWR3, Musikchef

Gregor Friedel (Bild: ©Stephanie Schweigert)
Gregor Friedel (Bild: ©Stephanie Schweigert)

1) und 2): Interessant ist, dass es – so wie es im vergangenen Jahr eine große Anzahl von Sängerinnen gab, die vorwiegend aus Skandinavien kamen – derzeit eine große Anzahl von jungen Sängern gibt, die vorwiegend aus dem UK kommen. Jetzt wird es in diesem Jahr spannend zu sehen, wer das Rennen machen wird, wobei sich bei dem einen oder anderen bereits ein Erfolg abzuzeichnen scheint.

3) Meine beiden Lieblingsradiosongs des vergangenen Jahres waren „Say Something“ von Justin Timberlake und Chris Stapleton – macht einfach gute Laune und „Be Alright“ von Dean Lewis. Starke, emotionale Nummer, die ich immer noch genauso gerne im Radio höre wie am ersten Tag. Generell gab es aber in 2018 viel spannende Musik, die auch mal aus den tradierten Formen, die lange das Radio bestimmt haben, herausgefallen sind, wie zum Beispiel Deva Mahal mit „Snakes“, Jeremy Loops mit „Gold“ oder Sam Fender mit „Dead Boys“.

 

„Der Markt von deutschsprachiger Musik ist jetzt breit besetzt“

 

4) Nach dem sehr erfolgreichen Jahr 2018 wird es spannend, ob sich die Entwicklung so fortführen wird. Der Markt von deutschsprachiger Musik ist jetzt breit besetzt. Nun kommt es darauf an, wem es gelingt, etwas Eigenes in den Ring zu werfen, um zu reüssieren. Es gibt im Mainstream kaum noch Nischen, die noch nicht besetzt sind und in die man sich zwängen kann, ohne dabei nicht mehr als ein „Me-too-Produkt“ zu sein und nicht als originär wahrgenommen zu werden.


Patrick Morgan, BIGFM, Programmdirektor / Leitung Musikredaktion

Patrick Morgan (Bild: ©bigFM)
Patrick Morgan (Bild: ©bigFM)

1) Vor allem Deutschrap und melodischer Hip-Hop aus den Staaten sind derzeit sehr beliebt, aber auch  Pop-EDM, R&B aus Europa (Frankreich, Deutschland, Holland) sind gleichermaßen hoch im Kurs.

2) Deutschrap, American Hip-Hop und auch Pop-EDM sind Stile die uns weiterhin begleiten werden. Der einzig etwas neuere Trend ist tatsächlich der europäische R&B.

3) Wenn wir die nationalen Singles betrachten, dann definitiv „Magisch“ von Olexesh feat. Edin, „Casanova“ von Summer Cem feat. Bausa und „500 PS“ von Bonez MC & RAF Camora. 

Top Alben 2018 auf nationaler Ebene auf jeden Fall „Palmen aus Plastik 2” von Bonez MC & RAF Camora, „Endstufe“ von Summer Cem und „Berlin lebt“ von Capital Bra.

 

„Rock ist tot“

 

Was die internationale Singlefront betrifft, würde ich sagen „Girls Like You” von Maroon 5 feat. Cardi B, „Better Now” von Post Malone und „In My Mind” von Dynoro & Gigi D’Agostino.

Top Alben 2018 auf internationaler Ebene waren „Scorpion” von Drake, „Beerbongs & Bentleys” von Post Malone und „Sweetener” von Ariana Grande.

4) Sprechen wir von Deutschrap, dann wird sich dieser noch weiter entwickeln und mit anderen Stil-Genre verschmelzen und damit noch mehr Aufmerksamkeit erzeugen. 

An der Rockfront sieht es leider nicht so gut aus. Rock ist tot, selbst gängige Rockbands verzichten in ihren Singles komplett auf Gitarren und Rockelemente. Beispielsweise ist die Single „High Hopes“ von Panic! At The Disco eine reine Pop-Single und hat mit Rock eher weniger zu tun. Rock funktioniert leider nur noch Off-Air in Form von Konzerten und Festivals.


