Lutz Kuckuck im Interview: „Hören ist das neue Sehen!“

Lutz Kuckuck ras2017 big min Trotz einiger besorgter Minen nach den Ergebnissen der ma Audio 2018 I und anhaltender Diskussionen über Zukunftsfähigkeit des Mediums ist die Radiobranche verhalten optimistisch ins Jahr gestartet. Was durch wachsende Marktumsätze befeuert wurde: so registrierten die Hamburger Werbestatistiker von The Nielsen Company (Germany) für die Gattung Radio in den ersten beiden Monaten Brutto-Umsätze von fast 293 Millionen Euro. Dies entspricht einem Plus von rund 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum 2017. Im Gespräch mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich zieht RADIOZENTRALE-Chef Lutz Kuckuck ein erstes Fazit zum Verlauf des bisherigen Radiojahres 2018.


RADIOSZENE: Wie bewerten Sie die Frühjahrsergebnisse der ma Audio 2018 I  – auch vor dem Hintergrund der veränderten Systematik? 

Lutz Kuckuck (Bild: Radiozentrale)
Lutz Kuckuck (Bild: Radiozentrale)

Lutz Kuckuck: Radio und Audio haben im Leben der Menschen ihren festen Platz. Fast jeder Deutsche ab 14 Jahren (94,9%) stellt regelmäßig seinen Lieblingssender ein, sei es das klassische Radio (93,7%) oder Webradio, Streaming und Co. (Radio / Audio innerhalb der letzten vier Wochen gehört). Deutlich abzulesen an den neuen Daten der ma Audio 2018 I ist, dass die jüngeren Hörer verstärkt Online-Audio nutzen.

Hören ist das neue Sehen. Das zeigt uns insbesondere der Blick auf die Audionutzung der jüngeren Bevölkerungsgruppen. Ohne Knopf im Ohr ist kaum noch jemand von ihnen anzutreffen, sei es in der Bahn, auf dem Fahrrad oder auch zu Hause auf dem Sofa. Mit der neuen ma Audio tragen wir als Gattung, gemeinsam mit der ag.ma, der richtigen Abbildung des Hörverhaltens der jüngeren Generation Rechnung und können nun deutlich sehen, die Jugend hört – sie nutzt dafür aber die neuen Empfangswege wie Smartphone und Sprachassistenten und weniger das klassische Radiogerät. 

Gut hörbar wird auch die Zukunft werden. Der Siegeszug der neuen Sprach-Assistenten wird die Bedeutung von Radio / Audio noch weiter stärken. Denn schon heute haben 56 Prozent der Deutschen schon einmal einen Sprach-Assistenten genutzt (Edison Research „The Smart Audio Report“ November 2017 von Kantar TNS). Und 77 Prozent der Alexa-Nutzer in Großbritannien nutzen ihr Gerät um Radio zu hören, dabei entfällt 72 Prozent der Nutzungszeit des Sprachassistenten auf Radio (Getting Vocal. How voice-activated devices are increasing radio listening and elevating audio branding. Radiocentre 2017).

RADIOSZENE: Radio hat sich im vergangenen Jahr auch wirtschaftlich weiterentwickelt. Welches sind die Gründe hierfür?

Lutz Kuckuck: 2017 hat die Gattung Radio ihre Erfolgsstory eindrucksvoll fortgesetzt und sich zum Reichweitenmedium mit dem stärksten Umsatzwachstum entwickelt: Während der Gesamtmarkt nur um 1,4 Prozent zulegte, wuchsen die Radioumsätze deutlich überdurchschnittlich um 4,7 Prozent. Für diesen neuen Radio-Boom sind im Kern drei Faktoren verantwortlich: Radio ist effektiv. Es liefert zuverlässig Reichweite und aktiviert nachweislich seine Hörer. Radio hat das Vertrauen seiner Hörer. Das schlägt sich auch positiv auf die Wahrnehmung und Wirkung der Werbung nieder. Radio ist so vielseitig wie nie zuvor. Die zunehmende Digitalisierung liefert neue, exklusive, werberelevante Touchpoints. Der Markt hat dieses Potenzial erkannt und investiert folgerichtig verstärkt in Audiowerbung. Wir sind mit dieser Entwicklung natürlich hoch zufrieden.

