Markus Knoll: „Uneinigkeit schadet massiv der Entwicklung von DAB+“

Markus Knoll (Bild:Hitradio OHR)Die baden-württembergische Hörfunklandschaft ist – wie das Bundesland selbst – ein subtiles Gebilde. Und entgegen des flott hinausposaunten Landesslogans, dass die Baden-Württemberger eben alles könnten, außer Hochdeutsch, sind Schwaben und Badener beileibe nicht auf allen Gebieten unter einen Hut zu bekommen. Eine Erkenntnis, die die politisch Handelnden auch nach über 65 Jahren nach Gründung des Südweststaates noch immer vor gelegentliche Herausforderungen stellt.

SWF3-Buch: "Komische Zeiten" (Bild: RADIOSZENE)

Schon der Zuschnitt der Verbreitungsgebiete für die öffentlich-rechtlichen Nachkriegsanstalten Südwestfunk und Süddeutscher Rundfunk erwies sich schon bald als ein wenig gelungenes Kunstprodukt. So sendeten beispielsweise SWF und SDR während ihrer Zeit in Senderäumen, deren eher willkürlich verordnete Zuteilung durch die zuständigen alliierten Besatzungsmächte USA und Frankreich in vielen Regionen kaum der landmannschaftlichen Zusammensetzung der Bevölkerung gerecht wurde. Als Folge war es eben oft kompliziert zwischen den ARD-Geschwistern. Auch, weil sich im Laufe der Zeit die beiden „3er-Wellen“ SWF3 und SDR 3 als Konkurrenten gelegentlich ins Gehege kamen. Was sich allerdings mit der Fusion beider Anstalten im Jahr 1998 zumindest nach außen hin erledigte.

Auch der Start des privaten Hörfunks in Baden-Württemberg im Jahr 1987 verlief alles andere als rund. Im Schweinsgalopp und ohne praktische Erfahrungswerte peitschte die damalige CDU-Alleinregierung unter Ministerpräsident Lothar Späth die Einführung von Privatradios durchs Parlament – was sich für einen guten Teil der mit großen Hoffnungen angetretenen Neuradiomacher als fatales Missverständnis erwies. So wurden damals die Radiopioniere in wirtschaftlich eher bescheidenen Landstrichen ohne ausreichende Frequenzausstattung auf Sendung geschickt – für die meisten schon bald der vorprogrammierte Anfang vom Ende. Auch das in der ersten Lizensierungsphase praktizierte Frequenzsplitting an mehrere Veranstalter erwies sich letztlich als fataler Irrtum. Nach jahrelangem Herumdoktern und Reformieren schrieb die Medienpolitik schließlich den Status Quo der heutigen privaten UKW-Landschaft auf ein landesweites Jugendangebot, drei Regionalsender sowie 12 lokale Sendegebiete fest.  

HITRADIO OHREin bis heute erfolgreiches Gründungsmitglied unter den baden-württembergischen Lokalradios ist das in Offenburg beheimatete HITRADIO OHR. Am 1. Juli 1987 begann Radio Ohr als eines der ersten Privatradios in Baden-Württemberg mit der Ausstrahlung seines Programmes. Der Name wurde seinerzeit im Rahmen eines Preisausschreibens gefunden. Die Abkürzung OHR stand dabei einst für Ortenauer Heimat Radio.

Aufkleber von Radio Telstar Offenburg (RTO)In den ersten fünf Jahren teilte sich der Sender die damalige Offenburger Frequenz mit Radio Telstar Offenburg (RTO). Dieses Frequenzsplitting endete mit der Einstellung des Sendebetriebes von RTO im Dezember 1992. HITRADIO OHR ist heute das dienstälteste, noch unter gleichem Namen und Gesellschaftsform sendende Lokalradio in Baden. Das Sendegebiet erstreckt sich von Bühl im Norden bis nach Herbolzheim im Süden und vom Elsass und Straßburg im Westen bis tief ins Kinzigtal im Osten. HITRADIO OHR verbreitet ein 24-stündiges Infotainment-Vollprogramm.

