Wenn ich mit Unternehmen und Studenten über die Art und Weise spreche, wie wir lineares Radio konsumieren, ist man immer wieder total überrascht darüber, dass der Radiokonsum per Internet so gering ist.
In der letzten Woche sind drei Studien erschienen, die genau das thematisieren.
In Großbritannien hat RAJAR bei nahezu 25.000 Haushalten angeklopft und dort eine Reihe von Fragen zum Thema „Radio hören“ gestellt. Klar, damit berechnet man jedes Quartal die Einschaltquoten der Sender, aber in derselben Studien werden auch Plattformdaten abgefragt. Mit dem Ergebnis, dass das, was über das Internet (Websites und Apps) gehört wird, ganze 9.3% des gesamten Radiokonsums ausmacht.
In den USA führt Edison Research eine Umfrage mit ähnlich rigorosen Fragen unter 1.277 Personen (sowohl online als auch offline) durch. Und auch dort kam man zu dem Schluss, dass der Radiokonsum per Internet mit nur 8% weit hinter den terrestrischen FM- und AM-Signalen zurückbleibt.
Rundfunk ist eben immer noch Rundfunk. Auch neueste Umfragen von anderen Instituten in Australien, Norwegen und anderen Ländern scheinen das zu belegen.
Aber dann gab es da noch die TechSurvey von Jacobs Media. Die behauptete, dass inzwischen 27% des Radiokonsums über das Internet erfolgt (und in manchen Tweets wurde diese Zahl als das “wahre Verhältnis” bezeichnet). Bemerkenswert: drei Mal mehr als in anderen Erhebungen. Da musste ich mir doch einige Fragen stellen.
Im Gegensatz zu den Studien von RAJAR oder Edison Research ist die TechSurvey eine Umfrage, die darzustellen versucht, was man in den USA insgesamt betrachtet tut. An der Studie nehmen übrigens auch Kanadier teil (die 9% des Gesamtergebnisses ausmachen). Was jedoch noch wichtiger ist: Die Teilnehmer an dieser Online-Umfrage sind Hörer, die über einen Link auf der Website oder im VIP-Newsletter einer Radiostation überhaupt erst zu dieser Umfrage stoßen.
Die TechSurvey ist somit eine ausschließlich online-basierte Umfrage, sozusagen unter den Superfans des Radios. Diese Leute hören nicht einfach nur Radio, sondern sie sind so verrückt danach, dass sie die Websites der einzelnen Sender besuchen und vielleicht sogar zum VIP-E-Mail-Club eines Senders gehören. Wenn man hier nach Leuten sucht, die Radio nur beiläufig oder eher widerwillig hören… Fehlanzeige. Wie sollte man sie hier auch finden? Jeder, der an dieser Umfrage teilnimmt, ist davon überzeugt, dass Radio die beste Erfindung überhaupt ist.
Aber keine voreiligen Schlüsse, die TechSurvey ist dadurch nicht nutzlos. Wenn man sich erst einmal darüber im Klaren ist, was man da überhaupt misst, dann ist sie sogar äußerst hilfreich. Denn es ist eine Umfrage unter den besten Kunden des Radios.
Und diese Umfrage besagt, dass die größten Fans deines Senders diesen deinen Sender genau auf dem Gerät hören möchten, das sie gerade benutzen. Wenn sie einen Amazon Alexa haben, wollen sie dich dort hören. Wenn sie einen Google Home haben, wollen sie dich dort. Und wenn sie eine Comcast-Setup-Box für das Kabelnetz haben, dann sollte dein Sender – ihr Lieblingssender – am besten auch dort erscheinen.
Ich persönlich kann das nur bestätigen: Es gibt zwei Sender, die ich am meisten höre, und ich höre sie im Laufe der Woche abwechselnd auf einem DAB+-Radio, einem Google Home-Lautsprecher, auf einem anderen DAB+-Radio, über eine Streaming-App und über deren Website. Die anderen Sender, die ich ab und zu einschalte, höre ich in der Regel nur über ein Gerät. Nun bin ich nicht gerade ein Radio-Normalverbraucher, aber ich denke, das sagt schon einiges aus (einmal unabhängig von all den Umfragen betrachtet).
All dies unterstreicht die Wichtigkeit einer Verbreitungsstrategie – gerade für die Superfans deines Senders. Im Grunde genommen lässt es sich auf einen einfachen Grundsatz reduzieren: „Wo immer ein Lautsprecher ist, sieh zu, dass du deinen Sender dort hinein bekommst. Denn deine Hörer erwarten das von dir.“ Wir reden immer von der Radiozukunft als Multi-Plattform-Zukunft. Für manche mag das immer noch Zukunftsmusik sein, aber gerade für die Superfans deines Senders ist dies essentiell wichtig. Denn was würden sie tun, wenn sie deinen Sender auf einem Gerät nicht finden? Dann hören sie einen anderen. Oder – um es mal betriebswirtschaftlich auszudrücken: dann wandern sie zur Konkurrenz ab.
Im Großen und Ganzen sollte man dies als Erinnerung sehen, ab und zu den Schwerpunkt bei den Superfans anzusetzen.
Und noch etwas: Die langweiligen Ausführungen, die am Anfang einer Umfrage immer unter der Überschrift „Umfragemethodik“ stehen – vielleicht sind gerade diese Ausführungen am allerwichtigsten.
Der Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Er betreibt den Medieninformationsdienst media.info und hilft bei der Organisation der jährlichen Next Radio conference in Großbritannien. Er veröffentlicht auch podnews.net mit Kurznews aus der Podcast-Welt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.crid.land.
James Cridland können Sie übrigens im Juli persönlich treffen, denn er wird auf den Lokalrundfunktagen 2018 in Nürnberg die Keynote halten.