Musiknutzungsstudie: Musik wird überwiegend mobil genutzt

Smartphone Maedchen 123rf bowie15 59291116 bigRechtzeitig zum diesjährigen Reeperbahn Festival wurde Ende September die Premieren-Ausgabe einer umfassenden Studie zur Musiknutzung der Deutschen vorgestellt. Auftraggeber dieser Befragung sind wichtige Standesorganisationen beziehungsweise Verbände rund um die Musikbranche. Die wissenschaftliche Leitung der Studie obliegt Prof. Dr. Michel Clement, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing & Media am Institut für Marketing der Fakultät für Betriebswirtschaft an der Universität Hamburg. Kooperationspartner der Musiknutzungsstudie ist das Projektbüro angewandte Sozialforschung.

Musiknutzungsstudie: Prof. Dr. Michel Clement
Musiknutzungsstudie: Prof. Dr. Michel Clement

Mit dieser Langzeituntersuchung erhoffen sich Träger und Politik tiefere Einblicke in den Umgang der Bevölkerung mit dem Kulturgut Musik. Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher: „Der Musikdialog Hamburg ist ein Forum für die deutsche Musikwirtschaft, um sich über grundlegende Fragen und technische Innovationen auszutauschen. Mit der Studie der Universität Hamburg zur Zukunft der Musiknutzung entsteht eine verlässliche Grundlage zur Fortentwicklung bestehender Geschäftsmodelle und für neue Ideen. In Hamburg finden Unternehmen und Künstlerinnen und Künstler hierfür ein optimales Umfeld.“

Monika Gruetters (Bild: ©Christof Rieken)
Monika Gruetters (Bild: ©Christof Rieken)

Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters, MdB ergänzt: „Die wichtigste Erkenntnis: Musikhören, insbesondere Live-Musik, ist weiterhin ein großes Bedürfnis vieler Menschen. Auch das eigene Musizieren nimmt in der befragten Gruppe einen überraschend hohen Platz ein. Nicht unerwartet ist, dass die neuen technischen Möglichkeiten auch zu einem veränderten Nutzungsverhalten führen. Erfreulich ist dabei die zunehmende Akzeptanz von legalen Streaming-Diensten – auch von kostenpflichtigen – bei den Verbrauchern. Hier zeigt sich ein Erfolg der Investitionen der Branche in neue Geschäftsmodelle. Die Bundesregierung will die Musikszene und die Musikwirtschaft auch in den kommenden Jahren darin unterstützen, dass interessante neue Musik entstehen kann und ihr Publikum und ihre Hörerschaft findet.“


Im Interview mit RADIOSZENE stellt Prof. Dr. Michel Clement die wichtigsten Ergebnisse und Trends der Analyse vor.

RADIOSZENE: Dieser Tage wurde die Premierenausgabe der „Musiknutzungsstudie“ vorgestellt. Welche Ziele stehen hinter dieser Befragung, wer sind die Träger?

Prof. Dr. Michel Clement: Ziel der vorliegenden ersten Welle mit 5.140 Befragten einer dreijährigen Studie ist die Analyse, wie in Deutschland aktuell und zukünftig Musik entdeckt, gekauft und konsumiert wird.

Auftraggeber sind die bedeutendsten musikwirtschaftlichen Verbände und Institutionen Deutschlands: Bundesverband Musikindustrie e. V. (BVMI), Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft e.V. (bdv), Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), Live Musik Kommission – Verband der Musikspielstätten in Deutschland e.V. (LIVEKOMM), Verband der Deutschen Konzertdirektionen e.V. (VDKD) und der Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V. (VUT). Unterstützer und Förderer dieser Studie sind die Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg sowie die Initiative Musik gGmbH.

RADIOSZENE: Vergleichbare Ergebnisse gibt es sicher erst mit der zweiten Ausgabe, welches sind bereits jetzt die wichtigsten Kernaussagen?

Prof. Dr. Michel Clement: Hier die Kernergebnisse der vorliegenden Studie 

  • Musik-Streaming spielt eine erhebliche Rolle beim Musikkonsum. Jeder Zweite nutzt MusikStreaming-Angebote. Jeder Vierte nutzt sogar eine kostenpflichtige Premium-Version. Der am meisten genutzte Bezahl-Service ist mit 51 Prozent Spotify Premium. Die Analyse der Veränderung des Hörverhaltens weist sogar auf weiteres Wachstum bei den kostenpflichtigen Musik-Streaming-Diensten hin. Das Angebot von Musik bevorzugter Künstler ist ein wesentlicher Faktor für die Bindung des Konsumenten an den jeweiligen Streaming-Dienst. 22 Prozent könnten sich vorstellen, ihrem Streaming-Dienst zu kündigen, wenn ihr Lieblingskünstler dort nicht mehr verfügbar wäre.
  • Einen großen Vorsprung bei der Verweildauer des Hörens von Musik hat gegenüber allen anderen Angeboten der Rundfunk. Die Befragten hören pro Woche durchschnittlich 21 Stunden und 30 Minuten Musik, davon fast die Hälfte (9 Stunden und 42 Minuten) über Radiosender. Demgegenüber nimmt das Hören physischer Tonträger (1 Stunde 42 Minuten), digitaler (gespeicherter) Musik (3 Stunden 33 Minuten) und gestreamter Musik (2 Stunden 11 Minuten) zusammen im Mittel 8 Stunden und 19 Minuten pro Woche ein.
  • 10 Prozent der Befragten nutzen bereits Smartspeaker (beispielsweise Google Home, Amazon Echo etc.). 85 Prozent von diesen 10 Prozent nutzen ihre Smartspeaker auch zum Hören von Musik. Die Relevanz dieser Geräte wird mit der zunehmenden Verknüpfung der Sprachassistenten mit qualitativ hochwertigen Soundausgabegeräten zunehmen. Dieser Zuwachs wird zum einen die (sprachgesteuerte) Suche nach Musik verändern und stellt so Herausforderungen an die Vermarktung von Künstlern und Playlisten. 