Kathrin Weiß, 89 0 RTL, Leitung Musikredaktion

Kathrin Weiß (Bild: ©89.0 RTL)
Kathrin Weiß (Bild: ©89.0 RTL)

1) Im Trend sind einfache ‚gute Laune‘ Pop- und Pop-Dance Songs, wie zum Beispiel Ava Max „Sweet But Psycho“ oder Mark Ronson & Miley Cyrus „Nothing Breaks Like A Heart“. Der Sound prägt zum größten Teil unser Programm. Wir sehen aber auch, dass Songs mit Ecken und Kanten gut im Sendegebiet funktionieren. Diese Titel werden dann über einen langen Zeitraum gerne gehört, schaffen es dann aber aufgrund der steigenden Polarisierung meistens nicht in die Backrotation.

2) Das Schöne an Musik ist, dass wir immer wieder mit Neuem überrascht werden. Auch unsere Hörer haben stetig wechselnde Anforderungen an unser Musikprogramm. Wir versuchen dem immer gerecht zu werden und anzubieten, was gerade geliebt wird.

Auch in diesem Jahr erlaube ich mir da keinen Blick in die Glaskugel. Ich bin gespannt was uns 2019 erwartet!

 

„Heute sind Alben eigentlich nicht mehr als ein gebündelter Release von Titeln“

 

3) Für mich waren die Top Songs 2018: Loud Luxury – „Body“, George Ezra – „Shotgun“, Dynoro & Gigi D‘AgostinoIn – „My Mind“, Wincent Weiss – „An Wunder“.

Über die Top Alben 2018 habe ich lange gegrübelt. Alben sind, wie ich persönlich finde, aus der CD- Ära. Man hat das Cover intensiv studiert, jeden einzelnen Song über Wochen mehrmals gehört. Die Story des Albums war wichtig, der Zusammenhang zwischen den einzelnen Titeln. Heute sind Alben eigentlich nicht mehr als ein gebündelter Release von Titeln, eine Playlist, aus denen man sich die besten Songs herauspickt. 

4) Deutschsprachige Musik ist sehr wichtig geworden und aus den Radioprogrammen nicht wegzudenken. Das Angebot ist unglaublich groß und auch qualitativ mittlerweile sehr gut. Das macht es umso schwieriger, die richtigen Songs für die eigenen Hörer herauszupicken. Mit deutschen Songs kann man das Image des Musikprogramms schnell verändern. Was für den einen Hörer noch Pop ist, sieht der Andere schon als Schlager. Auch Deutschrap wird immer wichtiger für einen Teil unserer Hörer.

Ein paar wenige Rock-, eher Pop-Rock Songs, haben es in den letzten Monaten auf die Playliste geschafft. Das gute an diesen Songs ist, dass sie sich lange im Musikprogramm halten und nicht zu schnell „verbrennen“. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in diesem Jahr wieder mehr davon auf unseren Radioplaylisten geben wird.


Aditya Sharma, FRITZ, Musikchef

Aditya Sharma (Bild ©rbb/Stefan Wieland)
Aditya Sharma (Bild ©rbb/Stefan Wieland)

1) Der Deutsch-Rap ist im Jugendbereich fest im Sattel und erobert vor allem die Playlists der Streaming-Dienste. Im Radio ist die Nachfrage nach diesem Stil sehr verhalten, aber mit Bonez MC & Raf Camora, Kontra K, Trettmann, Sido, Casper & Marteria gibt es inzwischen eine Reihe etablierter Protagonisten, die nicht nur millionenfach Plays und Klicks sammeln, sondern auch im echten Leben große Hallen füllen können. 

Ansonsten macht sich der Produzenten-Pop weiter breit. Ganz nach dem Motto „viel bringt viel“ vereinen fast alle relevanten Pop-Acts eine ganze Armada von Songwritern und Produzenten hinter ihren Hits. An Ariana Grandes „Thank U, Next“ haben zum Beispiel acht Leute mitgeschraubt. Fast alle Top-Hits listen ausgiebige Features auf. Diesen Umstand kann man unterschiedlich lesen: knallhartes Marketing oder eine gesunde Abbildung der Biosphäre Hitmaschine.