(Bild: ©Amazon, ©Google, ©Apple)

RADIOSZENE: Sind in diesem Jahr ähnliche Zuwachsraten zu erwarten?

Lutz Kuckuck: Das Jahr läuft gut an: Für die ersten beiden Monate weist Nielsen für Radio ein Plus von 3,8 Prozent aus. So darf es gerne weiter gehen. Und ich bin zuversichtlich, dass es auch so kommen wird, denn wir blicken in eine spannende Zukunft: ‚Voice’ ist aktuell einer der heißesten Online- und Marketing-Trends und hat das Zeug zum Gamechanger. Ich bin überzeugt: Die Relevanz von Audiomarketing wächst. Es wird perspektivisch unverzichtbar. Für Audio bedeutet das: The best is yet to come!

RADIOSZENE: Die Radiozentrale ist Veranstalter des Radio Advertising Summit. Welche Botschaften und Highlights sind während der diesjährigen Veranstaltung auf der Agenda.

Lutz Kuckuck: Radio und Audio sind so effektiv wie nie zuvor. Die Nähe zu Millionen von Hörern, die Vielzahl der Touchpoints und technologische Innovationen machen unser Medium heute und in Zukunft unverzichtbar für wirksame Markenführung und Mediastrategie. Auf dem Radio Advertising Summit wollen wir zeigen, wo Radio und Audio aktuell den Ton angeben und welche Potenziale und neue Möglichkeiten in der Gattung stecken. Der Sound- und Markenexperte Julian Treasure wird sich beispielsweise mit der Frage beschäftigen, warum eine Audio Identity für Marke in Zeiten von Alexa, Siri & Co. unerlässlich ist. Prof. Dr. Norbert Bolz beleuchtet für unsre Gäste den Konsumenten in Zeiten disruptiver Medienentwicklung. Seine Thesen werden anschließend von Marken- und Mediaexperten wir Helmut Huber (CHECK24), Klaus Nadler (Carat Deutschland) und Robert-Louis Ostertag (MediaMarktSaturn) einem Realitätscheck unterzogen und eingeordnet. Außerdem haben wir mit Philip Banse (Lage der Nation) einen der profiliertesten deutschen Podcaster an Bord, der uns erklärt, woher die neue Lust am Zuhören kommt und warum Podcast das Audio-Phänomen der Stunde ist. Die Liste der Themen und Speaker ist noch lang. Es ist für jeden was dabei. Ich lade alle herzlich ein dabei zu sein. Es lohnt sich!

Lutz Kuckuck lädt ein zum Radio Advertising Summit (Bild: Radiozentrale)
Lutz Kuckuck lädt ein zum Radio Advertising Summit (Bild: Radiozentrale)

RADIOSZENE: Wir sehr ist die Veranstaltung inzwischen im Bewusstsein der Branche und Werbewirtschaft verankert?

Lutz Kuckuck:Im vergangenen Jahr hatten wir mit 800 Teilnehmern einen neuen Besucherrekord, der unsere Erwartungen übertroffen hat. Die Anmeldezahlen für dieses Jahr deuten darauf hin, dass das keine Eintagsfliege war. Das beweist, dass der Radio Advertsing Summit – und übrigens auch der Radio Advertising Award, den wir ja in diesem Jahr zum vierten Mal im Anschluss an den Kongress vergeben – einen festen Platz im Bewusstsein und in den Kalendern unserer Zielgruppe haben. Uns diese Relevanz zu verdienen, dafür haben wir mit dem gesamten Team in den letzten Jahren hart gearbeitet.

RADIOSZENE: An welchen Stellschrauben muss die Branche drehen, um „Radio“ noch attraktiver im Markt zu verankern? Das Thema „Online“ wird hier sicher eine zentrale Rolle spielen …

Lutz Kuckuck: Radio muss sich seinen zentralen USP erhalten: Das Vertrauen seiner Hörer. Seine Qualität als glaubwürdigste journalistische Nachrichten- und Informationsquelle führt dazu, dass Radio seine Hörer durch den gesamten Tag begleitet: Die durchschnittliche tägliche Verweildauer, also die Zeit die die Hörer mit Radio verbringen, liegt bei mehr als vier Stunden, Tendenz leicht steigend. So intensiv wird kein anderes Medium genutzt. Häufig ist die Stimme des Radiomoderators das Erste, was wir morgens hören und der musikalische Lieblingsmix die perfekte Einschlafhilfe am Ende des Tages. Kurz: Die Hörer lassen Radio tief hinein in ihren Alltag und in ihr Leben. Kein anderes Medium ist so nah dran an den Menschen. Die digitalen Kanäle sind in diesem Zusammenhang nur weitere Wege, um diese Nähe herzustellen. Die Radiosender haben das längst erkannt und sich mit Apps, Alexa-Skills oder Playlisten auf Spotify darauf eingestellt, ihre Hörer dort zu erreichen, wo es für sie am bequemsten ist.