Seit dem 2008 ist der Schwarzwald nun auch im Radio angekommen

Seit dem 1. Juli 2008 betreibt HITRADIO OHR zusätzlich das Schwesterprogramm SCHWARZWALDRADIO. Ursprünglich nur mit einer lokal auf das Kinzigtal begrenzten UKW-Frequenz sendet SCHWARZWALDRADIO aus dem Offenburger Funkhaus ein 24-stündiges MOR-Musikprogramm unter dem Motto „Classic Hits und Super Oldies“.

Die spätere Aufschaltung ins baden-württembergische DAB+ Netz wurde durch eine konsequente redaktionelle Ausrichtung zum „Offiziellen Ferienradio für den Schwarzwald“ begleitet. In diesem Zuge erfolgte eine Partnerschaft mit der Schwarzwald Tourismus GmbH, als Dachorganisation der Schwarzwälder Landkreise, Gemeinden und Städte.

Seit dem 1. September 2016 ist SCHWARZWALDRADIO in ganz Deutschland im DAB+-Bundesmux zu empfangen. Zuletzt machte der Sender mit bundesweit bekannten Zugängen im Moderatorenstab wie Walter Fuchs, Uwe Carsten, Thomas Schminke  – und Urgestein Rainer Nitschke auf sich aufmerksam.

Markus Knoll (Bild: ©Ulrich Marx)
Markus Knoll (Bild: ©Ulrich Marx)

Im Gespräch mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich erläutert Senderchef Markus Knoll sein Programmkonzept und zieht eine erste erfolgreiche Bilanz nach der Aufschaltung zur bundesweiten DAB+-Verbreitung.


RADIOSZENE: HITRADIO OHR ist eines der ältesten Lokalradios in Baden-Württemberg. Mit welchen Perspektiven gehen Sie ins nun 32. Programmjahr?

Markus Knoll (Bild: HITRADIO OHR)
Markus Knoll (Bild: HITRADIO OHR)

Markus Knoll: Mit den gleichen Perspektiven, wie in den vorangegangenen Jahren: ruhig weiterschwimmen und nicht untergehen! Im Ernst: Wir machen das, was wir seit vielen Jahren tun: ein ehrliches und handwerklich gut gemachtes, engagiertes Programm für unsere Region.

RADIOSZENE: Die Radiolandschaft im Ländle ist eine härtesten in Deutschland. Einerseits sehen Sie sich einer breit aufgestellten Programmflotte des Südwestrundfunks gegenüber, darüber hinaus stehen Sie im Wettbewerb mit Radio Regenbogen und bigFM. Wer sind Ihrer härtesten Mitbewerber und wie grenzen Sie sich von ihnen ab?

Markus Knoll: Vor allem stehen wir im Wettbewerb zu SWR3 und Radio Regenbogen. In punkto Hörerservice und Berichterstattung aus der Region kommen die Kollegen aber nicht an uns heran. Das ist bei der Größe deren Sendegebiete auch gar nicht darstellbar. Wer wissen möchte, was vor der Haustür passiert, der schaltet HITRADIO OHR ein. Wir haben hier eine seit Jahren gut funktionierende Koexistenz. Es gibt im Supermarkt ja auch verschiedene Biermarken … und viele davon schmecken ähnlich gut.

RADIOSZENE: Wie haben Sie das Musikprogramm von HITRADIO OHR positioniert? Wo liegen hier Ihre Schwerpunkte?

Markus Knoll:  Wir haben immer noch eine eigene Musikredaktion und kaufen keine getesteten, zum Teil zu Tode rotierten Playlisten ein. Natürlich liegt der Schwerpunkt auch bei uns im AC-Segment … allerdings mit vielen musikalischen Überraschungen, die man unter dem Label eines „HITRADIO“ nicht vermuten würde: Da flitzt mal ein Oldie durchs Programm, oder ein abgefahrener Neunziger. 

 

„Wir haben hier eine seit Jahren gut funktionierende Koexistenz“ (Markus Knoll)

 

RADIOSZENE: Im Vergleich zu anderen Programmen verfügt der Sender über eine gute Zahl an Musikspezialsendungen. Wie wichtig sind diese Angebote für den Gesamterfolg von HITRADIO OHR?