Die Dance-Klänge in der Popmusik ragen aktuell über alles (David Guetta, Calvin Harris, Robin Schulz etc.). Einige auffällige Solo-Karrieren haben sich verfestigt, sowohl aus Deutschland (Nico Santos, Namika, Mark Forster etc.) als auch international (George Ezra, Rita Ora, Shawn Mendes etc.).

 

„Der Produzenten-Pop scheint die Zukunft der Musik zu sein“

 

Die Dampfwalze Rap im US-Mainstream (Drake, Cardi B, Travis Scott, Post Malone etc.) ist bis auf Drake nur bedingt anderswo auf der Welt übertragbar.

Die Schwierigkeit der aktuellen Rockmusik, sich im Mainstream durchzusetzen, ist, bis auf einige wenige Gegenbeispiele über einzelne Acts und Hits (Panic! At The Disco, Maroon 5 oder Imagine Dragons), weiterhin mehr als offensichtlich.

2) Der Produzenten-Pop scheint die Zukunft der Musik zu sein. Produzenten schreiben Songs und Stars picken sich ihre Rosinen heraus – fertig ist der Chart-Erfolg bzw. der (mögliche) Radio-Hit. Und Ed Sheeran bleibt sein eigener und gefühlt forever anhaltender Trend.

3) „In My Mind“ war ein Song, der uns in der Redaktion sehr früh auffiel, weil die Samples teilweise sehr alt waren und schon vor Jahren gefühlte Hit-Qualitäten aufgewiesen haben. Wegen Rechteklärungsfragen und der Schwierigkeit, eine legale und spielbare Version des Songs zu erhalten, hatte der Track in der Fassung von Dynoro eine lange Reise bis zum Top-Hit. Da wir diesen Weg als Redaktion mitgegangen sind, ist uns dieser Song besonders in Erinnerung hängen geblieben. Auffällige Alben 2018 waren insbesondere die von Janelle Monae, Ariana Grande, Cardi B oder Travis Scott, die sowohl bei Kritikern als auch kommerziell Erfolg hatten. Mein persönliches Highlight war das zweite Album der Spanierin Rosalia – gibt´s so was wie „New Flamenco“? Jetzt ja.

4) Deutschsprachige Musik ist angenehmerweise keine Ausnahme mehr, aber der Wohlfühlsektor im Bereich Deutschpop braucht neue Impulse, hier scheint momentan alles gesagt. Neben den Megasellern aus dem Schlagerbereich setzt sich gerade auch deutscher HipHop immer wieder in den Charts fest und fügt der deutschen Musiklandschaft interessante Nuancen und Sprachfeinheiten hinzu, in absichtlicher und angenehmer Weise streitbar. In Zeiten der Toleranz muss es möglich sein, wenigstens über Musik zu streiten! Besonders bemerkenswert ist, dass mit Lea, Jadu, Mine, Lary, Haiyti, Toksi oder Alexa Feser sich auch in Deutschland wieder mehr weibliche Pop-Stimmen Gehör verschaffen. 

Was den Rock angeht, greift man auf die alten Namen weiterhin verstärkt zurück. Aktueller Rock wird im Radio zwar von großen Teilen der Hörerschaft nicht honoriert und ist auch über Neuheiten nicht nachgefragt, aber im Live-Segment funktioniert er in Teilen extrem erfolgreich. Eine starke Kluft. Rock-Klassiker im Radio sind weiterhin gefragt, fast als ob wegen des Mangels an aktuellen großen Gesten die Nostalgie herhalten muss. Neben den großen Platzhirschen wie den Toten Hosen oder Rammstein gibt es aber durchaus Entdeckenswertes und viele sehr hörenswerte Rock- und Metalbands (zum Beispiel Ghost), die allerdings weitestgehend nur in ihren speziellen Szenen bekannt bleiben.


