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„Leikermoser gehört gehört“ – oder der Unsinn der heutigen Radio-Marktanalysen

Was Zeitungen und Zeitschriften die Auflage, Online-Magazinen die Klicks und Fernsehleuten die Quoten sind, ist dem Radiomacher das aktuelle MA-Ergebnis. Doch dass dabei immer nur die ohnehin schon großen Platzhirsche gut wegkommen, hat Methode: Die Kleinen, gar noch über neue Verbreitungswege, haben keine Chance.

Call Center (Bild: ©Wavebreak Media Ltd. / 123rf)
Call Center (Bild: ©Wavebreak Media Ltd. / 123rf)

5711de300b464e75b469aa9aa8695943Auch wenn kaum jemand Radio der reinen Hörerzahlen wegen macht, Qualität vor Quantität geht, der Spaß an der Arbeit – hoffentlich – im Vordergrund steht: Ohne Moos ist nichts los (zu machen).

Für Nichtfachleute verblüffend nur, dass dann ausgerechnet die beliebtesten Programme regelmäßig scheitern! Und die Beileidsbekundigungen der Hörer nach Bekanntwerden schon nach einer Stunde weit über den angeblichen Hörerzahlen pro Stunde liegen. Ja, wo kommen denn die plötzlich alle her?

Die Erklärung liegt in der völlig verkrusteten Art der Hörerbefragung. Nicht jeder hat diese schon einmal erlebt und gerade Radiomenschen hatten oft noch nicht die Ehre.

Die klassische Marktanalyse, die zu festen Zeitpunkten zweimal im Jahr mit Anrufen bei per Zufallsgenerator ausgewählten Festnetz-Telefonnummern stattfindet, sortiert viele Hörer automatisch aus: zu jung, zu alt. Mit 50 geht gar nichts mehr, so alte Hörer will ja angeblich kein Sender bzw. Werbetreibender. Und der Hörer, der dann noch übrigbleibt, hat keinen Bock, kein Radio oder sitzt tagsüber im Büro und kann dort keine solche Umfrage mitmachen.

Weniger arrogant ist die Befragung der GfK. Da kam auch ich schließlich in den „Genuss“, nach meinen Hörgewohnheiten befragt zu werden. Das allerdings ist dennoch ein zweifelhaftes Vergnügen: Die Abfragen sind nämlich so langatmig und schematisch, dass es selbst bei größtem Engagement beider Beteiligten – Befrager und Befragtem – über eine Stunde dauert, alles durchzukauen und nicht nur die 20 Minuten, die angekündigt werden, weil sonst sowieso niemand mitmachen würde. Dabei legen die meisten Befragten vermutlich irgendwann entnervt auf, weil die Familie mault, das Essen anbrennt oder das Bett ruft. Wenn nicht, wie bei mir, gar die Verbindung zusammenbricht und ein anderer Interviewer ein paar Tage später weitermachen muss.

Es handelt sich um „gestützte“ Befragungen. Man muss der GfK zugute halten, dass sie dabei nicht nur den lokalen öffentlich-rechtlichen und privaten Platzhirsch abfragt. Es wurden auch Sender abgefragt, die nur über DAB empfangbar sind, mitunter allerdings auch welche, die vor Ort gar nicht zu empfangen sind, wie „Radio Oberland“ im Allgäu.

Allerdings wird jeder Sender, der so „gestützt“ abgefragt wird, so penetrant durchgekaut, dass dies pro Sender leicht etliche Minuten dauert. Ob man ihn von 5 bis 6, von 10 bis 12, von 20 bis 22 Uhr hört (und natürlich zu allen Zeiten zwischendrin), am Samstag, am Sonntag, unterwegs, zuhause, etc. etc. Und wie oft. Ist einem das Programm oder ein Moderator auch nur vom Namen her bekannt, werden all diese Varianten durchdekliniert. Auch wenn man auf Bayern 1 wirklich nur einmal im Monat den Gottschalk hört und sonst nichts und schon gar nicht den Leikermoser, weil man Antenne Bayern zwar kennt, aber nur gezwungenermaßen mal beim Arzt hört, und auch da nur solange, bis man unauffällig den Stecker des hinter der Gardine versteckten Radios gezogen hat. Doch damit hat man den Sender einmal in den letzten vier Wochen gehört und kommt in die Detailbefragung.

