Der Slogan „Wir Baden-Württemberger können alles. Außer Hochdeutsch“, mit dem das „Ländle“ für ein besseres Image wirbt, hat dem Bundesland laut einer Umfrage in der Tat reichlich Bonuspunkte beschert. Wenn auch Spötter gelegentlich einwerfen, dass die englischen Sprachkenntnisse der dortigen Ministerpräsidenten ebenfalls noch ausbaufähig seien, der Südweststaat mit seinen Denkern und Tüftlern steht bei den Sympathiewerten stets weit vorne.Seit 2003 können die Baden-Württemberger auch „Pop“. In diesem Jahr kam es auf Initiative des damaligen Staatsministers Christoph Palmer zur Gründung der Popakademie durch das Land Baden-Württemberg. Die im Bundesgebiet einmalige Einrichtung bündelt die „relevanten Aspekte des Themas Popmusikkultur und schafft Synergien, um den kreativen und wirtschaftlichen Output für die Musikbranche zu optimieren.“ Nach über 50 Jahren Popkultur wurde hier erstmals in Deutschland die Möglichkeit geschaffen, mit akademischem Anspruch fokussiert auf die Bereiche Popularmusik und Musikwirtschaft auszubilden. Der Standort Mannheim als „heimliche Musikhauptstadt“ bietet mit seiner lebendigen Kultur- und Medienszene (unter anderem Radio Regenbogen und sunshine live), seiner aktiven Popförderung und Institutionen wie dem Musikpark Mannheim das ideale Umfeld.
Die Popakademie Baden-Württemberg versteht sich nicht nur als Hochschuleinrichtung, sondern als Kompetenzzentrum für sämtliche Aspekte der Musikbranche und gewährleistet ihren Anspruch durch zahlreiche Projekte in den Bereichen europäische Zusammenarbeit, Regionalentwicklung und Wirtschaftsförderung am Medienstandort Baden-Württemberg.
Die Popakademie ging aus der Rockstiftung Baden-Württemberg hervor, die 1996 vom SWR (vormals SWF) und vom Land als Piloteinrichtung zum Zwecke der Förderung der regionalen Musikszene Baden-Württembergs in Baden-Baden gegründet wurde. Diese hatte sich vorwiegend mit Projekten wie dem Bandpool, Weiterbildungsseminaren und dem pop.forum-Branchenmeeting einen Namen gemacht.
Die Einrichtung wird geleitet von den Prof. Udo Dahmen (Fachbereich Populäre Musik) und Prof. Hubert Wandjo (Fachbereich Musik- und Kreativwirtschaft). Wandjo war lange Jahre im Top-Management der Musikfirmen Columbia Records (Sony) und EastWest Records tätig.
Im Gespräch mit RADIOSZENE erläutert Hubert Wandjo das Konzept und die Lehrinhalte der Mannheimer Popakademie.
RADIOSZENE: Herr Wandjo, was steckt hinter der Popakademie Baden-Württemberg? Wer sind die Träger der Einrichtung, wer finanziert sie?
Professor Hubert Wandjo: Popakademie Baden-Württemberg – dieser Name steht seit 15 Jahren für Qualität und Kompetenz in der akademischen Ausbildung junger Musiker und ambitionierter Manager. Sie ist die einzige staatliche Hochschuleinrichtung in Deutschland, die mit insgesamt fünf Studiengängen fokussiert für Pop- und Weltmusik ausbildet.
Als Kompetenzzentrum für sämtliche Aspekte der Musikbranche realisiert die Popakademie Projekte im regionalen, nationalen und internationalen Zusammenhang. Regelmäßig werden an der Popakademie in Mannheim Konzerte, Business-Projekte und Veranstaltungen unterschiedlicher Couleur durchgeführt. Die Popakademie wird von ihren vier Gesellschaftern, dem Land Baden-Württemberg, der Stadt Mannheim, dem Südwestrundfunk und der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LfK), finanziert.
RADIOSZENE: Welche Fachrichtungen werden gelehrt?
Professor Hubert Wandjo: Die Popakademie Baden-Württemberg ist in einen künstlerischen und einen wirtschaftlichen Fachbereich unterteilt. Im künstlerischen Bereich gibt es die zwei Bachelorstudiengänge Popmusikdesign und Weltmusik sowie den Masterstudiengang Popular Music.
Im Bereich Musik- und Kreativwirtschaft gibt es den Bachelorstudiengang Musikbusiness und den Masterstudiengang Music and Creative Industries.
