Jamie Dupree ist Radioreporter bei WSB, einem Sender der Cox Media Group in den USA. Vor zwei Jahren verlor er seine Stimme.
Aber… wie die BBC berichtete: Er hat sie wieder. In gewissem Sinne. Eine Firma in Schottland hat seine Stimme anhand von Aufnahmen gesampelt. Und jetzt macht er seine Berichte wieder mit vollem Stimmvolumen – dank Stimmensynthese.
Nun gut, die Technologie ist noch nicht 100% perfekt, aber der Weg ist vorgezeichnet. Und das ist natürlich für Radiomacher nicht ganz uninteressant.
Über eines sind sich die meisten Radiomacher einig: Wenn im Radio irgendetwas funktioniert, dann ist es Konsistenz. Konsistente Musik haben wir schon. Was wäre also der nächste Schritt? Konsistente Radiomoderatoren? Ja vielleicht sogar: denselben Radiomoderator 24 Stunden pro Tag?
Solche Sender gibt es bereits. Vor einiger Zeit habe ich über das hervorragende, straff klingende Carolina Classic Hits geschrieben. Dort ist ein und derselbe Moderator 24 Stunden pro Tag auf Sendung. Der Sender klingt richtig gut, mit Crunch&Roll-Übergängen und einem nahezu unermüdlichen Uptempo-Sound. Und Rick Freeman ist seit 2012 zur Tages- und Nachtzeit auf Sendung, dank einer Datenbank mit über 5.000 Voicetracks.
Aber Voicetracking ist eben auch nur Voicetracking. Wie wäre es, wenn man das Ganze noch etwas weitertreiben könnte? Wenn man wochenlang im Voraus voicetrackt, dann kann der Lieblingsmoderator unmöglich über das WM-Spiel reden, das gerade im Fernsehen läuft. Kann er nicht? Mit dieser Technologie könnte er genau das sehr wohl.
Tatsächlich könnte man damit sogar verstorbene Radiopersönlichkeiten „wiederauferstehen“ lassen. (Was auch bereits gemacht wurde: Bob Monkhouse, ein britischer Comedian, brillierte in einem TV-Spot zum Thema Prostatakrebsvorsorge vier Jahre nachdem er an ebendieser Krankheit verstarb).
Vor einigen Jahren sah ich die Präsentation eines deutschen Radiounternehmens, die ihre Radio-App mit einer personalisierten Wecknachricht aufwertete. Der Morningshow-Moderator begrüßt den App-Nutzer beispielsweise mit „Guten Morgen, Thomas!“ – Clevere Sache, allerdings muss man erst einmal einige hundert Vornamen einsprechen, um den Großteil des Hörerpublikums zu erfassen.
Mit Stimmensynthese hätte personalisiertes Radio ganz andere Möglichkeiten.
„Hier ist ein neuer Song von Taylor Swift für dich, lieber Thomas. Übrigens, du hast noch ganze 10 Minuten, bevor du zur Arbeit musst, also dreh die Musik auf, während du dich fertig machst.“
„Es bleibt heute warm, aber vielleicht kommt am Nachmittag etwas Regen. Auf deiner To-do-Liste steht, dass du zur Reinigung musst. Vielleicht solltest du das am besten am Vormittag erledigen?“
Die Möglichkeiten sind schier endlos.
Und im Fernsehen? Nun, die Möglichkeiten zur Produktion von Fake-Videos (um z. B. Obama etwas sagen zu lassen, was er nie gesagt hat) gibt es ja schon. Und sie werden immer realistischer.
Diese Kolumne wird übrigens von einem Menschen aus Fleisch und Blut geschrieben. Noch…
Der Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Er betreibt den Medieninformationsdienst media.info und hilft bei der Organisation der jährlichen Next Radio conference in Großbritannien. Er veröffentlicht auch podnews.net mit Kurznews aus der Podcast-Welt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.crid.land.
James Cridland können Sie übrigens im Juli persönlich treffen, denn er wird auf den Lokalrundfunktagen 2018 in Nürnberg die Keynote halten.