ByteFM: „Die Streamingdienste spielen uns in die Hände“

ByteFM-Bunker (Bild: ©Marius Magaard)
ByteFM-Bunker (Bild: ©Marius Magaard)

Wo gibt es im deutschen Radio jenseits des Mainstream noch fachkundig moderierte Musiksendungen? Ambitioniertes Musik-Feuilleton? Nun, werden Sie sagen: „Dies ist Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen!“. Richtig, diese Pflicht erfüllen sie auch – zumindest punktuell in ihren Kulturformaten. Und sonst? Ein klein wenig im nicht-kommerziellen Hörfunk, bei kleinen Privatsendern wie FluxFM, egoFM oder 917xfm. Und natürlich im Internet – wie beispielsweise in kompakter Form beim Hamburger ByteFM. Der vor 10 Jahren vom Musikjournalisten Ruben Jonas Schnell gegründete Sender hat sich in der deutschen Radiolandschaft inzwischen zu einem einmaligen Programmangebot entwickelt.

Das ByteFM Team (Bild: ©Dirk Pudwell)
Das ByteFM Team (Bild: ©Dirk Pudwell)

Der Sender definiert sich als musikbezogenes „Autorenradio“ und präsentiert „alles, was in der modernen Popmusik wichtig ist“. Im Programmplan gibt es moderierte Sendungen, Mitschnitte von Livekonzerten und exklusive Mixe von lokalen und internationalen Discjockeys. Dabei wird eine barrierefreie und sehr große Breite an Musikstilen berücksichtigt, die in dieser umfangreichen Form weder bei der ARD, Deutschlandradio oder sonst wo stattfinden – wie beispielsweise alternative Rockformen, Jazz, Country, elektronischer Musik, Krautrock, französische Chansons, Footwork, Afrobeats bis zur Klassik. Gut, Deutscher Schlager findet sich bei Durchsicht der Programmfahnen eher selten, ist grundsätzlich aber auch möglich. Alle Sendungen sind mit Bedacht zusammengestellt und moderativ kompetent verpackt.

Blick ins ByteFM Studio (Bild: ©Marius Magaard)
Blick ins ByteFM Studio (Bild: ©Marius Magaard)

Gesendet wird täglich 24 Stunden via Internet-Verbreitung. Seit dem 26. September 2010 sendet ByteFM täglich in der Zeit von 19.00 bis 22.00 Uhr in Hamburg terrestrisch auf der UKW-Frequenz 91,7 MHz. Seit dem 1. Oktober 2016 wird das Programm ebenfalls täglich zwischen 10.00 und 12.00 Uhr sowie 21.00 und 22.00 Uhr in Berlin auf der UKW-Frequenz 91,0 MHz ausgestrahlt. Die Redaktion hat ihren Sitz im Medienbunker auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg-Sankt Pauli sowie in Berlin-Mitte.

Programmchef Schnell, der parallel auch als freier Mitarbeiter für die Musikredaktion „Nachtclub“ bei NDR Info arbeitet und Mitglied der Jury des „Preises der Deutschen Schallplattenkritik“ ist, hat seinem Programm einen übersichtlichen und klaren Kurs verordnet – weit weg von großflächigem Formatradio-Einerlei und nervtötender Eigenpromotion. Seine Klammern definiert er als „gute Musik und kritischen Musikjournalismus“. ByteFM setzt sich in vielfacher Form mit Musik auseinander: in Album-Rezensionen und Interviews, mit Konzert-Ankündigungen, Portraits von Labels, KünstlerInnen und Bands, Szenen und Zusammenhängen.

ByteFM Logo small2009 wurde ByteFM mit dem „Grimme Online Award SPEZIAL“ ausgezeichnet, am 24. September 2009 mit dem „Hamburger Musikpreis HANS“ als Musikmedium des Jahres und mit dem Medienpreis „LeadAward“. 2014 gewann der Sender den „Rocco Clein Preis“ für Musikjournalismus. 


Ruben Jonas Schnell und seine Mitstreiter haben in den vergangenen zehn Jahren mit Herzblut einiges für die Musik geleistet. Im Grunde ist ByteFM so etwas wie die 12. öffentlich-rechtliche Sendeanstalt in Deutschland – nur etwas kleiner und (leider) ohne Gebühreneinnahmen.

RADIOSZENE sprach mit dem Senderchef über Programmkonzept und Perspektiven.

ByteFM-Chef Ruben Jonas Schnell: Der Erfolg der Streamingdienste spielt uns in die Hände (Bild: ©DirkPudwell)
ByteFM-Chef Ruben Jonas Schnell (Bild: ©DirkPudwell)

RADIOSZENE: ByteFM ist seit 10 Jahren auf Sendung. Ziehen Sie doch gleich zu Beginn dieses Interviews eine Bilanz zum ersten runden Jubiläum…

Ruben Jonas Schnell: Wir freuen uns sehr, dass es ByteFM immer noch gibt und sich unser Sender so erfolgreich entwickelt hat. Als wir im Januar 2008 den Sendebetrieb aufnahmen, hofften wir zwar, mit unserem Programm eine Lücke im deutschsprachigen Radio schließen zu können, das Ausmaß des Zuspruchs haben wir damals aber nicht erwartet.

