MTM18-Audio-Gipfel: Disrupt or be disrupted – Wer gewinnt das Duell um die Audiohoheit?
Beim Audio-Gipfel der MEDIENTAGE MÜNCHEN zeigten sich sowohl Vertreter der traditionellen Radiowelt als auch Wettbewerber aus der Online-Audio-Welt optimistisch, dass sich weitere Kooperationen schnell auf dem Markt etablieren würden. Eine störende Wirkung auf diese Entwicklung könnten indes Gatekeeper wie Amazon oder Google haben.
In einem Impulsvortrag verdeutlichte Frank Bachér, Geschäftsleiter Digitale Medien des RMS Radio Marketing Service, welcher dynamische Wandel sich derzeit im Audio-Markt vollzieht: Bei den Smart Speakern dauerte die Zeitspanne zur Gewinnung von 50 Millionen Nutzern nur ein Jahr. Zum Vergleich: Beim Radio dauerte es einst 38 Jahre, beim Smartphone immerhin drei Jahre, um 50 Millionen Nutzer zu gewinnen. Ebenso sei ein rasantes Wachstum beim Rezipieren von Audio-on-Demand-Inhalten zu beobachten. Knapp die Hälfte der führenden deutschen Verlage biete bereits Audio-Inhalte an, zitierte Bachér aus einer RMS-Studie. Diese positive Entwicklung rufe auch „ganz viele neue Mitbewerber auf den Plan“, sagte Bachér. Entsprechend müssten On-Demand-Angebote, die Personalisierung von Inhalten und die Interaktionsmöglichkeiten über Sprachassistenten weiter ausgebaut werden. Auch die Vermarktung müsse sich mit einem programmatischen Werbemarkt, datengetriebener Zielgruppenansprache und interaktiven Audioformaten für Kunden auf diesen Trend einrichten.
Zwar habe das Radio in Sachen Audio-Content einen Wettbewerbsvorteil, aber man besetze das Thema „On Demand“ zu wenig, konstatierte das Moderatoren-Duo Daniel Fiene und Sebastian Pähler (Deutschlandfunk Nova). „Hat Audio den Hype nicht verpennt?“, fragte Pähler den NRJ-Germany- CEO Olaf Hopp. Der blieb gelassen: „Nein, wir haben den Trend nicht verpennt, wir haben unseren digitalen Fußabdruck im Markt schon hinterlassen“. Maria Lorenz, Geschäftsführerin des Podcast- Produzenten Pool Artists, war da schon skeptischer, was die Innovationsfähigkeit der Hörfunk-Programmmacher angeht: „Viele haben zwar tolle Ideen, wollen dies aber so machen, wie sie es ursprünglich beim Radio gelernt haben“. Podcast-Macher seien da freier; daher biete sich eine Zu- sammenarbeit etwa mit Radiosendern an. Valerie Weber, Hörfunkdirektorin des WDR, stimmte Lorenz zu: „Ja, wir müssen uns noch besser vernetzen.“ Zugleich betonte sie, dass herkömmliche Radiomacher ein exzellentes Wissen darüber hätten, was die Nutzer gerade hören wollten, sie seien geradezu „Gedankenleser“.
Weber gab damit ein starkes Plädoyer für lineare Rezeptionsgewohnheiten. Die Hörer wollten weiterhin auch das hören, was andere Menschen gerne hören. Dieser soziale Aspekt bleibe bei allen Vorteilen von On-Demand-Angeboten auf der Strecke. Beim ORF sei die Hörfunk-Entwicklung auf den neuen Plattformen durch gesetzliche Reglementierungen eingeschränkt, beklagte dessen Radiodirektorin Monika Eigensperger. Michael Krause, Director für den Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika bei Spotify betonte, dass seine Plattform, die derzeit 180 Millionen aktive Nutzer weltweit habe, durchaus „soziale Momente und ein Gemeinschaftsgefühl“ vermittle.
Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer des Audio-Gipfels darin, dass zukünftige Lösungen in einem intelligenten Mix von linearen und abrufbaren Inhalten liegen müssten. Allerdings sei die Entwicklung auch vom Verhalten der „GAFA-Unternehmen“ (Google, Apple, Facebook und Amazon) abhängig. Noch agierten diese Akteure im Audio-Markt zurückhaltend, doch sie könnten ihre Gatekeeper-Position jederzeit auch restriktiver nutzen, warnte Bachér. „Wir sprechen auf dem hiesigen Markt von einem Werbevolumen von 800 Millionen Euro im Radio, während die Unternehmen aus dem Silicon Valley bereits fünf Milliarden Euro an Werbeumsätzen hier haben“, rechnete NRJ-Geschäftsführer Hopp vor. Deshalb sei auch die Politik gefragt. ORF-Hörfunkdirektorin Eigensperger äußerte die Sorge, zu stark von US-Plattformanbietern abhängig zu werden: „Das könnte zu einem Wettlauf führen, bei dem wir kaum mithalten können.“
Daniel Fiene und Sebastian Pähler richteten sich schließlich mit einer provokativen These an die Experten: „Ohne Schlachtplan sterben die Dinos aus.“
So bange zeigte sich der Hörfunk-Manager Hopp nicht: „Radio ist ein Chamäleon, welches es immer geschafft hat, sich mit den neuen Technologien auseinanderzusetzen.“
Krause hob die Kooperationsbereitschaft seines Unternehmens Spotify hervor: „Wir stellen alle Daten zur Verfügung, wir bieten den ‚Dinos‘ die Chance, jüngere Zielgruppen zu erreichen.“ Für den WDR wandte dessen Hörfunkdirektorin Weber ein, dass solche Kooperationen „keine Einbahnstraßen sein dürfen und dass eine Win-Win-Situation für beide Seiten entstehen muss“. Podcast-Produzentin Lorenz stellte fest, dass die „Dinos“ zunehmend für Beratung und „die Perspektive von draußen“ offen seien. Schließlich könne man mitunter siebenstellige Nutzerzahlen mit Podcasts erreichen. Positiv gestimmt, was diesen Ausspielweg angeht, äußerte sich auch RMS-Geschäftsleiter Bachér: „Wir haben gerade mal hundert Angebote hier in der Vermarktung, wir brauchen mehr Inhalte, die Kunden stehen vor der Tür.“
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