Gordon Harms, ANTENNE BAYERN, Leiter Musikredaktion

Gordon Harms (Bild: Antenne Bayern)
Gordon Harms (Bild: Antenne Bayern)

1) Der ANTENNE BAYERN-Musiktrend besteht derzeit aus einer guten Mischung aus „handgemachter“ Popmusik, Electronic Dance Music, inspiriertem Dance-Pop und lupenreinem Pop. 

2) Vorerst werden wir diese Richtung fokussieren, da sich – in dem bislang ja noch recht jungem Musikjahr – keine wirklich neuen Musiktrends abzeichnen. 

3) Mark Ronson hat mit der Single „Nothing Breaks Like A Heart“ zum Ende des Jahres überrascht und Ava Max mit „Sweet But Psycho“ gehalten, was der erste Höreindruck versprochen hat. Nico Santos dagegen untermauerte, dass er Pop aus Deutschland nachhaltig prägt. Für mich als Musikchef war es im Jahr 2018 außerdem spannend mitzuerleben, dass die Band Panic! At The Disco mit einem Track ihr Image komplett aus dem Untergrund in fast alle Radiostationen getragen hat. Außerdem haben Deejay-, und Dance-Projekte das vergangene Radiojahr bestimmt. Daneben haben Rudimental mit „These Days“ einen für mich grandiosen Song geschrieben. Auf meiner persönlichen Playlist stehen beispielsweise Sam Fender, Billie Eilish oder auch Jacob Banks.

 

„Rock wird temporär an Bedeutung verlieren und durch Alternative Pop/Rock ersetzt werden“

 

4) Ich blicke der Entwicklung deutschsprachiger Musik erwartungsvoll entgegen. Gerade die im Jahr 2018 etablierten Künstler wie Mark Forster, Wincent Weiss und Glasperlenspiel haben überzeugt und ich hoffe, dass es auch im Jahr 2019 genauso spannend, relevant und nachhaltig weitergehen wird. Rock dagegen wird temporär an Bedeutung verlieren und durch Alternative Pop/Rock ersetzt werden. Vorzeigebeispiele wären hier: Imagine Dragons, Dermot Kennedy oder auch Welshly Arms. 


Niklas Gruse, RADIO FFN, Musikchef

Niklas Gruse (Bild: Radio ffn)
Niklas Gruse (Bild: Radio ffn)

1) Dance Sounds vom Niedersachsen Robin Schulz, dem Hamburger Felix Jaehn und sämtliche Remixe von Alle Farben sind derzeit sehr angesagt.
2) Der Hörer entscheidet, was Trend ist und wie lange er anhält beziehungsweise ob sich etwas zu einem Trend entwickelt. Wir bemerken, dass wieder deutlich mehr organische Songs (Pop-Rock) auf die Playlists kommen, die dominierende Vorherrschaft von Dance und PopDance im AC scheint aktuell etwas zu verblassen.

3) Der Titel für das beste Album geht eindeutig an Ed Sheeran. Sein Album „Divide“ ist 2017 erschienen und seit fast zwei Jahren in den Charts. Gratulation zu diesem Album!
Mit „Zusammen“ lieferten die Fantastischen Vier einen der Top Songs 2018. Noch nicht ganz so alt, aber dafür sehr überzeugend: „Sweet But Psycho“ von Ava Max.

 

„Wir bemerken, dass wieder deutlich mehr organische Songs (Pop-Rock) auf die Playlists kommen“

 

4) Deutschsprachige Musik ist inzwischen sehr facettenreich: Von den Toten Hosen über Die Fantastischen Vier bis zu den Schlagerstars Helene Fischer, Vanessa Mai und Ben Zucker oder den Deutschpop-Stars Mark Forster, Max Giesinger, Revolverheld, Wincent Weiss – hier findet fast jeder etwas nach seinem Geschmack. Interessante Newcomer 2018: Benne und Kroner. 

Rockmusik bleibt weiterhin eine Nische, wir freuen uns über die Ausnahmen, die gelegentlich die Gitarren zurück in den Mainstream bringen.


