Neue Technologien: schlecht für das Radio?

James Cridland's Radio FutureAutomation Killed The Radio Star, sagt zumindest der neueste Blog von Dick Taylor, einem amerikanischen Publizisten und kritischen Begleiter der Radiobranche.

Zwei Dinge dazu.

Zuerst einmal diese  ebenso abgedroschene wie falsche Zeile aus dem Buggles-Song als Überschrift. Radio ist überhaupt nicht tot, im Gegenteil. In den meisten großen Ländern hören 9 von 10 Leuten jede Woche Radio. Nichts wurde von irgendwas ‚gekillt‘.

Ich sammle übrigens solche Buggles-Überschriften. Denn das Stück war damals schon bemerkenswert. Es war der erste Song, der bei MTV lief, in einer Zeit, als es auf diesem Sender noch keine hirnlosen Reality-TV-Shows gab. Es wurde halt Musik gespielt, nicht mehr und nicht weniger. Interessanterweise hat das Radio inzwischen MTV sogar überdauert.

Jedes Mal, wenn so eine „killed the radio star“-Schlagzeile auftaucht, verstärkt sich bei uns der Eindruck, als ob das Radio in irgendeiner Weise bedroht ist. Das ist nicht der Fall. Bei Teilen der US-Bevölkerung ist das Radio beispielsweise beliebter als Fernsehen!

Der zweite Passus in Dicks Blog-Post, der mir Schwierigkeiten bereitet und bei dem ich eine abweichende Meinung vertrete, ist dieser Fingerzeig auf die Technologie, in diesem Fall auf die Radio-Automation.

Man braucht am Ende eben doch noch Leute, um die Technologien – in welcher Form auch immer – zu nutzen. Die Technologie an sich ist weder zu etwas Gutem noch zu etwas Schlechtem in der Lage.

Schließlich ist auch die Briefpost keine schlechte Sache, nur weil manche Leute es für nötig halten, böse Briefe und schlechte Sachen damit zu verschicken.

Automation kann das Beste aus Ihrem Sendeplan herausholen. Sie kann nachts für eine warme und freundliche Stimme sorgen, wo früher nur ein Testton und die Übernahme des Nachtprogramms einer anderen Rundfunkanstalt gesendet wurde. 

Automation kann die Schwachstellen ausmerzen, mit denen wir im Zeitalter der Plattenspieler und Cartmaschinen zu kämpfen hatten.

Zugegeben: schlechte Automation schafft schlechtes Radio, aber es wäre töricht anzunehmen, dass jegliche Automation vom Teufel kommt.

Neue Technologie hat – bei guter und gezielter Nutzung – das Potential, den Hörer zu erfreuen und wirkt sich somit positiv auf Einschaltquoten und Einnahmen aus. Bei schlechter Nutzung kann der Schuss natürlich nach hinten losgehen.

Aber mittlerweile dürfte was mich betrifft eines relativ klar sein: Ich bin ein Fan von neuen Technologien, wenn sie dem Radio einen Nutzen bringen. Dazu gehört auch die Automation.

Wenn irgendetwas „den Radio-Star killt“, dann wohl die Menschen, die Automation falsch einsetzen. Auf die sollten wir im Radio vielleicht lieber verzichten.


James Cridland
James Cridland

Der Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Er betreibt den Medieninformationsdienst media.info und hilft bei der Organisation der jährlichen Next Radio conference in Großbritannien. Er veröffentlicht auch podnews.net mit Kurznews aus der Podcast-Welt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.crid.land.