RADIOSZENE: Welche Voraussetzungen müssen Studierende für eine Aufnahme erfüllen?
Professor Hubert Wandjo: Voraussetzungen für die Aufnahme in den Bachelorstudiengang Popmusikdesign sind mehrjährige künstlerische Erfahrung im Popmusikzusammenhang. Neben der allgemeinen Hochschulreife kann man sich auch mit einem mittleren Bildungsabschluss bewerben, wenn man sich einer Zusatzprüfung für Studienbewerber ohne Hochschulreife unterzieht. Voraussetzungen für die Aufnahme in den Bachelorstudiengang Musikbusiness sind neben der allgemeinen Hochschulreife erste Erfahrungen innerhalb der Musik- oder Kreativbranche. Für die Masterstudiengänge wird ein Bachelorabschluss benötigt. Vor der Aufnahme finden Vorstellungsgespräche und gegebenenfalls praktische Prüfungen statt. Für das Studium an der Popakademie, das jedes Jahr zum Wintersemester startet, fallen keine Studiengebühren an.
RADIOSZENE: Wie viele Studienplätze zählt die Akademie derzeit und welche Abschlüsse können erworben werden?
Professor Hubert Wandjo: Zum Sommersemester 2018 waren 315 Studierendenwerks beitragspflichtige Studenten an der Popakademie immatrikuliert. Jährlich werden pro Bachelorstudiengang 30 und pro Masterstudiengang 20 Studienplätze vergeben. Die akkreditierten Abschlüsse Bachelor und Master of Arts entsprechen denen einer künstlerischen Hochschule des Landes Baden-Württemberg.
RADIOSZENE: Können Sie uns einige Namen der rund 150 Dozenten nennen?
Professor Hubert Wandjo: Zu den etwa 150 Dozenten der Popakademie zählen bedeutende Persönlichkeiten aus der künstlerischen und musikwirtschaftlichen Praxis, wie z.B. Tim Renner, Wolfgang Stach, Steve Blame, Michael Koschorreck oder Michelle Leonard. Unsere Studiengangsmanager sind Prof. Dr. Nina Schneider, Prof. Dr. Alexander Endreß, Prof. Dr. David-Emil Wickström und Prof. Dr. Heiko Wandler. Außerdem unterrichten Prof. Udo Dahmen und ich auch selbst.
„Digitales Musikbusiness ist ein Schwerpunkt in unserer Ausbildung“
RADIOSZENE: Muss man sich konkret die Lehrinhalte beispielsweise der Fächer Popular Music und Musikbusiness vorstellen?
Professor Hubert Wandjo: Die Fachbereiche Populäre Musik sowie Musik- und Kreativwirtschaft mit ihren jeweiligen Bachelor- und Masterstudiengängen bieten ein modernes Studium wie auch eine praxisorientierte Lehre, die durch zahlreiche Dozenten aus dem aktiven Berufsleben sowie durch die Arbeit in Business- oder Band-Projekten bereichert wird. Die Popakademie erhebt den Anspruch auf Aktualität der Studieninhalte, daher sind diese fortwährend von der Anpassung an gegenwärtige Themen in einer sich stets wandelnden Branche geprägt. Durch dieses Erfolgsrezept brachte die Popakademie bereits zahlreiche arrivierte Akteure der deutschen Musik- und Medienlandschaft hervor.
RADIOSZENE: Wo unterscheidet sich die Vermittlung der Lehrinhalte der doch sehr kreativen Fachrichtungen von anderen Studiengängen in der Berufswelt wie beispielsweise Betriebswirtschaft?
Professor Hubert Wandjo: Viele Studierende wollen zu den Entscheidern gehören, anstatt selbst auf der Bühne zu stehen. Dafür werden im Bachelorstudiengang Musikbusiness nicht nur Grundlagen der Betriebswirtschaft vermittelt, sondern auch spezifische Kenntnisse der Musikwirtschaft und die neuesten Entwicklungen der Digitalen Welt. Digitales Musikbusiness ist ein Schwerpunkt in unserer Ausbildung. Dazu haben wir mit dem digitalen Forschungslabor SMIX.LAB ein eigenes Institut ins Leben gerufen. Ziel der Ausbildung ist, eine neue Generation von kreativen und innovativen Musikmanagern anzuleiten, die die Musikindustrie in ein neues Zeitalter führen. Im Zuge des Transformationsprozesses der Kulturwirtschaft rücken die einzelnen Segmente der Kreativindustrie näher zusammen. Dieser Prozess wird im Rahmen des Masterstudiums Music and Creative Industries aufgegriffen. Neben einer allgemeinen betriebswirtschaftlichen Ausbildung steht daher die Kreativwirtschaft als Ganzes mit den Branchen Musikwirtschaft, Werbung, Design, Software/Games, Buch/Verlag, Film, Kunst im Fokus.