Sue Deckwerth, PLANET RADIO, Musikredaktion

Sue Deckwerth (Bild: planet radio)
Sue Deckwerth (Bild: planet radio)

1) Im Moment findet in unserem Programm ein recht ausgewogener Mix aus Dance Pop Tracks, wie „Sweet But Psycho“ von Ava Max und „Body“ von Loud Luxury, urbanen Tunes von Khalid, Post Malone und Drake und melodischen Popsongs wie „High Hopes“ von Panic! At The Disco und „Be Alright“ von Dean Lewis statt.

2) Vielleicht kann man nicht unbedingt von einem Trend sprechen, aber es gibt vermehrt urbane Songs mit Latin-Einflüssen, wie zum Beispiel „MIA“ von Bad Bunny feat. Drake,
„Arms Around You” von XXXTENTACION X Lil Pump feat. Maluma & Swae Lee, oder „Say My Name“ von David Guetta feat Bebe Rexha & J Balvin. Auch Robin Schulz hat letztes Jahr für den Track „Oh Child“ mit der kolumbianischen Latin Popgruppe Piso 21 zusammengearbeitet, was bei unseren Hörern gut ankam.

 

„Alben verlieren in unserer Zielgruppe immer mehr an Relevanz“

 

3) Da sich gute Radiosongs auch dadurch auszeichnen, dass man sie über einen langen Zeitraum spielen kann, gehören zu den Toptracks des vergangenen Jahres definitiv Post Malone mit „Better Now“, Calvin Harris feat. Dua Lipa mit „One Kiss“ und Maroon 5 feat Cardi B mit „Girls Like You”. Alben verlieren in unserer Zielgruppe immer mehr an Relevanz. 

4) Die Charts werden seit längerem stark von Deutschrap dominiert. Leider sind davon die wenigsten Tracks wirklich Radio-tauglich. Dass sich das aber nicht ausschließen muss, zeigen Künstler wie Sido, Bausa und Kontra K. Rock spielt momentan eine sehr untergeordnete Rolle und daran scheint sich auch nicht so schnell etwas zu ändern.


Robby Gierer, RADIO NRW, Leiter Musikredaktion und Leiter Sound

Robert Gierer (Bild: ©Niko Neithardt)
Robert Gierer (Bild: ©Niko Neithardt)

1) Die angesagten DJ‘s wie Robin Schulz, David Guetta, Alle Farben etc. sind bei unseren Hörern beliebt und der EDM-Sound wird immer mehr zum aktuellen Pop-Sound mit den unterschiedlichsten bekannten Stimmen. Eine geniale Kooperation beweist erneut Calvin Harris. Nach Künstlern wie Dua Lipa und Sam Smith war der Ausnahmesänger Rag’n’Bone Man jetzt mit Harris im Studio. Weiterhin von Bedeutung für die NRW-Lokalradio-Hörer ist aktueller Pop. Das zeigt der immense Erfolg von Künstlern wie Ed Sheeran, Pink, und Bands wie Imagine Dragons oder Maroon 5.

2) Authentische Singer/Songwriter sind weiterhin angesagt: George Ezra, Tom Walker und Newcomer Declan J Donovan werden diesen Trend in 2019 fortsetzen.

3) Zu meinen Album-Favoriten gehörten im letzten Jahr auf jeden Fall „Dirty Computer“ von Janelle Monae, „Anthem Of The Peaceful Army“ von Greta van Fleet und natürlich „44/876” von Sting und Shaggy.

 

„Authentische Singer/Songwriter sind weiterhin angesagt“

 

Bei den Singles gefielen mir „Feel It Still” von Portugal.The Man, „Nevermind” von Dennis Lloyd und „High Hopes” von Panic! At The Disco besonders gut. 

4) Deutschsprachige Musik ist erfolgreicher Bestandteil unserer Rotation. Hier ist neben etablierten Künstlern wie Herbert Grönemeyer, Udo Lindenberg, Die Toten Hosen, Revolverheld, Max Giesinger, Mark Forster und vielen anderen auch Platz für spannende Newcomer wie Vincent Malin und Giant Rooks aus Hamm.