RADIOSZENE: Mit welche Maßnahmen und Aktionen begleitet die Radiozentrale in 2018 die Entwicklungen im Markt und der Öffentlichkeit?

Lutz Kuckuck: Der Radio Advertising Summit ist sicherlich eine der wichtigsten Maßnahmen, um uns im Markt Gehör zu verschaffen. Aber auch der Deutsche Radiopreis, der am 6. September in Hamburg verliehen wird, ist ein wichtiger Baustein, um das Potenzial von Radio in die Branche, aber auch in Richtung Hörermarkt erlebbar zu machen. Daneben engagieren wir uns noch im Rahmen des Weltradiotags, dieses Jahr mit einer Programm-Aktion unter dem Motto „Mein Sender – meine Heimat“ und bei den Radiodays Europe. Und last but not least gibt es ein weiteres Thema, dass uns schon seit einigen Jahren sehr am Herzen liegt: Kreativität. Wir glauben: je mehr kreative Kraft in die Vermittlung einer Werbebotschaft gelegt wird, desto effektiver wird sie ihre Hörer erreichen. Deshalb freue ich mich schon sehr auf den Radio Advertising Award. Ich war bei der Jurysitzung dabei und darf Ihnen versprechen: Wir werden am 12. April Arbeiten zu hören bekommen, die exemplarisch zeigen, welche kreative Power in Radiowerbung steckt.

Lutz Kuckuck mit Radio Advertising Award (Bild: ©Radiozentrale)
Lutz Kuckuck mit Radio Advertising Award (Bild: ©Radiozentrale)

RADIOSZENE: Abschließend eine persönliche Frage: Angenommen Sie könnten die Radiolandschaft nach ihren Vorstellung verändern, wo würden Sie ansetzen um den deutschen Hörfunk noch erfolgreicher zu gestalten?

Lutz Kuckuck (Bild: Radiozentrale)
Lutz Kuckuck (Bild: Radiozentrale)

Lutz Kuckuck: Auch auf die Gefahr, mich total in die Nesseln zu setzen: Wenn ich die Radiolandschaft neu erfinden könnte, …..

  1. würde ich votieren bundesweit für nur noch eine „private“ Medien-Anstalt nach  österreichischem oder auch britischem Vorbild, – idealiter  Gleiches für die öffentlich-rechtliche Seite. Ich erhoffe mir davon schnellere Entscheidungs-Strukturen. 
  2. würde ich analog wie seinerzeit in UK den Weg von UKW auf Digital mit einer kräftigen Finanzspritze seitens des Staates  für infrastrukturelle Massnahmen etc. unterstützen (z.B. 1 – 2 Milliarden EURO in 5 Jahren). Denn der Staat hilft ja auch beim Schienennetz der Bahn oder auch beim jetzt schon legendären Flughafen Berlin etc. – Warum also nicht auch bei Medien-Versorgungskanälen?
  3. würde ich mich schließlich verabschieden wollen bei den Tarifen von der alles entscheidenden Zielgruppe  14 bis 49 Jahre. Denn wir alle wissen von unserer Alterspyramide, dass diese Zielgruppe ratierlich kleiner wird, – die kauf- und konsumstarke  Zielgruppe der 50+ hingegen in den nächsten 10 Jahren um etwa 15 % zunimmt.
  4. obwohl ich maßgeblich mitverantwortlich bin, dies Mitte der achtziger Jahre eingeführt zu haben, bin ich heute gegen eine sekundengenaue Abrechnung der Spots. Denn längere Spots sind zweifelsohne besser für die Akzeptanz beim Nutzer als kurze. Dennoch trägt die genaue Abrechnung leider eher dazu bei, die Spots zu stauchen.

Michael Schmich