Wie in jedem Jahr findet in Nürnberg Anfang Juli mit den Lokalrundfunktagen 2018 der deutschlandweit größte Branchentreff für den lokalen und regionalen Rundfunk statt. In Workshops, Diskussionsrunden und Vorträgen informieren im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung rund 80 nationale und internationale Referenten die interessierten Teilnehmer aus der Rundfunk- und Medienwelt über Zukunftsvisionen und Lösungsansätze, stellen neue Trends des Rundfunkmarktes vor, ermöglichen Diskussionen um Programm- und Marketingentwicklungen und berichten über Neuigkeiten. Auf der begleitenden Fachmesse präsentieren verschiedene Aussteller der Branche neue Technologien und Produkte.
Auch bei der diesjährigen Ausgabe werden bei der Auftaktveranstaltung die „BLM Hörfunk- und Lokalfernsehpreise“ verliehen sowie die Ergebnisse der Funkanalyse Bayern 2018 vorgestellt.
RADIOSZENE sprach zur Veranstaltung mit Stefan Sutor, im Bereich der Geschäftsführung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) zuständig für Strategie und digitale Entwicklung.
RADIOSZENE: Herr Sutor, heute beginnt die 26. Auflage der Nürnberger Lokalrundfunktage. Die Veranstaltung ist unverzichtbarer Bestandteil im Kalender der bayerischen Radioverantwortlichen. Mit welchen Programmschwerpunkten dürfen die Besucher in diesem Jahr rechnen?
Stefan Sutor: „Lokaler Rundfunk im goldenen Audio-Zeitalter“ – so könnte man vielleicht das Motto der diesjährigen Lokalrundfunktage zusammenfassen. Es geht weiter um die digitale Transformation, darum wie lokaler Rundfunk sich mit den vielfältigsten neuen Möglichkeiten der Distribution verhält. Dabei steht immer im Mittelpunkt, wie sich das Programm weiter entwickeln und verändern muss, damit es den neuen Nutzungsszenarien und -gewohnheiten gerecht wird.
RADIOSZENE: Die bayerische Radiolandschaft behauptet sich trotz einer vergleichsweise hohen Angebotsdichte beim Publikumszuspruch und am Werbemarkt. Wo liegen die Gründe für diese hohe Akzeptanz?
Stefan Sutor: Akzeptanz und Angebotsdichte hängt meines Erachtens zusammen. Das lässt sich eindeutig belegen und rührt daher, dass der hohe Wettbewerbsdruck dazu zwingt, die Programme ständig zu optimieren und auszudifferenzieren. Das große Angebot führt dazu, dass auch Nischen bedient werden. Die Hörer haben die Wahl.
RADIOSZENE: Und wie haben sich aktuell die Reichweiten beim Radio in Bayern entwickelt? Welche Formate kamen zuletzt beim Publikum besonders gut, welche weniger gut an?
Stefan Sutor: Zunächst ist erfreulich, dass trotz des enorm stark wachsenden Wettbewerbs auf dem Audiomarkt das Radiohören insgesamt mit einer Tagesreichweite von 86,3 % stabil ist. Die Lokalradios konnten leicht zulegen ebenso die Programme des Bayerischen Rundfunks. Auffällig sind die sehr guten Reichweitenentwicklungen in den Ballungsräumen. In München, Nürnberg, Würzburg und Augsburg haben die Lokalradios viele treue Fans. Da machen die Programmmacher einen ganz hervorragenden Job. Interessant ist besonders, dass die Tagesreichweite der bayerischen Lokalradio-Programme in den Altersgruppen 20 bis 39 stabil ist bzw. sogar zunimmt. Entgegen aller düsteren Prognosen!
„Den Lokalradios ist es gelungen, sich auch auf dem Feld der Musik so sehr zu professionalisieren, dass die überregionalen Programme das Nachsehen haben“
RADIOSZENE: Die Faktoren „richtige Musik“, Service sowie die Berichterstattung aus der Region stehen weit vorne, wenn es um den Erfolg eines Senders geht. Wie konsequent setzen die überwiegend lokalen Angebote in Bayern diese Formel um?
Stefan Sutor: Durch die qualitativen Fragen der Funkanalyse wissen wir sehr genau, wie die Hörer ihre Programme bewerten und da gibt es bei der Funkanalyse 2018 eine Überraschung: Die Stammhörer der Lokalradio-Programme bewerten die Musik in den Lokalprogrammen erstmals besser als etwa die Stammhörer von Antenne Bayern, Bayern 1 oder Bayern 3. Den Lokalradios ist es gelungen, sich auch auf dem Feld der Musik so sehr zu professionalisieren, dass die überregionalen Programme das Nachsehen haben. Dazu kommt noch, dass die Lokalradios ohnehin mit lokalen Informationen punkten können.
RADIOSZENE: Wie wichtig ist für die Hörerschaft die Rolle des Moderators? Zuletzt wurde der Ruf nach mehr authentisch auftretenden Persönlichkeiten am Mikrophon lauter …
Stefan Sutor: Die Moderation ist natürlich ein enorm wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu vielen Konkurrenzangeboten, insbesondere natürlich zu den Streamingdiensten. Starke Moderationspersönlichkeiten sind nicht umsonst die Stars der Radio-Branche. Die Lokalradios haben vor allem in den Ballungsräumen längst zu den überregionalen Programmangeboten aufgeholt.