Claus-Peter Rueckert, RADIO REGENBOGEN, Leitung Musik

Radio Regenbogen1) EM ist weiter bestimmend.

2) Neben EM sehe ich viele neue Singer/Songwriter, wie Christopher, Declan J Donovan oder Dermot Kennedy.

3) Positiv überrascht hat mich das erste deutschsprachige Album „Schlüsselkind“ von Sasha. Ansonsten gab es einige schöne Alben zum Beispiel von Bosse, Herbert Grönemeyer, Lukas Graham oder Welshly Arms – von denen aber keines wirklich herausragte. 

 

„Deutschsprachiger Pop steht bei unseren Hörerinnen und Hörern immer noch sehr hoch im Kurs“

 

Aus Sicht von Regenbogen Zwei  ist das Greta van Fleet Album „Anthem Of The Peaceful Army“ das Highlight. Schön zu hören, dass die jungen Rocker sich dem Classic Rock verschrieben haben. Zu den Top Songs 2018 zählen sicherlich „One Kiss“ Calvin Harris & Dua Lipa und Alvaro Soler mit „La Cintura“

4) Deutschsprachiger Pop steht bei unseren Hörerinnen und Hörern immer noch sehr hoch im Kurs.


Bernhard Hiller, BB RADIO, Leiter Musikredaktion

Bernhard Hiller (Bild: BB Radio)
Bernhard Hiller (Bild: BB Radio)

1) So wie wir das sehen, gibt es Trends an sich nicht mehr. Immer mehr unterschiedliche Musikstile können den ein oder anderen Hit verbuchen, aber DIE eine aktuelle Musikrichtung, die die Charts und Playlisten dominiert, lässt sich bei der Fülle an Angeboten für die Interessen der unterschiedlichsten Konsumentengruppen nicht erkennen.

2) Wenn überhaupt denke ich, dass es – insbesondere in Brandenburg und Berlin – weiterhin ein Potential für rhythmisch getriebene Hits gibt.

3) Ganz persönlich habe ich mich über das Lebenszeichen von Janet Jackson mit „Made For You“ gefreut. Bei den Alben lief bei mir Justin Timberlake mit „Man Of The Woods“ relativ häufig. Sprechen wir über die erfolgreichsten Songs bei unseren Hörern, dann konnte Gigi D’Agostino zusammen mit Dynoro und „In My Mind“ ein fulminantes Comeback hinlegen. Überaus erfreulich war die Resonanz auf den deutschen ESC Teilnehmer Michael Schulte. Und kein anderer Künstler konnte 2018 mehr Songs aus einem Album im Programm platzieren als Robin Schulz.

 

„So wie wir das sehen, gibt es Trends an sich nicht mehr“

 

4) Wie in den letzten Jahren wird deutschsprachige Musik wohl weiter sehr vielfältig und sehr erfolgreich sein.

Inwieweit Rockmusik ein wirkliches „Comeback“ schaffen wird, ist schwer abzusehen. Zwar sind Bands wie Imagine Dragons, Panic! At The Disco und einigen anderen respektable Airplay-Hits gelungen. Ob diese aktuellen und modernen Varianten aber „klassischen“ Rocksongs wieder zum Erfolg verhelfen werden, bleibt eher mit Skepsis abzuwarten.


Thomas Rosch, SR 1 / UNSERDING, Leiter der Programmgruppe Musik und Unterhaltung

Thomas Rosch (Bild: ©SR)
Thomas Rosch (Bild: ©SR)

1) Die aktuellen Trends funktionieren deutschlandweit. Weder bei SR 1 noch UNSERDING lassen sich regionale Abweichungen feststellen. Im AC-Markt (SR 1) sind deutsche Popmusik (etwa Namika, Wincent Weiss oder Mark Forster) und Dancepop/Mainstream-EDM (etwa Calvin Harris, David Guetta oder Robin Schulz) nach wie vor auf dem Vormarsch. Das belegen sowohl die Callouts wie auch die Verkaufscharts. Jugendformate sind gut beraten, weiterhin auf Urban/HipHop und deutschen Rap zu setzen (zum Beispiel Capital Bra, Bonez MC & RAF Camora oder Trettmann). Aber auch hier führt am Dancepop/EDM natürlich kein Weg vorbei.