 

„Durch seine Präsenz bei den Befragten gibt der Hörfunk sicherlich weiterhin entscheidende Impulse für die Etablierung neuer Künstler und Songs“

 

RADIOSZENE: Der Hörfunk liegt bei der Nutzungsdauer weit vor den weiteren Musikquellen, er müsste damit doch sicher auch weiter wichtiger Motor für die Etablierung neuer Künstler und Songs sein…

Prof. Dr. Michel Clement: Durch seine Präsenz bei den Befragten gibt der Hörfunk sicherlich weiterhin entscheidende Impulse für die Etablierung neuer Künstler und Songs. Allerdings wird neue Musik durch 68 Prozent der Befragten im Internet und nur durch 12 Prozent der Befragten im Radio entdeckt.

Musiknutzungsstudie: Ort der Musiksuche

RADIOSZENE: Der Trend weg vom physischen Besitz von Musik hin zu Streaming wurde ja bereits zuletzt beim Halbjahresreport des BVMI deutlich. Gibt es Anzeichen wie sehr sich diese Entwicklung noch beschleunigen wird?

Prof. Dr. Michel Clement: Die vorliegende Studie bestätigt den abnehmenden Trend in der Nutzung physischer Tonträger. Aussagen über die Geschwindigkeit der Entwicklung lassen sich im Laufe der nächsten Wellen der Studie ableiten.

RADIOSZENE: Welche Rollen beim Musikkonsum spielen die mobile Nutzung und Smartspeaker?

Prof. Dr. Michel Clement: Musik wird überwiegend mobil genutzt, nur noch 18 Prozent der Befragten hören Musik noch über Stereoanlagen. 8 Prozent der Befragten nutzen bereits Smartspeaker, um Musik zu hören.

 

„Texte von Musikstücken werden wahrgenommen, haben jedoch kaum Einfluss auf das Hörverhalten“

 

RADIOSZENE: Welches Genres werden von den Deutschen bevorzugt genutzt und welche Bedeutung hat der Text von Musikstücken?  

Prof. Dr. Michel Clement: Die Genre-Präferenzen der Konsumenten werden dominiert durch internationale Pop- und Rock-Musik (62% und 53%), deutschsprachigen Pop mit 44 Prozent und deutschsprachige Rockmusik mit 37 Prozent. Jeder Vierte der Befragten ordnet seinen Musikgeschmack dem Mainstream oder eher dem Mainstream zu. Aussagen über die Entwicklung der Genrepräferenzen lassen sich im Laufe der nächsten Wellen der Studie ableiten. Texte von Musikstücken werden wahrgenommen, haben jedoch kaum Einfluss auf das Hörverhalten.

Musiknutzungsstudie: Musik-Genres

RADIOSZENE: Über welche technische Quellen wird am häufigsten Musik genutzt?

Prof. Dr. Michel Clement: 61 Prozent der Befragten nutzen das Smartphone zum Musik hören, 53 Prozent der Befragten den Laptop/PC. Nur noch 16 Prozent der Befragten nutzen einen mp3-Player. 

RADIOSZENE: Wo suchen die Menschen bevorzugt nach neuer Musik? Welche Rollen spielen dabei Radio und Webradio?

Prof. Dr. Michel Clement: Der Großteil der Befragten (68%) sucht Musik im Internet, gefolgt vom herkömmlichen Radio (12%). 62 Prozent der Befragten, die Musik im Internet suchen, tun dies über YouTube, 16 Prozent über Online-Radios.

RADIOSZENE: Gibt es bei der Musiknutzung heute noch eine fixierte Bindung an bestimmte Musiker, Band oder Idole?

Prof. Dr. Michel Clement: Die Befragten fokussieren sich im Allgemeinen nicht auf bestimmte Künstler. 22 Prozent der Befragten könnten sich jedoch vorstellen, ihrem Streaming-Dienst zu kündigen, wenn ihr Lieblingskünstler dort nicht mehr verfügbar wäre.

RADIOSZENE: Wie wichtig ist für die Nutzer die Tonqualität der Musikquellen?

Prof. Dr. Michel Clement: Tonqualität ist wichtig – jeder Vierte der Befragten wäre bereit, mehr für eine bessere Tonqualität im digitalen Bereich zu bezahlen.

Musiknutzungsstudie: Qualität der Musik

RADIOSZENE: Wie hoch ist die Bereitschaft heute für kommerzielle Musikangebote wie Streaming, Downloads usw. zu bezahlen?

Prof. Dr. Michel Clement: Im Mittel über alle Befragten ist die Zahlungsbereitschaft für ein digitales Album (7,47 Euro) fast halb so groß wie für ein physisches Album (13,76 Euro). Die Befragten haben in den letzten 30 Tagen durchschnittlich 2,2 Euro für digitale Musik Abo-Services und 1,4 Euro für kostenpflichtige digitale Album-Downloads sowie 0,9 Euro für kostenpflichtige digitale Track-Downloads ausgegeben.

RADIOSZENE: Und wie ist es um das Ausgabeverhalten beim Live-Entertainment bestellt?

Prof. Dr. Michel Clement: Im Mittel über alle Befragten liegt die Zahlungsbereitschaft für Live-Events bei 45,69 Euro. In den letzten 30 Tagen haben die Befragten im Mittel 15,1 Euro für Live-Musik-Events ausgegeben.

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