Markus Knoll: Um es mit einer Schwarzwälder-Kirschtorten-Metapher zu beschreiben: Musik ist der Bisquit, die Sahne unsere lokale Berichterstattung, meine Moderatoren sind die Kirschfüllung, die Spezialsendungen sind das Kirschwasser und unser toller Hörerservice sind die Kirschen und die Schokostreusel oben drauf. Wir achten aber auf alle Fälle, dass die Spezialsendungen noch mit viel Phantasie zum übrigen Programm passen. Musikalische Spagate aus der Gründerzeit mit Klassik trifft auf Heavy Metal mit Jazz über Country wird es nicht mehr geben. 

RADIOSZENE: Neben einer französischen Musikshow wurde jetzt eine Latino Sendung gestartet. Im deutschen Radio ein echtes Kuriosum! Wie kamen Sie auf diese Idee?

Markus Knoll: Meine Kollegin Katharina Tchackert hat sich im Kino mal Nachos mit Salsa gekauft – seitdem fließt Latino-Blut in ihr. Wir mussten ihr daher eine eigene Show geben. Hier zeigt sie, dass sie tatsächlich unglaublich viel über lateinamerikanische Musik weiß und diese Liebe wirklich in sich trägt. Und sie hat tatsächlich einen Teil ihres Lebens in Kolumbien verbracht. Und zumindest bei uns in der Ecke war diese Musiksparte bislang bedient. Junge Radiotalente brauchen Auslauf und das geht nur mit on-air-time. Es war ihre Idee – muy caliente!

RADIOSZENE: Wie Sie erwähnten ist die Nahraumberichterstattung einer Ihrer wichtigten Bausteine.  Mit welchen regionalen Schwerpunkten binden Sie die Hörer an den Sender?

Markus Knoll: „Nahraumberichterstattung“ – das ist ja sprachlich genauso erotisch wie „Straßenbegleitgrün“. Wir bringen Geschichten und Typen aus der Region im Programm – klassischer Lokalfunk eben. In allen anderen Bereichen sind wir angreif- und austauschbar. 80 Prozent unseres Wortanteils haben einen Bezug zur Region, beim Hörerservice sind es logischerweise 100 Prozent.

 

„Der Schwarzwald ist überall zu Hause“ (Markus Knoll)

 

RADIOSZENE: Seit 2008 betreiben Sie aus dem Offenburger Funkhaus zusätzlich den Sender SCHWARZWALDRADIO, seit 2016 ist das Programm bundesweit über DAB+ empfangbar. Wie entwickelt sich das Angebot?

Markus Knoll: Es ist in der Tat unglaublich, dass wir aus allen Ecken der Republik Zuspruch bekommen – vor allem auch wegen der unglaublich ungewöhnlichen Musikauswahl. Viele Hörer schreiben uns, dass sie zunächst gar keine Ahnung hatten, warum SCHWARZWALDRADIO in ihren fernen Regionen ausgestrahlt wird. Beim näheren Hinhören haben sich aber viele in die Geschichten und Berichte aus der wunderschönen Schwarzwaldregion verliebt. Und einige haben genau aus diesem Grund ihren Urlaub bei uns im Schwarzwald gebucht. Wir wissen das, weil uns schon ein paar Dutzend „Fans“ auf Ihrer Urlaubsreise hier im Studio besucht haben.

Schwarzwaldradio (Bild: ©HITRADIO OHR)
Schwarzwaldradio (Bild: ©HITRADIO OHR)

Außerdem schmeckt Badischer Wein auch in Sachsen, die Kirschtorte lauert ebenso beim Bäcker in Hamburg und selbst in München stehen noch Dutzende Eierbecher der Zeller Keramik mit dem berühmten „Hahn & Henne“-Motiv im Küchenschrank. Der Schwarzwald ist überall zu Hause – und wir sind es glücklicherweise auch. 

RADIOSZENE: Für SCHWARZWALDRADIO haben Sie eine Riege bekannter Moderatoren verpflichtet, auch in diesem Programm sind vergleichsweise viele Musikspezialangebote zu hören. Wie kommen diese Sendungen beim Publikum an?

Schwarzwaldradio Moderator Matthias Drescher (Bild: ©HITRADIO OHR)
Schwarzwaldradio Moderator Matthias Drescher (Bild: ©HITRADIO OHR)

Markus Knoll: Die Kollegen Rainer Nitschke und Walter Fuchs bekommen großartigen Zuspruch auf ihre Shows. Viele Hörer aus früheren Zeiten freuen sich, ihre altbekannten Radiostimmen bei uns neu zu entdecken. Besonders schön ist, dass beide Kollegen auch viele Angebote anderer Stationen bekommen, sich aber für uns entschieden haben. Und wer unsere Räumlichkeiten schon mal besichtigt hat, weiß: es war nicht wegen dem vielen Geld!