RADIOSZENE: Trotz des scheinbar immer größer werdenden Einflusses der digitalen Mediengebote und sozialen Netzwerke verteidigt Radio bislang zumindest seinen Stellenwert in den Alltagsabläufen der Menschen. Was sind die Gründe für die hartnäckige Akzeptanz?
Stefan Sutor: Audio ist einfach gut mit verschiedenen anderen Tätigkeiten im Tagesablauf kombinierbar, das ist in Bayern nicht anders als anderswo. Akzeptanz bedeutet ja, dass das Angebot auf ein Bedürfnis trifft und das scheint beim Radio ganz besonders gut über Musik, Service und regional ausdifferenzierte Informationen zu funktionieren.
RADIOSZENE: Wie muss sich das Radio aufstellen, um auch künftig seinen Stellenwert in der Lebenswelt der Bevölkerung – und langfristig besonders bei den jüngeren Generationen – zu behaupten?
Stefan Sutor: Im Fokus stehen zwei Punkte: Verbreitungswege und Inhalte. Für den Radiosektor gilt es, alle möglichen Verbreitungswege zu nutzen. UKW ist natürlich weiterhin der Hauptverbreitungsweg, DAB+ nimmt stark zu, aber die Entwicklung von IP wird sehr spannend. Bei der IP-Verbreitung wird sich in den nächsten zwei, drei Jahren zeigen, welche Auswirkungen die hohen Verkaufszahlen von Smartspeakern haben werden.
Fast noch wichtiger werden die produzierten Inhalte. Der Audiobereich erfährt eine Disruption. Es gibt neue Player, die mit Audioinhalten schnell und einfach auf den neuen Geräten präsent sein können und werden. Hier geht es für Radiostationen darum, mit neuen, kreativen und hochwertigen Inhalten dagegen zu halten.
RADIOSZENE: Wie hat sich der Stellenwert der Streamingdienste wie Spotify und Konsorten im Vergleich zu Radio entwickelt?
Stefan Sutor: Die bayerischen Radioprogramme verlieren bei den ganz jungen Hörern zwischen 14 bis 19 an Hördauer und Tagesreichweite. Gleichzeitig sehen wir, dass die Nutzung von anderen Audioprodukten (CD, MP3, PODCAST…) als auch Streaming-Angeboten in der Zielgruppe 14 bis 29 stark ist. Jeder Dritte dieser Zielgruppe nutzt täglich Streamingdienste. Da fehlt noch ein gutes Stück zur Reichweite (79,3 Prozent) von Radio, aber der Vergleich mit der Gruppe der über 30-jährigen zeigt, wie die jungen und ganz jungen Zielgruppen ticken. Dagegen nutzt nur jeder Zehnte zwischen 30 und 49 Streamingdienste. Hier ist ein Wandel erkennbar.
Die Radiobranche kann sich noch gut behaupten, auch weil man die älteren Zielgruppen verstärkt für sich gewinnen kann. Jetzt heißt es aber auch, sich an die jungen Zielgruppen wenden und auf deren Bedürfnisse einzugehen. Und natürlich spielen hier Smartspeaker eine wichtige Rolle. Wir wissen mittlerweile aus einigen Studien, dass Smartspeaker die größten Wachstumsraten im Kommunikationsbereich jeher haben. Sie verbreiten sich bislang deutlich schneller als Smartphones nach dem Start des iPhones. Wer das ignoriert und verpasst, wird in Zukunft sicherlich einen Verbreitungsweg weniger haben. Wir haben leider keine Zahlen dafür, wie stark Smartspeaker in Bayern schon verbreitet sind.
„Wir wissen mittlerweile, dass Smartspeaker die größten Wachstumsraten im Kommunikationsbereich jeher haben“
RADIOSZENE: Wie steht es in Bayern um die Nutzungsquellen von Radio? Welche Bedeutung haben hier beispielsweise DAB+, Internet und der mobile Empfang via Smartphone etc.?
Stefan Sutor: Wir sehen auf jeden Fall: Bei stabiler Radiogesamtreichweite nimmt die digitale Nutzung (Internet und DAB+) zu, während UKW nahezu gleichermaßen verliert. DAB+ nimmt deutlich an Fahrt auf. Allein die Gerätezahl in den Autos hat sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Wir wissen auch, welche Rolle die Kombination Radio und Auto in der Lebenswelt der Menschen spielt. DAB+ hat damit in der Tagesreichweite die Radionutzung via Internet überholt. Wir können momentan noch nicht sagen, wie sich künftig Smartspeaker auf die Radionutzung via IP auswirken.
RADIOSZENE: Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien fördert über das „Media Lab Bayern“ Talente und Innovationen aus dem Medienbereich. Wie stark wird dieses Projekt angenommen und welche Innovationen wurden zwischenzeitlich entwickelt?
Stefan Sutor: Mit dem Media Lab Bayern unterstützen wir digitaljournalistische Startups in einer frühen Phase. Dabei geht es darum, die Produkte zu optimieren, aber auch um neue Geschäftsmodelle für die digitale Medienwelt. Die Projekte sind sehr unterschiedlich und reichen von der Online-Audio-Community bis zur personalisierten Videoempfehlung. Wir freuen uns sehr, dass die Arbeit des Media Lab nun durch eine Initiative der Bayerischen Staatsregierung ausgeweitet werden soll; auch hat das bayerische Kabinett beschlossen, dass in Ansbach eine Media Lab Zweigstelle entstehen soll. Wir freuen uns sehr über diese Unterstützung.