2) 2019 scheint die Marschrichtung vorgegeben: Deutschpop, Dancepop/EDM und internationaler Pop im AC-Segment (auch hier hält langsam schon Rap Einzug, freilich in massentaugliche Popsongs eingebettet, etwa Maroon 5 feat. Cardi B, Rea Garvey & Kool Savas, Elli Goulding und Swae Lee, um Pop für alle Altersklassen zu verkaufen). Im CHR-Segment sticht besonders internationaler und deutscher HipHop/Deutschrap heraus, der zukünftig noch größeren Einfluss nehmen wird. 

Insgesamt also kein Ende der aktuellen Trends in Sicht. Zusätzlich haben im Sommer lateinamerikanische Rhythmen Hochkonjunktur.

 

„Jugendformate sind gut beraten, weiterhin auf Urban/HipHop und deutschen Rap zu setzen“

 

3) Besonders gut funktioniert haben in 2018:

Topsongs bei SR 1: Alvaro Soler – „La Cintura“, Namika – „Je ne parle pas francais“, David Guetta feat. Sia – „Flames“.

An Alben haben bei SR 1 eine besondere Rolle gespielt: Die Fantastischen Vier – „Captain Fantastic“ (auch wegen des ausverkauften Open Airs in St. Wendel), Rea Garvey – „Neon“, Die Toten Hosen – „Laune der Natur“ (auch wegen der zwei(!) ausverkauften Gigs in Bosen).

Topsongs bei UNSERDING: Post Malone – “Better Now”, Die Fantasischen Vier – “Zusammen”, Dynoro & Gigi D’Agostino – “In My Mind”.

Top Alben bei UNSERDING: Post Malone – “Beerbongs & Bentleys”, Marteria & Casper – “1982”, Clean Bandit – “What Is Love?”.

4) Trotz einiger großer Erfolge (etwa der Imagine Dragons oder von Welshly Arms) spielt neue Rockmusik im Radio nur noch eine untergeordnete Rolle. Rührt auch von der Dominanz der oben genannten Trends her. Festzuhalten bleibt aber, dass gerade die etablierten Rockbands und regelrechte „Klassiker“ (zum Beispiel Die Toten Hosen oder Van Halen auf SR 1 oder die Beatsteaks bei UNSERDING) im Saarland nach wie vor sehr gut ankommen, wie unsere Callouts belegen. Grundsätzlich gilt: Wenn neue oder immer noch angesagte Bands wie beispielsweise Kraftklub (UNSERDING) oder die Toten Hosen (SR 1) ein neues Album veröffentlichen, ist das Thema. Und auch die Newcomer-Band Leoniden hat nicht zuletzt durch den Gewinn des „New Music Awards“ (Newcomerpreis der öffentlich-rechtlichen Jugendradios) ihren Weg ins Radio gefunden.


Anja Caspary, RADIO EINS, Musikchefin

Anja Caspary (Bild: ©rbb/Jim Rakete)
Anja Caspary (Bild: ©rbb/Jim Rakete)

1) Um für radioeins zu sprechen: Uns fällt eine Verweiblichung der Männerstimmen auf: Es gibt zur Zeit sehr viele Tenorstimmlagen, fast alle Männer singen hochtönend. 

Im Sendegebiet klingen ja sonst fast alle anderen Wellen ziemlich mainstreamig, da sie sich an Chartserfolgen orientieren – bei diesen hält die Deutschpop-Strähne an.

Der deutsche Hiphop, der so gut verkauft, spielt allerdings bei den meisten Radiosendern keine große Rolle.

2) Keine Angaben.

3) Top Songs: Chinese Man – „Wolf“, Michael Kiwanuka – „Cold Little Heart“, DJ Koze – „Pick Up“, Christine & The Queens – „Girlfriend/Damn dis-moi“, Nakhane – „Interloper“

Top Alben:  DJ Koze – „Knock Knock“, Sophie Hunger – „Molecules“, Sepalot Quartett – „A New Cycle“, Decemberists – „I‘ll Be Your Girl“, Anna Calvi – „Hunter“.

