Zur Abwechslung mal gute Nachrichten?

James Cridland's Radio FutureComiczeichner Scott Adams (bekannt von „Dilbert“) hat vor einiger Zeit ein Buch mit dem vielsagenden Titel „Die Kunst des erfolgreichen Scheiterns (Bezahlter Link)“ geschrieben und beschreibt darin, wie man so ziemlich alles falsch machen kann und dabei trotzdem erfolgreich bleibt. Ein Teil dieses Gedankenprozesses beruht darauf, dass man seine Stimmungen und seine persönliche Energien aktiv managen sollte. Und das tut man zum Beispiel, indem man Nachrichten, die einen zu sehr deprimieren würden, nicht an sich heranlässt.

Vor einigen Jahren war ich der Betreiber einer hyperlokalen (und übrigens verblüffend erfolgreichen, weil viel gelesenen) Website für den Großraum London, meinem damaligen Wohnort. Bevor ich loslegte, hatte ich mich vielerorts schlau gemacht, und was ich von anderen Betreibern lernte, war vor allem eines: positiv bleiben. „Keiner will das Gefühl haben, dass er in einer kriminellen oder tristen Gegend wohnt“, sagte mir einer. Und er hatte Recht.

Sendeanlagen auf dem Tygerberg (Bild: ©Kapstadt.de)
Sendeanlagen auf dem Tygerberg (Bild: ©Kapstadt.de)

Wenn man sich jedoch regelmäßig Nachrichten ansieht, konsumiert man – hauptsächlich – größtenteils schlechte Nachrichten, die sich auch noch ständig wiederholen. In manchen Teilen der Welt, so auch in Europa, gehören Nachrichten zu den von Medienregulatoren vorgegebenen Inhalten im Radio: sie werden stündlich gesendet. Somit werden wieder Missgeschicke, Unannehmlichkeiten und auch der Tod Stunde um Stunde frei Haus geliefert. Vielen Dank dafür, liebe Medienregulatoren.

Während ich diese Zeilen schreibe, berichten meine Lokalnachrichten gerade über einen Schauspieler, der sich angeblich daneben benommen hat und jetzt vor Gericht steht, über ein abgestürztes Flugzeug ohne Überlebende, über ein Erdbeben, das Neuseeland „durchgeschaukelt“ hat und über neue Fotos von der Überwachungskamera, die einen Menschen kurz vor seinem gewaltsamen Tod zeigen. Und gleich danach wieder ein Ed-Sheeran-Song. Man kennt das schon.

James Cridland: Zur Abwechslung mal gute Nachrichten? Z.B. wie bei smile 90.4 FM?

In Kapstadt gibt es einen Sender namens Smile 90.4FM, und die gehen das mit den Nachrichten etwas anders an.

Clive Ridgway (Bild: ©smile 90.4)
Clive Ridgway (Bild: ©smile 90.4)

„Man redet uns ein, dass es wir auf dem Laufenden bleiben müssen, dass Nachrichten wichtig und wertvoll sind, aber es gibt keinen Beweis dafür, dass sich die Welt in irgendeiner Weise verbessert, nur weil wir die schlimmsten menschlichen Tragödien prominent an erster Stelle in den Nachrichten melden. Die Darbietung von Informationen, die Angst und Schrecken verbreiten, ohne dem etwas entgegen zu setzen, ohne jegliche Ansätze zu einer Lösung, lässt sich moralisch nicht rechtfertigen“, meint Programmdirektor Clive Ridgway. Und er hat Recht.

Deshalb „verstärkt“ Smile das Positive in der Stadt. Sie blenden die schlechten Nachrichten nicht aus, aber setzen absichtlich den Schwerpunkt beim Positiven. Der britische Radioveteran John Myers hat den Sender besucht und was er dort hörte, hat ihn tief beeindruckt .

In Factfulness, einem Buch von Hans Rosling, das ich ebenfalls wärmstens empfehlen kann, findet man jede Menge Beweise dafür, dass wir uns die angebliche Schlechtigkeit der Welt nur einbilden. Nie waren wir sicherer, gesünder, reicher oder gebildeter. Aber die Hörer der Radionachrichten denken wohl eher das Gegenteil. Sie können ja auch nicht anders, denn Stunde um Stunde wird ihnen eingeflößt, wie schlimm alles doch ist.

Auf meiner kleinen Lokalnachrichten-Website habe ich seinerzeit bewusst entschieden, dass ich eher auf Themen wie „Neues türkisches Restaurant eröffnet“ eingehe und Artikel wie „120 Jahre alte Kneipe muss schließen“ in den Hintergrund stelle. Aber ich gehe jede Wette ein, dass die meisten wehleidigen Radioreporter sich eher auf die Kneipenschließung stürzen würden. Blut verkauft sich eben gut.

Ich frage mich, ob wir unserem Publikum nicht zumindest auch die positive Seite der Medaille schulden: ein wenig Kontext zum Ausgleich (Reisen per Flugzeug ist immer noch die sicherste Art zu reisen) oder den Schwerpunkt bei den Leuten ansetzen, die eine Lösung vorschlagen. Wäre das nicht der richtige Weg?

 


James Cridland
James Cridland

Der Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Er betreibt den Medieninformationsdienst media.info und hilft bei der Organisation der jährlichen Next Radio conference in Großbritannien. Er veröffentlicht auch podnews.net mit Kurznews aus der Podcast-Welt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.crid.land.