 

„Dass Musik vielfältig ist und durch ihre Unterschiedlichkeit begeistert, versuchen wir jeden Tag mit ByteFM zu zeigen“

 

RADIOSZENE: Das Programmkonzept eines Musik-Feuilletons mit so vielen Autorensendungen  ist einmalig im deutschen Radio. An welche Hörergruppen richtet sich Ihr Angebot?

Ruben Jonas Schnell: Wir machen Programm für Menschen im gesamten deutschen Sprachraum, die sich für Popmusik und Popkultur  interessieren. Der größte Teil unserer Hörerinnen und Hörer in Deutschland, Österreich  und der Schweiz ist älter als 20 und jünger als 55. Bald möchten wir unsere Hörerschaft aber mit speziellen Sendungen für ganz junge Erwachsene erweitern.

RADIOSZENE: Haben Sie Angaben über Hörerzahlen und Hörverhalten?

Ruben Jonas Schnell: Pro Tag hören rund 30.000 Menschen ByteFM  im Webstream und weitere ca. 40.000 in unserem UKW-Programm in Berlin und  Hamburg. ByteFM wird durchgehend gehört, aber natürlich  haben unsere HörerInnen auch Lieblings-Sendungen, die sie gezielt einschalten.

RADIOSZENE: Welche Sendungen und Genres werden besonders intensiv genutzt?

ByteFM-Studio 3 (Bild: ©Marius Magaard)
ByteFM-Studio 3 (Bild: ©Marius Magaard)

Ruben Jonas Schnell: Genres sind heute nicht mehr so wichtig. Unsere HörerInnen sind diesbezüglich offener geworden. Als ByteFM vor zehn Jahren den Sendebetrieb aufnahm, schalteten einige Leute aus, wenn nach einer Sendung mit eindeutigem Genre-Fokus eine andere Sendung startete, die ganz andere Schwerpunkte setzte. Das ist heute nicht mehr so. Wir glauben, unsere HörerInnen zu mehr Offenheit erzogen zu haben. Auch außerhalb von ByteFM sind „Genre-Grenzen“ inzwischen aber weniger wichtig. Wer HipHop hört, mag vielleicht auch Gitarren, Elektro-Hörerinnen interessieren sich auch für klassische Musik, etc. Dass Musik vielfältig ist und durch ihre Unterschiedlichkeit begeistert, versuchen wir jeden Tag mit ByteFM zu zeigen.

RADIOSZENE: Mit Ihrem journalistischen Konzept bedienen Sie  mehrheitlich Hörer, die im terrestrischen Radio so schon lange nicht mehr versorgt werden. Ist dieser Ansatz auch eine Antwort auf die immer erfolgreicher werdenden Streamingdienste?

Ruben Jonas Schnell: Musikjournalistisches Radio bleibt wichtig. Der Erfolg der Streamingdienste spielt uns in die Hände. Durch Spotify, Deezer und Co. haben die Menschen Zugriff auf endlos viel unterschiedliche Musik. Bei ByteFM erfahren sie auch jenseits von Algorithmen, die auf eigenem Hörverhalten basieren, was sie neues hören können. In unserem Programm werden Hörerinnen und Hörer überrascht und immer wieder an Neues herangeführt.

RADIOSZENE: Wie viele Sendungen und Moderatoren sind inzwischen bei ByteFM zu hören?

Ruben Jonas Schnell: Rund 100 Sendungen und ebenso viele Moderatorinnen und Moderatoren.

ByteFM-Team (Bild: ©Dirk Pudwell)
ByteFM-Team (Bild: ©Dirk Pudwell)

RADIOSZENE: Über welche technischen Wege werden die Sendungen der Autoren produziert?

Ruben Jonas Schnell: Etwa die Hälfte unserer AutorInnen produziert in unseren Studios in Hamburg und Berlin – live oder in Vorproduktion. Die anderen Sendungen werden von den ModeratorInnen in ganz Deutschland und der Schweiz in heimischen Studios produziert und von dort auf unsere Server gespielt. Anschließend speist unser Team in Hamburg die Sendungen in das Live-Programm ein.

ByteFM-Redaktion (Bild: ©Marius Magaard)
ByteFM-Redaktion (Bild: ©Marius Magaard)

RADIOSZENE: Gibt es bei dieser Produktionsform im heimischen Studio nicht große technische Qualitätsunterschiede?

Ruben Jonas Schnell: Kaum. Wenn die Produktion einzelner AutorInnen nicht unseren Standards entspricht, besprechen wir, wie sich nachbessern lässt. Sendungen, die nicht gut klingen, werden in das Programm von ByteFM nicht aufgenommen.

