Eines meiner Steckenpferde sind die Inhalte, die Radiosender verbreiten.
Denn ein Sender kann ein Tyrann sein: Rund um die Uhr will er mit Inhalten gefüttert werden, und wenn wir einmal zurückblicken, dann waren wir als Branche längst nicht immer so gut, wenn es darum geht, diese Inhalte festzuhalten und auf andere Weise zu verwerten.
Vieles von dem, was Radiomacher in der heutigen Zeit tun, stützt sich auf Althergebrachtes aus Geschichte und Tradition, und nicht unbedingt auf das, was Hörer heutzutage hören wollen. Live-Radio ist so ein Beispiel. In den 1920er- und 1930er-Jahren war dies die einzige Möglichkeit, ein gutes Radioprogramm auf die Beine zu stellen. Heutzutage klingt Live-Radio eher nach 08/15 als nach einem wohlfeilen Audio-Gesamtkunstwerk.
Schauen wir deshalb einmal bei neuen Sendern herein. Die sind schließlich noch ein unbeschriebenes Blatt und können vieles von Anfang an richtig machen, ohne gegen eingefahrene Strukturen kämpfen zu müssen. Denn Veränderungen sind zäh.
Love Sport ist ein Radiosender in London, auf dem vor allem geredet wird, am meisten über Sport. Man sendet auf Mittelwelle und DAB in und um London, und im Rest der Welt über Plattformen wie Radioplayer, TuneIn und Amazon Alexa. Man tut schon einiges dafür, um genau dort verfügbar zu sein, wo auch die Zielgruppe ist.
Ein Blick auf die Website www.lovesportradio.com reicht, um festzustellen, dass es bei diesem Sender nicht nur um Live-Radio geht. Die Schaltflächen „Listen live“ und „On demand“ sind beide gleich groß und an gleicher Stelle positioniert. Mit anderen Worten: egal wie man zuhört, Hauptsache man tut es. Und allem Anschein nach gibt es wirklich jede einzelne Sendung auch auf Abruf.
Viele gesendete Inhalte werden als Clip bei Facebook eingestellt. Facebook deswegen, weil Facebook als soziales Medium für kurze Audio-Fragmente besser geeignet ist als Twitter. Facebook ist weniger auf den Moment orientiert, sondern mehr auf die letzten paar Tage und ist somit weniger flüchtig.
Zu den interessantesten Sendestrecken des Senders gehören die Abende und die Wochenenden. Genau hier profitiert Love Sport von seiner Lage in einer Stadt, in der ganze 11 Profi-Fußballvereine spielen. Der Sender bringt Fan-Podcasts von jedem Verein.
Vor gut 10 Tagen kündigte der Sender an, dass man diese Podcasts ab sofort für Smart Speaker bereitstellt. Eine Partnerschaft mit XAPPmedia macht’s möglich. Eine clevere Weise, um Sportfans an sich zu binden, und obwohl der Radiokonsum über Smart Speaker derzeit noch gering ist, kann es nicht schaden, bei diesen Diensten schon einmal einen Fuß in der Tür haben.
Bemerkenswert ist übrigens auch, dass der Sender sich on-air als „Love Sport“, off-air (in Logos und online) jedoch als Love Sport Radio präsentiert. In der neuen Multimedia-Radiowelt lassen viele Marken das Wort „Radio“ lieber unter den Tisch fallen statt den Betriff neu zu definieren. Unsere Londoner haben diesen Fehler nicht gemacht.
Natürlich kommt man bei der Lancierung eines neuen Senders in Versuchung, den Laden so zu betreiben, „wie wir es immer gemacht haben“.
Besser und mutiger ist es jedoch, das Programm und die Verbreitungsstrategie den Gegebenheiten der 2010er-Jahre anzupassen. Denn die 1980er sind längst vorbei.
Der Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Er betreibt den Medieninformationsdienst media.info und hilft bei der Organisation der jährlichen Next Radio conference in Großbritannien. Er veröffentlicht auch podnews.net mit Kurznews aus der Podcast-Welt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.crid.land.
James Cridland können Sie übrigens im Juli persönlich treffen, denn er wird auf den Lokalrundfunktagen 2018 in Nürnberg die Keynote halten.