Bei der GfK kann man durchaus eigene Sender angeben, die man gerne hört. So fand auch Radio Caroline den Weg in die Befragung. Doch von sich aus wird nicht nach allen empfangbaren Sendern gefragt – so wurde nach Radio BOB gefragt, nach Schwarzwaldradio dagegen nicht, was angesichts des ohnehin schon uferlos langen Frage-Marathons auch kaum anders möglich ist und auch dazu führen dürfte, dass kaum ein Hörer freiwillig noch eigene Lieblingssender nennt, wenn er merkt, dass sein Feierabendbier langsam wieder an die Luft will und er immer noch nicht erfolgreich an Bayern 5 vorbei ist…

Zudem werden einige Dinge stur abgefragt, bei denen man gar nicht die Möglichkeit hat, zu sagen „nein“. „Welcher Sender hat die beste Morningshow?“ und „Welcher Sender hat die besten Gewinnspiele?“ sind solche Fragen. Klar, dass als Ergebnis so herauskommt, dass Morningshow und Gewinnspiele gaaanz wichtig sind – auch wenn sie in Wirklichkeit so manche Hörer vergraulen.

Auch andere Institute machen Rundfunkbefragungen. So wurde ich von einem bekannten Meinungsforschungsinstitut angeschrieben, bei dem ich mich einst für „Mystery-Shopping“ registriert hatte – das wird nämlich immerhin bezahlt. Nur waren die zu besuchenden Geschäfte dann fast immer etwa 2 Stunden Fahrzeit von meinem Wohnort entfernt, was die Sache witzlos machte. Doch da wurde ich gefragt, ob ich denn Radiohörer zwischen 21 und 30 Jahren kennen würde, die sich befragen lassen wollen – in diesem Fall ginge das sogar per Handy, was in dieser Altersgruppe auch wesentlich sinnvoller sein dürfte.

Nun, in der eigenen Familie war keiner in der passenden Altersgruppe – aber man kann ja mal bei Facebook in einer Radiohörer-Gruppe fragen…?

Am Schluss kam so eine Excel-Tabelle mit knapp 50 Interessenten zustande, die freiwillig Name, Adresse, Alter und Telefonnummer herausgaben. Das kann nur bei echten Radiofans passieren. Das Institut war begeistert, sowas war ihnen noch nie passiert!

Befragt wurde dann aber doch niemand. Und warum? Irgendein höheres Radiotier hatte Wind von dem Facebook-Post bekommen und sich in ebenso höchster Etage bei dem Institut beschwert, dass so ein Vorgehen ja die Umfragen total verfälsche. Denn es seien dann ja Radiofans, Insider, die befragt würden, am Ende noch Geschäftsführer! Die sich ausgerechnet in der Gruppe der 21- bis 30-Jährigen sicher ganz massenhaft befänden. Und überhaupt, wie kann man denn nur auf die verrückte Idee kommen, Radiofreaks zu befragen? Da kommt dann doch weder Antenne Bayern noch Bayern 1 heraus, na das geht doch nicht. Obwohl es ja keine Fangruppe eines einzelnen Senders war, was natürlich die Umfrage tatsächlich verfälschen würde, sondern eben eine allgemeine Radiogruppe. Nein, dann will man doch lieber weiter Leute befragen, die kein Radio hören!

(Teaserbild: ©Wavebreak Media Ltd / 123RF Stock Photo)


Wolf-Dieter RothÜber den Autor:
Wolf-Dieter Roth, Dipl.Ing. Nachrichtentechnik, ist Radiofan seit der Kindheit und war in den Datennetzen über Festnetz und (Amateur-) sowie Mobilfunk schon aktiv, als 1200 und 9600 Bit/s als „schnell“ galten und man gewohnt war, die eingehenden Daten live mitlesen zu können. Beruflich ist er in Elektronik, Internet- und Funktechnik, Fachjournalismus, PR und Marketing zu Hause.

 

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