Hafenkonzert ist die älteste Radiosendung der Welt

Die Medienwelt dreht sich in immer größerer Geschwindigkeit. Neue Formate und Angebote werden heute eingeführt, morgen wegen vermeintlicher Erfolgslosigkeit gekippt – namentlich beim Fernsehen. Hire And Fire. Zugegeben, die Shows im Radio verzeichnen da (noch) eine deutlich längere Haltbarkeitsdauer, allerdings erscheint mit der ma das Erfolgsbarometer für die Hörerzahlen jährlich ja weiter nur im zweimaligen Turnus. Wie wohltuend von einer Hörfunksendung zu berichten, die 2019 seit nahezu 90 Jahren ohne Unterbrechung ausgestrahlt wird – „Das Hamburger Hafenkonzert“. Vermutlich ein Weltrekord für die Ewigkeit.  

Hamburger Hafenkonzert (Bild: ©NDR-Homepage)
Hamburger Hafenkonzert (Bild: ©NDR-Homepage)

1929 ging die inzwischen älteste noch regelmäßig verbreitete Sendung der Welt zum ersten Mal über den Äther, seitdem ist sie – fast ohne Unterbrechung – jeden Sonntag um 6.00 Uhr  auf NDR 90,3  zu hören. 

„Schaffen Sie etwas ganz Neues, eine Sendung, die nach Tang und Teer riecht. Eine Sendung, in der die See zu den Hörern spricht, die See und die Männer, die sich ihr verschrieben haben. Nutzen Sie alle Möglichkeiten, die Ihnen die Technik bietet. Stellen Sie die Technik vor neue Probleme. Kurz und gut: Schaffen Sie eine einmalige Sendung für den frühen Sonntagmorgen.“ So lautete der Auftrag, den der erste Intendant der Nordischen Rundfunk AG, Hans Bodenstedt, im Frühjahr 1929 seinem Mann für das Maritime, Kurt Esmarch, erteilte. Schon einen Tag später legte der seinem Chef ein Konzept vor, das bis heute Grundlage des „Hamburger Hafenkonzertes“ geblieben ist. Esmarch leitete die Sendung schließlich bis 1964. Danach übernahm Hermann Rockmann von 1964 bis zu seiner Pensionierung 1982 das „Hafenkonzert“. 

Hamburger Hafenkonzert (Bild: ©NDR-Homepage)
Hamburger Hafenkonzert (Bild: ©NDR-Homepage)

Ursprünglich handelte es sich um eine reine Musiksendung, die am frühen Sonntagmorgen live von Orten gesendet wurde, die eng mit der Seefahrt verbunden sind, so zum Beispiel von im Hamburger Hafen vor Anker liegenden Schiffen. Das Konzept wurde jedoch schon bald durch zusätzliche Elemente wie Interviews, Reportagen und Erzählungen von Seemannsgarn erweitert. Die Popularität des „Hafenkonzerts“ veranlasste in den folgenden Jahren Sender im übrigen Gebiet des Deutschen Reiches, sich an die Ausstrahlung anzuschließen. Nach der Gleichschaltung des deutschen Rundfunks und der Auflösung der NORAG wurde die Sendung vom Reichssender Hamburg übernommen und weitergeführt. 

Hamburger Hafenkonzert (Bild: ©NDR-Homepage)
Hamburger Hafenkonzert (Bild: ©NDR-Homepage)

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde bis 1947 kein „Hafenkonzert“ ausgestrahlt. Dann nahm der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) die Sendung wieder auf; 1956 ging sie an den neu entstandenen Norddeutschen Rundfunks über. Unverändert blieb die Ausrichtung des Programms auf die Seefahrt mit abwechselnden maritimen Themen bestehen. Bevorzugter Sendeort ist nach wie vor der Hamburger Hafen. 

Anna Depenbusch am Hamburger Hafenkonzert (Bild: ©NDR-Homepage)
Anna Depenbusch im Hamburger Hafenkonzert (Bild: ©NDR-Homepage)

Eine alte Sendung, mag man denken. Doch natürlich ist das „Hafenkonzert“ stets mit der Zeit gegangen. Das Redaktionsteam ist ganz nah und aktuell an den Themen, die zu Hamburgs wichtigstem Wirtschaftsfaktor, dem Hafen, gehören. Die Themen haben sich kontinuierlich entwickelt – und natürlich hat sich auch musikalisch viel getan. Für die erste Sendung am 9. Juni 1929 von Bord des Dampfers „Antonio Delfino“ der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft wurde das Altonaer Symphonieorchester engagiert, das Melodien aus dem „Freischütz“ spielte. Wahrlich kein Ohrenschmaus unter den Kopfhörern eines Detektorradios. Die Verantwortlichen beschlossen deshalb, nur noch Bläser zu verpflichten.

Hamburger Hafenkonzert (Bild: ©NDR-Homepage)
Hamburger Hafenkonzert (Bild: ©NDR-Homepage)

Fast ein Vierteljahrhundert prägte Hans Freese mit seinem Hamburger Blasorchester die Sendung. Später folgten Musiker wie Alfred Hause, Günther Fuhlisch oder Karl-Heinz Loges, die  das traditionsbewusste Publikum mit Jazz und Swing konfrontierten. Doch damit nicht genug. Der damalige Musikredakteur  Horst Trinkwald engagierte neben den altbekannten und beliebten maritimen Künstlern wie Carl Bay, Hein Timm oder Richard Germer nun auch Schlagerstars wie Freddy Quinn, Fred Bertelmann oder Heino – ein Raunen ging durch die Hörergemeinde.

Heidi Kabel (Bild: ©NDR)
Heidi Kabel (Bild: ©NDR)

Mitte der 1950er-Jahre brach das „Hafenkonzert“ mit einem weiteren Tabu: die beliebte Hamburger Volksschauspielerin Heidi Kabel sang als erste Frau in der Traditionssendung. Ihr folgten bald Lale Andersen, Lieselotte Malkowsky und Nana Gualdi. Heute ist die „Hafenkonzert“-Geschichte ohne Stars wie Heidi Kabel und Freddy Quinn unvorstellbar.

Freddy Quinn (Bild: ©NDR)
Freddy Quinn (Bild: ©NDR)

Auch jetzt dreht sich im musikalischen Begleitprogramm immer noch alles um das Meer, die Seefahrt und um Hamburg. Nur die Interpreten sind heute andere: Ina Müller, Stefan Gwildis und Eddy Winkelmann, Santiano, Johnny Logan, Chris de Burgh und Nena. Das „Hamburger Hafenkonzert“ geht eben mit der Zeit. Und dies nach 3.329 Sendungen unter Regie des NDR.

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