RADIOSZENE: SCHWARZWALDRADIO ist bei der gerade veröffentlichen MA Audio 2018 noch nicht abgebildet. Wie bewerten Sie grundsätzlich die neu ausgerichtete MA Audio?

Markus Knoll: Da hätten wir uns natürlich gewünscht, dass die Auszählungen und Gewichtungen ein bisschen mehr in unsere Richtung schlagen. Aber für ein Nischenprodukt wie SCHWARZWALDRADIO braucht man eben Geduld. Die beiden reinen DAB+ Sender, die neu in der Einzelausweisung auftauchen, haben vier Jahre und länger gebraucht, um dieses Ziel zu erreichen. Bei uns dauert es hoffentlich nicht so lange. Die nationale Ausweisung ist der Zugang zur nationalen Vermarktung und damit zur Finanzierbarkeit. Nachdem der eigene Nachdruck von Geldscheinen verboten ist, stehen wir hier schon unter Zeit- und Kostendruck.

Die neue MA Audio ist mit Sicherheit ein guter Schritt nach vorne, da sie jetzt auch die Online-Nutzung abbildet. Nun soll aber auch noch die DAB+ Studie eingeflochten werden. Das wird mindestens spannend. Aus drei ganz unterschiedlichen Zutaten eine bekömmliche Emulsion zu machen, das schafft sonst nur der Thermomix. 

RADIOSZENE: Wann erwarten Sie den endgültigen Durchbruch für DAB+?  

Markus Knoll: Momentan weiß ich nicht, was eher durchbricht: Mein Magen oder DAB+. Ich möchte hierzu auch nicht eine weitere Glaskugel bemühen, die nichts Ernstzunehmendes über die Zukunft aussagen kann. Sicher ist, dass die Uneinigkeit der Radioveranstalter in Deutschland, ganz egal ob privat oder öffentlich-rechtlich der Entwicklung von DAB+ massiv schadet – und damit allen Veranstaltern, die sich auf diesem Ausspielweg tummeln, stellenweise mit unglaublich großem Erfolg.

Schwarzwaldradio (Bild: ©HITRADIO OHR)
Schwarzwaldradio (Bild: ©HITRADIO OHR)

An Webradio führt kein Weg vorbei, logisch. Eine kostenlose, für alle empfangbare Terrestrik wird es weiterhin geben (müssen). Und wenn Webradio weiterhin zulegt, wird UKW irgendwann zwangsläufig zu teuer. Wir können aber gerne noch ein bisschen warten.

 

„Momentan weiß ich nicht, was eher durchbricht: Mein Magen oder DAB+“ (Markus Knoll)

 

RADIOSZENE: HITRADIO OHR ist seit langer Zeit  fest im Bewusstsein der Hörer in der Region verankert. Was muss von Ihrer Seite noch getan werden, um diesen Status langfristig zu festigen und vor allem die nachrückenden Generationen dauerhaft an den Sender zu binden?

Markus Knoll: Radio muss überraschen und Radio muss Geschichten erzählen, Radio muss authentisch sein und entsprechende Moderatoren am Mikro haben. Die zu finden und zu formen ist unsere Aufgabe. Mit Einheitsgedudel aus vier Jahrzehnten, totformatieren Songs, austauschbaren Gewinnspielen und heruntergeleierten Senderclaims wird das Radio nicht überleben. Und wir müssen die Hörer ernst nehmen. Jede einzelne Zuschrift, jeden Anruf … persönliche Interaktion wird für die Menschen immer seltener und damit wichtiger.

RADIOSZENE: Was wünschen Sie sich für das Radio von der Medienpolitik?

Markus Knoll: Ein Schnitzel mit Beilage und ein Weißbier aufs Haus. Und bitte kein großes Jammern und Wehklagen, wenn demnächst was gründlich schief laufen sollte. Auch hier wurde bereits alles gesagt und geschrieben. Taschentücher sind alle.