RADIOSZENE: Welche Arbeitsplätze stehen den Absolventen nach Abschluss später in der Berufswelt offen?
Professor Hubert Wandjo: Das spätere Berufsfeld unserer Alumni ist breit gefächert. Je nach Spezialisierung während des Studiums stehen viele Türen offen: ob als tourender Musiker, Songwriter, Producer oder aber auch als Künstlermanager, Tourneeveranstalter oder A&R im Marketingbereich bei Labels, Vertrieben und Verlagen.
Eine Vielzahl von Absolventen ist erfolgreich. Beispielhaft zu nennen sind hier: Alice Merton und ihr Manager Paul Grauwinkel, Markus Ganter (unter anderem Produzent für Casper), Joris und Band, Felix Jähns Manager Daniel Standke und viele mehr.
RADIOSZENE: Ist die Popakademie die einzige ihrer Art im Bundesgebiet?
Professor Hubert Wandjo: Die Popakademie ist bundesweit die einzige staatliche Hochschuleinrichtung für populäre Musik und Musikbusiness.
RADIOSZENE: Die Einrichtung ist in ein ganzes internationales Netzwerk eingebunden. Wie funktioniert dieser Austausch?
Professor Hubert Wandjo: Das Thema Internationalisierung hat für die Popakademie einen hohen Stellenwert und wird kontinuierlich ausgebaut. Dies bezieht sich auf Partner-Hochschulen, damit die Studierenden der Popakademie die Möglichkeit eines Auslandsstudiums erhalten, auf erfolgreiche Projekte wie Pop macht Schule, dessen Konzept ins europäische Ausland übertragen wird, als auch auf Beratungstätigkeiten für Einrichtungen in China oder Israel.
Die Popakademie Baden-Württemberg ist in ein weltweites Partnernetzwerk eingebunden und pflegt Kooperationen mit vielen internationalen Hochschulen und Institutionen. Als Mitglied in der Association Européenne des Conservatoires, Académies de Musique et Musikhochschulen (AEC), Music and Entertainment Industry Educators Association (MEIEA®) und im Netzwerk MU:ZONE fördert die Popakademie den interkulturellen Austausch von Studierenden und Dozenten.
Die Popakademie verfügt über eine Erasmus University Charta. Mehr als zehn Prozent der Studierenden stammen aus dem Ausland. Regelmäßig finden in der Popakademie Projekte wie das European Band- & Businesscamp, die International Songwriterweek und das International Summer Camp statt, die als Plattform für Musikschaffende aus aller Welt dienen.
„Wir arbeiten daher sehr eng mit dem SWR aber auch anderen Radiosendern zusammen“
RADIOSZENE: In welcher Form kooperieren Sie mit Radiosendern wie beispielsweise mit der Südwestrundfunk?
Professor Hubert Wandjo: Der SWR ist einer der vier Gesellschafter der Popakademie. Wir arbeiten daher sehr eng mit dem SWR aber auch anderen Radiosendern zusammen.
RADIOSZENE: Abschließend eine allgemeine Frage: in welche Richtung steuert das nationale und internationale Musikgeschäft?
Professor Hubert Wandjo: Streaming und Digitalisierung sind zurzeit die gesetzten Themen in der Musikwirtschaft. Das SMIX.LAB wurde schon 2009 an der Popakademie eigens gegründet, um die für das digitale Musikbusiness nötige technische Infrastruktur und moderne Möglichkeiten der Musikvermarktung vermitteln zu können. Mit dem öffentlichen Tagungsformat Future Music Camp setzten wir uns gemeinsam mit Akteuren und Experten jährlich mit spannende Zukunftsthemen der Musikwirtschaft auseinander und stellen innovative Ideen vor.
Die Popakademie wird wie in der Vergangenheit Impulse geben, die die Möglichkeiten für unsere Alumni und Studierenden national wie international erweitern und verbessern. Digitalisierung, Integration durch Musik und die fortlaufende Entwicklung kreativer Lernmethoden und -modelle sind hier die Stichworte.