Ich bin gerade in London, wo im Moment (während ich schreibe) die Eröffnung der Next Radio bevorsteht, jener Radiokonferenz, die ich gemeinsam mit meinem Freund Matt Deegan organisiere. Es ist eine positive Radiokonferenz mit einer ermutigenden Stimmung.
Wenn man Radiokonferenzen in den USA und Kanada besucht, wird man dort nicht auf viele freundliche Gesichter stoßen. Denn in den USA und Kanada besteht allgemein der Eindruck, als würde das Radio seinen eigenen Niedergang verwalten. In anderen Ländern verhält sich die Radiobranche jedoch anders.
Der Privatfunk in Großbritannien ist zum Beispiel gewachsen, im vergangenen Jahr um ganze 5,2%. Der Markt hat jetzt ein Volumen von 887 Mio. US$.
Auch in Australien haben kommerzielle Sender zugelegt. Ballungsraumsender erzielten 3,8% und kamen somit auf ein Marktvolumen von 573 Mio. US$. Und auch aus der Provinz kam einiges hinzu.
In Finnland ist der Privatfunk ebenfalls im Aufwind. Die Zahlen sind zwar schwerer zu interpretieren, aber der Juli war um 6,6% besser als der Juni, und der Juni lag 17% über dem Mai-Wert. Der Markt ist mit 93 Mio. US$ vergleichsweise klein, läuft aber besser als in Großbritannien, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass Finnland viel weniger Einwohner hat.
Aus den USA und Kanada hört man keine vergleichbaren Zahlen, und ich werde oft gefragt: Warum eigentlich?
Die Antwort darauf ist nicht gerade leicht.
In Großbritannien wurden einige Regulierungen gelockert und wir haben es hier in starkem Maße mit einem Multiplattform-Markt zu tun (wobei der klassische Radiokonsum über UKW und Mittelwelle bei unter 50% liegt). Markenkonsolidierung ist eine wichtige Größe in der Branche, landesweite Rundfunkangebote ebenso.
In Australien war der Markt immer schon weitgehend lasch reguliert, kann aber nicht unbedingt als Multiplattform-Markt bezeichnet werden. Markenkonsolidierung gab es auch hier: Gleich reihenweise gaben hier viele Sender ihre althergebrachten Rufzeichen auf, um sich künftig unter einer eher landesweit orientierten Marke zu vermarkten.
In Finnland hat man dem Digitalradio eine Absage erteilt, insofern ist Multiplattform hier überhaupt kein Thema. Ein Großteil des Radios ist hier landesweit, obwohl es durchaus auch eine beträchtliche Anzahl von Lokalsendern gibt. Markenkonsolidierung ist hier auch nicht gerade in nennenswertem Maße aufgetreten.
Auf den ersten Blick betrachtet, haben diese Märkte also eigentlich nichts gemeinsam. Und dennoch, da gibt es etwas. Und die Antwort ist wahrscheinlich einfacher als man denken mag.
In Großbritannien hat der Privatfunk ein effektives Branchensprachrohr namens Radiocentre. Sie promoten das Medium bei Werbeagenturen, lobbyieren in Regierungskreisen und werden nicht müde, das Radio immer wieder in den höchsten Tönen zu loben. Und das können sie ziemlich gut.
Auch in Australien gibt es ein solches Sprachrohr. Hier nennt es sich Commercial Radio Australia, und auch hier wird bei Werbeagenturen Promotion gemacht, in Regierungskreisen Lobbyarbeit betrieben und auch hier macht man positive Stimmung für das Medium. Beharrlich und effizient.
In Finnland heißt der Branchenverband Radio Media. Auch hier wird Lobbyarbeit und Agentur-Promotion betrieben, und das Medium wird gezielt vermarktet. Mit Erfolg.
Im Gegensatz zu Nordamerika konzentrieren sich diese Branchenverbände ausschließlich auf das Radio. TV-Sender werden nicht repräsentiert. Insofern gibt es hier keinen Interessenkonflikt. Die einzige Sorge dieser Verbände ist eine gesunde Radiobranche. Und diesen einen Job erledigen sie ziemlich erfolgreich.
Und im Gegensatz zu Nordamerika kümmert sich hier eine Organisation um alles. Von der Promotion über die Lobbyarbeit bis hin zur Forschung. Eine einzelne, gut strukturierte Organisation, in der nur kommerzielle Sender Mitglied werden können.
Vielleicht lässt sich eine erfolgreiche und wachsende Radiobranche durchaus erzielen, indem man das Erfolgsmodell dieser Länder einfach kopiert und einen Branchenverband gründet, der nur einen Schwerpunkt hat: Radio.
Der Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Er betreibt den Medieninformationsdienst media.info und hilft bei der Organisation der jährlichen Next Radio conference in Großbritannien. Er veröffentlicht auch podnews.net mit Kurznews aus der Podcast-Welt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.crid.land.