 

„Wir glauben, unsere Hörerinnen und Hörer zu mehr Offenheit erzogen zu haben“

 

RADIOSZENE: Gesendet wird eine schier unendliche Spanne an Musikstilen, die auch bei der ARD so kaum (mehr) stattfinden. Eigentlich ist ByteFM doch fast schon ein verlängertes öffentlich-rechtliches Projekt …

Ruben Jonas Schnell: Wenn Sie so wollen …  Leider bekommt ByteFM keine Gebührengelder. Auf der anderen Seite sind viele unserer ModeratorInnen – wie ich selbst ja auch – neben ByteFM bei öffentlich-rechtlichen Sendern tätig. Ein Programm-Austausch mit öffentlich-rechtlichen Sendern besteht allerdings nicht. Aber vielleicht ergibt sich das eines Tages ja noch.

RADIOSZENE: Gibt es Grenzen für die im Programmschema berücksichtigten Genres?

Ruben Jonas Schnell: Nein.

RADIOSZENE: Vermissen Sie eigentlich persönlich noch Musikstile innerhalb Ihres Angebots?

Ruben Jonas Schnell: Eine gut recherchierte und entsprechend präsentierte Deutsch-Rap Sendung wäre schön. Um zu demonstrieren, dass Rap aus Deutschland sehr viel mehr kann als durch Provokation aus- und abzugrenzen.

RADIOSZENE: Beim Sender moderieren ein gute Zahl ausgewiesener Musikspezialisten und  bekannter Namen,  die zuvor erfolgreich bei der ARD tätig waren – wie etwa Klaus Walter, Volker Rebell,  Burghard Rausch oder Klaus Fiehe. War es schwer diese Namen für Ihren Sender zu gewinnen?

Ruben Jonas Schnell: Nein. Wir mussten niemanden überzeugen. Die genannten – und viele andere unserer Moderatoren, die sonst auch für  öffentlich-rechtliche Häuser arbeiten – waren schnell für die Idee zu gewinnen, gemeinsam ein Programm auf die Beine zu stellen, das sich rund um die Uhr mit den Themen beschäftigt, für die wir uns begeistern: gute Musik und Radio.

RADIOSZENE: Aus welchen Berufsgruppen kommen die weiteren Moderatoren?

Ruben Jonas Schnell: Studenten, Dozenten, Professoren,  Krankenpfleger, Webentwickler, Polizisten, Rechtsanwälte … querbeet.

RADIOSZENE: Welche Standards muss ein Moderator beziehungsweise ein Programmkonzept erfüllen, um bei ByteFM on air gehen zu dürfen?

Ruben Jonas Schnell: Sie oder er muss sich für Musik begeistern und in der Lage sein, diese Begeisterung zu teilen. Sich mit der Musik, um die es in einer Sendung gehen soll, auskennen und darüber so sprechen können, dass es Spaß macht, zuzuhören. Genauso wichtig wie die Liebe zu Musik ist also das Interesse am Radio und an den Hörern, die mit den Sendungen angesprochen werden sollen.

Tora bei ByteFM (Bild: ©Sebastian Lessel)
Tora bei ByteFM (Bild: ©Sebastian Lessel)

RADIOSZENE: Das Programm ist durchgängig werbefrei. Über welche Quellen finanzieren Sie den Programmbetrieb?

Ruben Jonas Schnell: ByteFM finanziert sich durch einen Förderverein. 5.500 Mitglieder im Verein „Freunde von ByteFM“ bezahlen jährlich 50 Euro. Damit ermöglichen sie unseren Sender und erhalten Zugriff auf sämtliche Sendungen im ByteFM Archiv.

 

„Wir halten das Internet ohnehin für den Radio-Verbreitungsweg der Zukunft“

 

RADIOSZENE: ByteFM ist im 24-Stundenbetrieb via Internet empfangbar, dazu stundenweise  über UKW in Hamburg und Berlin. Sind weitere Ausstrahlungsformen geplant? Eigentlich würde die Verbreitung über DAB+ nahe liegen…

Ruben Jonas Schnell: Die Ausstrahlung über DAB+ wäre zu teuer. Aber wir halten das Internet ohnehin für den Radio-Verbreitungsweg der Zukunft.

RADIOSZENE: Über welche Kanäle machen Sie auf Ihr Programm aufmerksam?

Ruben Jonas Schnell: Als Präsentator von Konzerten ist ByteFM in ganz Deutschland, in Österreich und der Schweiz präsent. Darüber hinaus ist wichtig, dass die vielen Inhalte unserer Sendungen im Internet gefunden werden.

ByteFM-Banner auf einem Konzert (Bild: ©ByteFM)
ByteFM-Banner auf einem Konzert (Bild: ©ByteFM)

RADIOSZENE: Welche weiteren Aufgaben haben Sie sich für nähere Zukunft und bis zum 20-Jährigen vorgenommen?

Ruben Jonas Schnell: Unser nächstes großes Ziel ist es, unsere Moderatorinnen und Moderatoren zu bezahlen. Dafür muss unser Förderverein noch ein bisschen wachsen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Ziel bald erreichen.

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