 

„Uns fällt eine Verweiblichung der Männerstimmen auf“

 

4) Deutschsprachige Musik, vor allem die bekannten „Songpoeten“ (leider alle männlich) haben bei den Mainstream-Radios viel Erfolg. Bei radioeins nicht. Wir finden die spannenderen Musiktitel im Bereich deutschsprachige Elektronik und Indierock, Künstler*innen wie Perel, Bilderbuch, Die Heiterkeit, Danny Dziuk, Theodor Shitstorm, AnnenMayKantereit und andere.

Thema Rock: Generell gibt es sowohl im (Hard)Rock als auch im Indierockbereich  Nachwuchsprobleme. Die alten Bekannten wie Phillip Boa, Editors, Death Cab for Cutie, Johnny Marr etc. haben in diesem Jahr gut geliefert.

Aber auch im Indierock gibt es wenige starke neue Frauenstimmen, wir setzen Hoffnungen in Newcomerinnen wie Sharon van Etten, Jade Bird und Frokedal.


David Banks, RPR1., Musikredaktion

David Banks (Bild: RPR1)
David Banks (Bild: RPR1)

1) Junge, frische Stimmen, männlich (Eli, Nico Santos, Hugo Helmig, Shawn Mendes usw.) wie auch weiblich (Rita Ora, Dua Lipa, Alice Merton, Namika, usw.)

– Handgemachter Songwriter-Pop á la Michael Patrick Kelly, aber auch Gitarren- und

Synthesizer-lastige Songs (Welshly Arms, Rag ‚N‘ Bone Man, Imagine Dragons)

– DJ/Producer, die sich zu Popacts wandeln (Calvin Harris, Robin Schulz, Alle Farben,

Lost Frequencies usw.)

– Im jüngeren Segment natürlich Deutschrap.

 

„Musik mit Latin-Einflüssen wird, wie in den letzten Jahren, weiter an Bedeutung gewinnen und sich im deutschen Mainstream festigen“

 

2) Musik mit Latin-Einflüssen wird, wie in den letzten Jahren, weiter an Bedeutung gewinnen und sich im deutschen Mainstream festigen. Auch weitere ethnologische Einflüsse, zum Beispiel aus dem Balkan, sind denkbar – in Spartengenres lässt sich das bereits erkennen. DJ/Producer werden weiterhin im CHR (Contemporary Hit Radio) und AC (Adult Contemporary) dominieren.

Deutschsprachige Musik wird weiterhin einen Schritt nach vorne gehen, sowohl regional wie national.

3) Meine persönlichen Top-Songs 2018 waren „Nice For What“ (Drake) und „Promises“ (Calvin Harris). Als DJ/Radioplaner überzeugten mich Calvin Harris, Dua Lipa mit „One Kiss“ und Namika mit „Je ne parle pas français“. Mein persönliches Top-Album war „Kamikaze“ von Eminem. Als DJ/Radioplaner begeisterten mich Michael Patrick Kelly mit „ID“, Herbert Grönemeyer mit „Tumult“ und Mark Forster mit „Liebe“.

4) Deutschsprachige Musik befindet sich auf einem guten Weg und hat aktuell eine hohe Akzeptanz. Schlager und HipHop haben (genrespezifische) Vorreiterrollen übernommen, sodass auch in der Popmusik immer mehr deutschsprachige Künstler den Weg gehen können, in ihrer Muttersprache zu singen.

Die Akzeptanz von Rockmusik liegt insbesondere in älteren Titeln begründet; aktuelle Rocksongs platzieren sich am Markt kaum und haben außerhalb von Segmentformaten wenig Bedeutung. Dies wird auf absehbare Zeit so bleiben. 

-> Teil 2 der großen Umfrage zu den aktuellen Musiktrends im Radio 2019

(Teaserbild oben: © 123rf.com/28245738)